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Zur Einstimmung: MSV vs F95 anno 2009 – ein Spülbericht

[Dieser Beitrag erschien zuerst in der Rainer’schen Post vom 01.09.2009 – es handelt sich um die erste Wiederbegegnung nach dem Aufstieg der Fortuna in die Zweite Liga.]
Diese Traditionsbegegnung gehorchte einem bewährten Drehbuch. Die eine Mannschaft war anfangs überlegen, spielte sich Chancen heraus, ohne diese in Tore umzumünzen. “So was rächt sich”, sagen dann die geistig armen Spochtrepochter. Kurz vor der Pause kassiert dieses Team ein Tor. “Zu einem püschologisch wichtigen Zeitpunkt”, kommentieren dann die Statistikvorleser im TV. Zu Beginn der zweiten Halbzeit ist die zurückliegende Mannschaft dem Ausgleich nah, hat eine optimale Möglichkeit, die sie versiebt. Im Gegenzug fällt das 2:0. Das Spiel ist gelaufen, der Fisch ist gegessen, der Drops ist gelutscht. Und nach der Partie fallen dann die weiteren Worthülsen in die aufnahmenbereiten Mikrofone: Der Sieger sei einfach abgezockter (wahlweise: abgewichster) gewesen, der Verlierer habe Lehrgeld bezahlt, bla & trööt. Denn auch wenn gestern abend der Meidricher Spielverein gewonnen und die glorreiche Fortuna verloren hat: Für alle Anwesenden Fortunen war es ein – wie sacht man heute? – geiles Erlebnis.

Das lag allein schon daran, dass gut und gerne 8.000 Anhänger des Flingerer Arbeitervereins den Weg an die Wedau (auch so’n Fußballreportersprech aus vergangenene Tagen…) angetreten hatten. Die Südtribüne der schnuckeligen MSV-Arena war fest in rot-weißer Hand, und als unser Kapo alle Fortunen aufzustehen, da erhoben sich überall im Stadion fröhliche Menschen und bekannten sich zu ihrem Verein. Der ausgesprochen minderbemittelte Sky-Kommentator sprach in seiner Zusammenfassung von 4.500 Fortunisten vor Ort, was angesichts von fast 6.000 im Vorverkauf an Düsseldorfer abgesetzte Tickets ziemlicher Blödsinn war.
Jedenfalls bewies das, was im Ultra-Jargon “Mob” heißt, wie Support auszusehen und sich anzuhören hat. Als Augen- und Ohrenzeuge war man ohnehin davon überzeugt, dass die rot-weißen Gesänge und Rufe locker die akustischen Entgleisungen von Stadionclown sowie die nur nach Animation erfolgte Anfeuerung der MSV-Freude übertönten. Freunde, die das Spiel live auf DSF oder Sky verfolgten, gaben zu Protokoll, dass man durchgehend die Düsseldorfer gehört hätte.

Überhaupt: Erschreckend was aus der Duisburger Fankultur geworden ist. Zwar herrschten auch im alten Wedaustadion eher selten brasilianische Verhältnisse, aber es gab einen spezifischen, ruhrpöttischen Stil. Nun hat man sich wehrlos den Auswüchsen des modernen Kommerzfußballs ergeben. Das beginnt bei der aufgeblasenen Sinalco-Flasche (Datt Ding steht!) auf dem Rasen, setzt sich mit einer an Peinlichkeit nicht zu übertreffenden Hymne (“Duisburg, ich bin verliebt in dich…”) fort und hört mit einem Stadionclown auf Ferienclub-Animateur-Niveau und dem bescheuerten “Bitte – Danke” noch nicht auf. Wenn es Vereine gibt, zu denen dieser ganze Müll nicht passt, dann zählt der MSV dazu. Welche Auswirkungen diese ganzen Emotionssurrogate auf die Fanszene haben, konnte man gestern anschaulich erleben.

