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Pauli vs F95 0:1 – Krampf der Systeme

Spielerisch ist der FC St. Pauli absolut zu Recht Tabellenletzter; der beste Paulianer war schlechter als der schlechteste Kicker der glorreichen Fortuna. Wobei die Qualität auf beiden Seiten nicht so richtig zu messen war. Denn gerade in der ersten Halbzeit zeigten beide Teams auf tiefem, nassen Rasen nicht mehr als einen Krampf der Systeme. Beide Trainerstäbe hatten ihren Schützlingen das merkwürdige 4-3-2-1-System aufgepfropft. Jedenfalls offiziell. Denn als die Startaufstellung der Fortunen gemeldet wurde, sahen sich die Experten irritiert an: Was ist das denn? Viel unwahrscheinlicher hätte keine andere Zusammenstellung von Spielern und Positionen sein können. Erst nach dem erzwungenen Eigentor wurde die Idee hinter dem Schema deutlich. Die Fortuna spielte tatsächlich mit je zwei Außenverteidigern! Das dürfte auf dem Mist von Peter Hermann gewachsen sein, der ja bekanntlich Spaß daran hat, Erwartungen nicht zu erfüllen.

Deutlich wurde das besonders auf rechts, wo völlig überraschend Julian Koch als Außenverteidiger aufgestellt war, während der übliche AV Julian Schauerte den Rechtsaußen gab. Das war insofern schlau, als Schauerte ja oft als Verteidiger zu offensiv spielt. Leider machten die beiden Herren aus dieser schicken Variante erstaunlich wenig. Links dagegen funktionierte das Doppel aus Lukas Schmitz und Axel Bellinghausen; leider kam der Ball viel zu selten über die Seite der beiden. Der Gag an dieser Merkwürdigkeit war aber, dass der zurückgekehrte Kapitän Oliver Fink so die von ihm geliebten offensiven Freiheiten bekam. Das defensive Dreieck des Schreckens bildeten dann Kevin Akpoguma, der erneut ein fast perfektes Spiel lieferte, Adam Bodzek davor und ebenfalls völlig überraschend Kann Ayhan. Robin Bormuth, der nominelle Innenverteidiger neben Akpoguma saß zunächst auf der Bank. Aber auch diese Variante offenbarte später ihren Charme, weil sich Ayhan sehr weit nach vorne orientieren konnte.

Ein vertikales 2-3-3-2-System

Marcel Sobottka bildete zusammen mit Fink das Innenfilet der Offensive, die mit einem überaus quirligen Rouwen Hennings komplettiert wurde. Und wenn man diese Beschreibung einmal vertikal statt wie üblich horizontal betrachtet, spielte die Fortuna mit einem 2-3-3-2 auf. Weil dieses merkwürdige System genau diese vertikale Bewegung fördert, konnten die in Weiß gekleideten Düsseldorf die Gegner ständig schon kurz vor deren Sechzehner anlaufen. Die Mannschaft des FCSP kam damit über die gesamte Spieldauer überhaupt nicht zurecht. Zumal sie ja auch ihr eigenes 4-3-2-1-System offensichtlich nicht kapiert hatten. Ausgelöst durch das Pressing der Fortunen wurde der Abstand zwischen der Vierer- und der Dreier-Kette im Mittelfeld immer zu groß, und den Verteidigern fehlten die Anspielstationen.

Resultat dieser Konstellation: Ein Krampf der Systeme, bei dem F95 jederzeit Herr der Lage war. Aber offensiv eben auch völlig uninspiriert. Und trotzdem: Das Eigentor des Paulianers entstand aus einer feinen Flanke von Schmitz, die von links aus dem Mittelfeld auf den langen Pfosten gezogen war, zielte auf Schauerte, der seinen Gegenspieler dermaßen clever zudeckte, dass dem fast nichts Anderes blieb, als mit dem Rücken zum Pfosten der Ball mit der Brust über die Linie zu drehen.

