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F95-Fans: Unbedingt Stürmer kaufen!

Dass in der Welt des Fußballs spätestens seit 2006 was verdammt schiefläuft, weiß jeder Freund des getretenen Balles. Besonders schief läuft vor allem die Wahrnehmung breiter Fan-Kreise. Also besonders der Herren (oder zocken Frauen auch FIFA und sowas?), die sich für Experten halten, weil sie in einer Fußballcomputerspielsimulation regelmäßig den Champignon-Pokal holen. Die sind nämlich der Ansicht, dass das A und O des Erfolgs im Kaufen und Verkaufen von Spielern liegt. So auch im Kreise der Fortuna-Liebhaber. Kaum ist das Team ins erste Trainingslager aufgebrochen, legen sie Einkaufslisten an. Momentan kreischen viele hysterisch nach einem Knipser.

Und beweisen damit dramatisch mangelnden Sachverstand. Oder geben zu erkennen, dass die Entwicklung des Fußballs der vergangenen acht, zehn Jahre völlig an ihnen vorbeigegangen ist. So wie ja auch diese ganze Simulations-Daddeldinger überhaupt nicht spiegeln, wie moderne Soccer-Taktik aussieht. Wie immer man zu dem ganzen Kauderwelsch, das die Konzept- und Laptop-Trainer so absondern, stehen mag: Knipser kommen darin nicht vor. Die Vorstellung, es müsse da einen Recken im Zentrum geben, der serienweise Buden macht, weil alle anderen ihn immer anspielen, ist einfach nur altmodisch.

Kürzlich hat unser Fußballexperte Jurs Trulie hier bekanntgegeben, dass er in Zukunft nicht mehr zum internationalen Fußball Stellung nehmen wird. Das hindert ihn aber nicht daran, seine schlagkräftige Meinung zu Dingen rund um die glorreiche Fortuna in die Welt zu streuen – und zwar hier. Natürlich ist „Jurs Trulie“ ein Pseudonym. Tatsächlich handelt es sich um einen gewissen Nick L. aus Leeds, der bis weit in die Nullerjahre als – nun ja – original-echter englischer Hooligan unterwegs war. Bereits im Jahr 2000 berichtete er unter dem Titel „Nicks EM-Tagebuch“ auf der wunderbaren Satireseite „Schandmännchen“ von seinen Taten und Erlebnissen rund um die Europameisterschaft 2000 in Belgien und den Niederlanden. Mit der EM 2008 wechselte er zur Rainer’schen Post, und nun ist er hier. Der körperlichen Gewalt hat er seit Längerem abgeschworen. Als ihn die schwere Gattin Sheila wegen seiner nervigen Friedfertigkeit zuhause rausgeworfen hat, ist er nach Düsseldorf ins Exil gegangen. Mit dem Abstieg wurde er dann F95-Fan. Freuen wir uns auf seine Kommentare.

Der Mythos vom Torjäger

Ja, aber – werfen die so Gescholtenen dann ein: Robert Lewandowski! Oder: Mario Gomez! Moment, gebe ich zurück, schaut euch mal die Torjäger-Liste der Erstligasaison 2015/16 an. Wer steht auf Platz 2? Aubameyang, und der ist ja nun auch nicht der reine Mittestürmer. Thomas Müller? Chicharito? Knisper? Wohl kaum… Und in der zweiten Liga? Okay, Simon Terodde ist wenigstens von der Figur her ein klassischer Torjäger, Nils Petersen eher eingeschränkt. Was die Führenden in diesen Listen verbindet, sind der sogenannte Torriecher und die Treffsicherheit. Auffällig ist zudem, dass – vielleicht bis auf Lewandowski – alle „Torjäger“ entweder extrem schnell (Aubameyang) oder körperlich sehr robust (Terodde) sind. Vergleicht man das alles mit den legendären Knipsern von Uwe Seeler über Gerd Müller bis hin zu Ailton und Pizzaro, dann ist das Spektrum der Spielertypen, die richtig oft einhütten, viel breiter geworden.

Weil aber „das Volk“ der Fortunen nach einem Knipser schreit, bedienen die Lokalmedien angesichts des Sommerloches diesen Volkeswillen. Die RP entblödet sich nicht, eine Einkaufsliste zum Durchklicken und Wischen zu veröffentlichen. Dabei taucht immer wieder auch Charlison Benshop auf. Als ob der ein klassischer Torjäger wäre… In der Saison 2013/14 kam er in der entsprechenden Hitparade der zweiten Liga immerhin auf den 6. Platz – mit gerade einmal 12 Toren.

Was braucht die Fortuna?

Aber den Tausenden nebenamtlichen Fortuna-Trainern macht das alles nichts, sie wollen kaufen, kaufen, kaufen. Im Fan-Forum und in den einschlägigen Facebook-Gruppen schallen die Kassandrarufe, der Kinder-Kader von Funkel, Hermann und Rutemöller habe nicht den Hauch einer Chance. Immerhin sind ja 50 Prozent der Jungs jünger als 23! Da fallen dann Sprüche wie: „Wenn die vor 35.000 gegen Stuttgart spielen müssen, geht denen die Düse.“ Ach, wirklich? Ob eine solche Kulisse die Adrenalin-Drüse eines Burschen anregt, ist ja wohl keine Frage des Alters, sondern eher des mentalen Profils. Phlegmatiker wie… (keine Namen!) werden sowas einfach hinnehmen, während Hektiker wie… (keine Namen!) sich schon in Sandhausen vor Aufregung einnässen könnten. Letztlich sind grundlegender Opti- oder Pessimismus angesichts der Saison mit dem aktuellen Kader nur die Folge persönlicher Küchenpsychologie und allgemeinen Rummeinens.

Übrigens: Die jetzige Truppe wurde ja nach einem Konzept zusammengestellt. Hatten wir lange nicht. Da gibt es die „Achse des Bösen“, also den Club der alten Kicker mit Rensing, Fink, Bodzek, Madlung und Bellinghausen. Hinzu kommen drei mittelalte Kollegen und eben die Jugendlichen. Das ist so gemeint als Gegenentwurf zum planlosen Zusammenkaufen schwieriger Typen, abgehalfterter Ex-Stars, halbmotivierter Leihgaben und merkwürdigen Figuren – also dem Prinzip „Schulte“. Wenn also überhaupt irgendwas fehlt, dann wäre das solch ein mittelalter Stürmer wie eben Charlie Benshop. Den man dann aber bitte nicht zum „Knisper“ erklären sollte, sondern als Stürmer, der schon paar Mal pro Saison einnetzen kann.

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