Und das bei einem Traditionsverein. Als Meidericher Spielverein zählte der Club zu den Gründungsmitgliedern der ersten Bundesliga. Damals regte sich in Essen, aber auch in Düsseldorf einiger Protest, weil man den Duisburger Verein dem RWE, der Fortuna und auch Westfalia Herne vorgezogen hatte. Aber: Der MSV wurde einigermaßen souverän Vizemeister hinter dem blöden Retortenklub aus dem hässlichen Kapellenstädtchen. Es folgten ein paar Jahre im Mittelfeld, und nach und nach erarbeiteten sich die Duisburger den Ruf der grauen Mäuse der Liga. Und das trotz des legendären Trikots mit blau-weißen Querstreifen, das dem Team den Kosenamen “Zebras” eintrug. Erst am Ende der Saison 81/82 erwischte es diese Zebras zum ersten Mal. Erst 1991 gelang der Wideraufstieg, den der MSV aber nur ein Jahr in Liga 1 überlebte. Seitdem gibt der Club die Fahrstuhlmannschaft. Außerdem litt der MSV immer auch ein bisschen unter dem Wedaustadion – eine klassische Schüssel mit flachen Rängen und Laufbahn drumherum, die wenig Atmosphäre aufkommen ließ.
Dann kam der Bauunternehmer Hellmich und wurde zum MSV-Napoleon. Zwischen Oktober 2003 und März 2005 entstand unter seiner Regie die neue MSV-Arena – ein schmuckes Fußballstadion für 31.500 Leute mit schönen steilen Rängen. Wieviel Hellmich sonst noch so in den Club gepumpt hat, ist unklar; der Bau der Arena hat sich für ihn aber schon mehrfach ausgezahlt, denn sie gilt als Refrenzobjekt für diese Größe und Art Sportstätte. Bekannt wurde die Baufirma aber schon durch ihre Beteiligung am Bau der Arena AufSchalke. Inzwischen ist die Hellmich-Gruppe am Umbau des St.Pauli-Grounds am Millerntor beteiligt und hat den neuen Tivoli in Aachen errichtet.

Zurück zum Spiel. Das wird dem neutrale Beobachter draußen an den Fernsehempfängern im Land recht unterhaltsam vorgekommen sein. In der Arena selbst freuten sich zunächst nur die F95-Fans am Kick, denn die Fortuna überzeugte mit früher Balleroberung und schönen Spielzügen. Wieder zeigte sich, dass mit Michael Ratajczak ein Torwart mitspielt, der genauso gut ist wie Michael Melka. In der Defensive erwies sich erneut der jungen van den Bergh als leichter Unsicherheitsfaktor, während die anderen drei einen guten Job machten. Lumpi Lambertz ackerte viel, war aber nicht besonders effektiv. Außerdem sind seine Spielweise, ja, selbst seine Bewegungsabläufe einfach zu berechenbar; Gegner, die sich zwei Videos mit ihm angeschaut haben, werden keine Mühe haben, ihn auszuschalten. Claus Costa spielte unauffällig, aber solide. Bei Caillas muss man mittlerweile davon ausgehen, dass der Probleme mit sich selbst hat, also nicht Herr seiner Verhaltensweisen ist: Das dritte Tor der Zebras ging ganz auf seine Kappe, weil er nicht einmal versuchte, den Schützen zu behindern. Dass Oliver Fink versehentlich die Vorlage zum 3:0 gab, muss angesichts seiner ansonsten prima Leistung als Tragik gewertet werden. Und der Sturm? Seien wir milde. Auch wenn Jovanovic in diesem Spiel eigentlich alles verstolperte, weil er mit jedem angenommenen Ball dribbeln wollte und nie den direkten Schuss probierte… Auch wenn Bulykin viel zu oft an der falschen Stelle steht und ganz selten in den freien Raum geht. Dass er seine beiden Chancen nicht verwandelte, wollen wir ihm mal nicht allzu übel nehmen.

Wie auch die Fans ihrer Mannschaft die Niederlage nicht übel nahmen. Eher im Gegenteil. Das 0:3 wurde mit einem langanhaltenden Chor “Die Fortuna ist mein Verein…”) quittiert und nach dem Spiel harrten gut 1.000 rot-weiße Akteure auf den Rängen noch 40 Minuten singend aus, sodass die Spielr sogar noch einmal aus den Kabinen kamen, um sich den Fans zu zeigen. So einen Support nach einer Niederlage wird hierzulande wohl nur sehr, sehr selten einem Team zuteil.
Wir verließen den Block 19 gegen 22:25, also etwa zwanzig Minuten nach dem Abpfiff. Man hatte uns Gästenfans einen Fußmarsch von einer knappen halben Stunden zu den S- und U-Bahnstationen zugemutet, der sich einmal ums halbe Stadion herumzog. Auf unserem Rückweg begleiteten uns die Gesänge aus der Arena, die auch in den angrenzenden Wohngebieten noch gut zu hören waren. Apropos An- und Abreise: Wir hatten den Sonderzug um 18:10 gewählt, der dann gegen 18:20 abfuhr. Die Stimmung war fröhlich, freudig und vor allem friedlich. Auch die Polizeikräfte vor Ort waren ausgesprochen gelassen und insgesamt recht freundlich – dafür aber über alle Maßen zahlreich erschienen. Letztlich war es aber vor allem der beschwingten Stimmung der anwesenden Düsseldorfer zu verdanken, dass gestern alle einen erfreulichen Abend erleben durften. Dass es während es Spiels und danach zu ein paar kleineren Boxereien kam, sollte angesichts des Testosteronüberschusses bei solchen Veranstaltungen einfach ignoriert werden.

https://youtube.com/watch?v=FrIw2EjEFAs%26hl%3Dde%26fs%3D1%26

So sangen die Fortuna-Fans noch 40 Minuten nach Abpfiff

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