Schön war das Spiel bis zur Pause überhaupt nicht. Zumal die Spieler des FCSP – ganz in der Tradition dieses überschätzten Clubs – ausgesprochen schmutzig spielten, den Fortunen oft auf die Füße traten, Pferdküsse verteilten, bei Zweikämpfen auf die Knochen zielten und so weiter. Anfangs ging Schiri Siebert die Sache zu lasch an, später hatte er dann das dreckige Spiel der Paulianer gut im Griff. Bei aller Foulerei war es doch kein unfaires Spiel – nur Kevin Akpoguma geriet mehrfach akustisch mit dem Mittelstürmer des FCSP aneinander. Der fiel durch ständige Nickeligkeiten und Reklamieren auf und hätte dafür schon eine gelbe Karte verdient.

Paulianisches Strohfeuer

Natürlich müsste sich auch der zu Recht überall beliebte Zettel-Ewald Lienen einmal hinterfragen bzw. überprüfen, ob er den Kader so spielen lässt, dass die optimale Leistung dabei herauskommt. An der Kampfkraft und Laufbereitschaft liegt es nämlich nicht beim zweitwichtigsten Hamburger Club. Aber das sollte die F95-Verantwortlichen, -Spieler und -Fans nicht weiter interessieren. Wichtig für die Freunde der aktuell gar nicht so launischen Diva ist die Erkenntnis, dass das Team auch kontrollierte Offensive kann. Natürlich würde man als Anhänger des deutschen Meisters von 1933 immer gern die jungen Wilden wirbeln sehen – aber vermutlich ist es der richtige Ansatz der beiden rot-weißen Trainerfüchse, die Offensivtalente nicht zu schnell u verheizen.

Auch deshalb wurde der wunderbare Ihlas Bebou auch erst in der 70. Minute für Bellinghausen eingewechselt. Da war das paulianische Strohfeuer schon wieder zu Asche geworden. Nach der Pause kamen die Kicker in Braun nämlich mit unbändigem Willen auf den Platz und rannten an. Aber auch mit noch mehr Kampf und Gerenne blieb alles im ungeeigneten System stecken. Erst der eine Einwechselspieler, der in der 64. kam, versuchte, etwas über die Außenbahn zu reißen. Vergebens. Eigentlich hatten die Paulianer so nur eine einzige reelle Torchance, die Akpoguma in letzter Sekunde vereitelte.

Funkel und Hermann hatten sich zwei Einwechslungen aufgespart, wobei der Tausch von Bormuth für Bellinghausen angesichts des Spielstands absolut nachvollziehbar war. Auch den extrem fleißigen Hennings, der leider zu wenig Chancen bekam, gegen Maecky Ngombo zu wechseln passte ins Konzept.

Was kommt jetzt?

Im Grunde endet mit der Partie am Millerntor das Vorprogramm des diesjährigen Theaterstücks “Fortuna und die Zweite Liga”. In den bisher absolvierten dreizehn Spielen haben Trainerstab und Spielerkader alle Facetten gezeigt, die aus der Truppe zu holen sind. Es gab begeisternde Siege, verdiente Niederlage, schlimmen Fußball und disziplinierte Partien. Fast alle Mitglieder des aktuellen Kaders standen zumindest kurz auf dem Platz. Mindestens drei Systeme wurden eingeübt, und der ganze Laden macht den Eindruck einer harmonischen Arbeitsgemeinschaft.

Vielleicht wird das Spiel zuhause gegen Hannover am kommenden Freitag zum Wegweiser für den Rest der Saison. Dabei wird es weniger auf das Ergebnis ankommen, sondern darauf wie die Startelf mit der Erinnerung an die Pokal-Klatsche klarkommt, wie sie den Heimvorteil nutzt und ob sie wirklich Herr im Haus auch gegen einen weiteren Aufstiegskandidaten bleibt. Wird das Resultat positiv, dann ist für den TSV Fortuna Düsseldorf in der laufenden Saison nach oben hin alles möglich.

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