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Fortuna-Punkte 16/17: Von Gerüchten, Enten und Fake-News

Die Weltgeschichte ist an entscheidenden Stellen voll von Fake-News. So löste ein Telegramm Bismarcks (Emser Depesche) 1870 den Krieg zwischen Frankreich und Deutschland aus. Bismarck wollte das und veränderte eine Depesche des Kaisers aus der Kur in Bad Ems und lancierte diese an die internationale Presse. Seine Version wich erheblich von den Aussagen ab, die im Original standen. Die Journalisten hatten keine Chance, den Fake aufzudecken, weil sie natürlich keinen Zugang zum kaiserlichen Original hatten. Nun hat die Rheinische Post in Gestalt der Redakteure Schulze und Jolitz am vergangenen Dienstagabend – zunächst kurz und nur online – behauptet, Fortunas Vorstandsvorsitzender Robert Schäfer stehe kurz vor einem Wechsel zu Bayer Leverkusen.

Der auslösende RP-Artikel

Am folgenden Mittwoch erschien ein längeres Stück in der gedruckten Ausgabe, das quasi zusätzliche Hintergrund-… ja, was? enthielten. Schon die Online-Version hatte Schäfer sofort dementieren lassen, auf die Print-Ausgabe reagierte er mit einem ausführlichen Statement auf der F95-Website. Wie erwartet reagierte das „Difo„, wie altgediente F95-Fans das Diskussionsforum immer noch gern nennen: Diejenigen, die schon seit Längerem einen Hals auf Schäfer haben, ihn für einen Heuchler und Lügner halten, starten ihre Beschimpfungskanonaden. In den parallelen Fortuna-Welten auf Facebook geht es etwas weniger wild zu.

Wie auch immer: Zunächst steht es quasi unentschieden. Die RP-Jungs behaupten, Schäfer dementiert. Und das Fan-Volk spekuliert. Es fallen Sätze wie „Wo Rauch ist, ist auch Feuer“ und „An so’nem Gerücht ist ja immer bisschen was dran.“ Aber es dauert nicht lange, bis auch über die Täter und ihre Absicht diskutiert wird, getreu der Frage: Cui bono? Wem nützt es? Bald ist man sich fast einig, dass die Quelle für den RP-Artikel nur im Umfeld der Fortuna-Führung zu suchen ist. Und wer sich ein bisschen besser auskennt, sieht im Aufsichtsratsvorsitzenden DR. Reinhold Ernst die eigentliche Zielscheibe. Auch, weil schon lange gerüchtet wird, Ernst führe Schäfer an der kurzen Leine, sie seien sich oft uneins, und im Zuge der Trainer-Frage sei das Tischtuch ganz zerschnitten.

Cui bono?

Weiter fragten sich die Teilexperten, wer denn ein Interesse haben könnte, Dr. Reinhold Ernst zu demontieren. Und nun schossen wildeste Spekulationen ins Kraut. Ausgangspunkt immer die Annahme, Ernst sei weder bei seinen Aufsichtsratskollegen sonderlich beliebt, noch bei allen Vorständen und den Vereinsangestellten, aber auch nicht bei Trainern und Spielern und seit Längerem ebenfalls nicht mehr bei den Fans. Der Vorwurf, der immer wieder aus diesen Gruppen laut wird, lautet: Ernst mache, was er wolle, er stimme kaum etwas ab und fahre den Verein wie eines der Unternehmen, die er im Job bei Übernahmen oder Fusionen vertritt. Viele Fakten sprechen dafür.

Es spricht deshalb auch manches dafür, dass die „Nachricht“, die möglicherweise eine Ente oder Fake-News ist, als Waffe eingesetzt wurde. Von einer Revolte war schon die Rede, von einem Aufstand der Gremien und von einer Beteiligung gewisser Medienvertreter an diesem Umsturzversuch. An der Aufklärung der Sachlage haben alle Beteiligten aus verschiedenen Gründen ein Interesse. Sollte es sich um Fake-News handeln, werden Schulze und Jolitz ihre Quelle bekanntgeben müssen, um sich selbst zu schützen. Handelt es sich beim Informanten um jemanden aus Fortuna-Kreisen, dürfte dessen letztes F95-Stündlein geschlagen haben. Möglich ist aber auch, dass die Indiskretion aus Leverkusener Kreisen – hier steht vor allem das Calmund-Umfeld unter Verdacht – stammt.

Inzwischen schlägt die Rheinische-Post-Redaktion die nächste Volte. Heute ist eine weitere Version der Geschichte erschienen. Als Autoren erscheinen jetzt aber nicht mehr Schulze und Jolitz, sondern Thomas Schulze und ein gewisser Sebastian Bergmann, seines Zeichen „Journalistenschüler“ und – ta-taaaa – von der Redaktion vor allem auf Bayer 04 Leverkusen angesetzt.

Zielscheibe: Dr. Reinhold Ernst

Dafür, dass sich durch die ganze Geschichte vor allem Dr. Reinhold Ernst angegriffen fühlt, spricht sein intensives Dementi gegenüber der BLÖD-Zeitung, mit dem er eventuell schon auf die Pläne der Intriganten hereingefallen ist. Er lässt ausrichten, Schäfer bekäme keine Freigabe, was impliziert, dass eine Situation bestehe, in der über eine solche Freigabe zu reden wäre. Über denselben Kanal (dessen unseriöse Berichterstattung über Fortuna legendär ist) lässt außerdem vermelden, man halte an Trainer Funkel fest. Und hier haben wir die dritte Ebene der Geschichte, denn alle anderen Medien, die mit lokalen Redakteuren über Fortuna berichten, sind auf den Dementi-Zug aufgesprungen. Aus gutem Grund: Sie hoffen, von einer Schwäche der RP profitieren zu können. Denn weite Teile der Fortuna-Fanszene verabscheuen die BLÖD, verachten den EXPRESS und nehmen außer der RP eigentlich nur die WZ ernst.

Bismarck fälschte die Depesche aus kaiserlichen Kreisen, weil er Krieg mit Frankreich wollte. Er lancierte seine Version, die internationale Presse übernahm sie, und am Ende stand die Kriegserklärung der Franzosen. Bismarck hatte sein Ziel erreicht.

[Bild: „Das Gerücht“ von A. Paul Weber, 1943/53 – Quelle: Weber-Museum]

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