Website-Icon Fortuna-Punkte

Fortuna-Punkte 16/17: Der Schiri ist immer der Arsch

Am besten entscheidet ein Referee in einem Spiel alles richtig. Im zweitbesten Fall pfeift er Scheiße, verteilt die aber gleichmäßig auf beide Mannschaften. Weil beides aber sehr selten ist im Fußball, komm ist der Schiri eigentlich immer der Arsch. Das gilt für alle Ligen in allen Ländern. Außer für Bibiana Steinhaus bei Fortuna-Spielen. Die niedersächsische Polizistin ist seit dem 23.05.2009 eine Art Glückgöttin, ein Maskottchen, eine Sympathieträgerin. Zumindest bei den F95-Fans, deren Gedächtnis so weit zurückreicht. Es gibt da ja eine Generation Fortuna-Anhänger, für die beginnt die F95-Historie ja erst mit dem Aufstieg in die erste Liga. Und so ließen es sich ein paar Dumpfbratzen in der Support Area am Samstag nicht nehmen, die Bibi als „dumme Kuh“ oder Sexistischeres zu beschimpfen, weil sie nicht immer so pfiff, wie sich die Fortuna-Freunde das wünschten. Dabei war es vor allem dieser Feigling an der Linie vor der Haupttribüne, der Fehlentscheidungen produzierte. Südtribünensteher wissen: An DER Linie steht immer ein Arsch.

Mein Kumpel Gerd war lange Schiedsrichter. Kreisklasse im Bergischen. Wenn man ihn heute so sieht in seiner Stammkneipe in Hilden, kommt man nicht drauf, dass er überhaupt mal was mit Sport zu tun hatte. Für sein Gewicht ist er gut einen halben Meter zu klein. Dafür passt viel rein in den Kerl: Altbier nicht unter sechs Gläsern pro Stunde, diverse Killepitsche, Küstennebel, Klare und sogar Appelkörner – wenn welche im Angebot sind. Als Vorspeise nimmt er gern einen Teller Mettbrötchen bevor er zum Riesenschnitzel (Reklame des Wirtes: „Groß wie Radkappen!“) übergeht, das er sich mit doppelt Pommes und lecker in Butter geschwenktem Gemüse liefern lässt. Salat hasst er. Ich hab ihn nie in seiner aktiven Zeit erlebt, aber er hat ein paar gescannnte Fotos von damals auf seinem Smartphone.

Gerd war auch damals nicht der drahtige Typ, eher stämmig. Aber wehrhaft. Auch wenn er nie denselben Boxsport wie ich betrieben hat: An den traute sich so schnell keiner ran. „War auch manchmal wichtig“, erzählt er manchmal, „denn wenn 50 unzufriedene Anhänger einer Fußballmannschaft, denen ich gerade einen Elfmeter nicht gegeben hatte, auf dich einstürmen, läufst du besser nicht weg, sondern haust dem ersten der Truppe besser was aufs Maul. Dann tritt eventuell wieder Ruhe ein.“ Gerd bestätigt die Theorie auf ganzer Linie: „Natürlich machst du Fehler. Nicht mal ein Roboter kann beim Fußball immer alles richtig erkennen und den richtigen Pfiff wählen. Kommt nur drauf an, was deine Fehler mit dem Spiel machen. Verliert ein Team wegen dir, bist du zu Recht der Arsch. Dann bleibt dir nicht viel mehr, als die Schuld auf dich zu nehmen und dich zu entschuldigen. Hab ich auch ganz schön oft machen müssen. Kam immer gut an.“

Bibiana Steinhaus ist ganz objektiv betrachtet eine sehr gute Schiedsrichterin, die – das lässt sich statistisch nachweisen – weniger Fehler macht als manche von diesen aalglatten Neu-Referees, die jetzt eimerweise zu UEFA-Schiris befördert werden. Ich fand auch, dass sie am Samstag ziemlich richtig gepfiffen hat. Aber ich hab ja auch wenig Ahnung vom Fußball und den Regeln. „Das Problem“, sagte Gerd mal, “ ist, dass es so viel Ermessensspielraum gibt. Also für die Spieler und Zuschauer ist das ein Problem. Wenn deren Ermessen anders ist als meins, halten sie meine Entscheidungen für falsch. Was die meisten aber nicht verstehen: Ermessensspielraum ist was Anderes als gefühlte Regeln.“ Ganz schlimm seien in diesem Punkt die Kommentatoren im TV. Ein großer Teil von denen, meint Gerd, kennen die meisten Regeln nicht oder nicht richtig oder sind mit den aktuellsten Auslegungen nicht vertraut. „Den kann man geben“ sei einer der dümmsten Sprüche dieser angeblichen Experten.

Selbst die Regeln zum absichtlichen Handspiel sind, so Gerd, mit den neuesten FIFA-Richtlinien ziemlich klar geworden. Das wissen die Reporter nicht, die beurteilen mögliches Handspiel nach Gefühl. Und weil die das tun, tun das die Millionen Fußballfreunde in den Stadien und auf den Fußballplätzen auch. Das macht es für die Schiris noch schwerer. Gerd meint aber auch, dass es genau der Ermessensspielraum ist, der es einem Unparteiischen möglich macht, ein Spiel zu gestalten. „Die richtig guten Schiedsrichter der Fußballgeschichte, von denen es vielleicht ein, höchstens zwei Dutzend gab, haben das kapiert und sich wie ein Trainer einen Match-Plan zurechtgelegt. Basierend auf allem, was sie von den beiden Mannschaften und von den Spielern wussten und bezogen auf die Bedeutung der Partie.“ Er habe das manchmal auch versucht. Zum Beispiel im wichtigsten Spiel seiner Schiri-Karriere, bei dem – wenn ich’s richtig im Kopf habe – eine dritte Mannschaft aus Wermelskirchen gegen ein Team aus Lennep um den Aufstieg in die Kreisliga A spielte. Das sei aber völlig in die Hose gegangen, weil den Spielern aus Lennep der Aufstieg völlig wurscht war und sie mehr oder weniger lustlos rumkickten. Das habe die Wermelskirchener so sauer gemacht, dass die angefangen hätten zuzutreten. „Und schon war mein Spielplan Makulatur, und ich war nur noch damit beschäftigt, gelbe und rote Karten zu zücken.“ Am Ende hätten noch acht Feldspieler von Wermelskirchen auf dem Platz gestanden, und Lennep sei mit einem unerwarteten 5:2 aufgestiegen.

Mir ist jedenfalls bei der Partie der Fortuna gegen den KSC aufgefallen, dass die Bibi ganz offensichtlich eine Linie hatte, die sie lange eingehalten hat. Vielleicht zu lange. Den auch die Karlsruher fingen so um die 70. Minute herum an, wild zu foulen. Später hatten sie besonders Jerome Kieswetter im Visier, der öfter gefoult wurde als er am Ball war. Völlig übersehen hat Frau Steinhaus aber den Ellenbogenschlag vom Madlung. Den hätte aber der Feigling an der Linie sehen müssen. Hat er aber nicht, weil er fast alles nicht oder nicht richtig gesehen hat. Wenn es also was an der Schiri-Leistung am Samstag zu kritisieren gibt, dann nicht Bibiana Steinhaus, sondern der Depp unten links.

Die mobile Version verlassen