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Fortuna-Punkte 17/18: Krieg den aktiven Fans?

Die Transformation des Fußballsports in das Soccer Entertainment Business ist weit fortgeschritten. FIFA, UEFA, DFB und die DFL als williger Helfershelfer treiben die Dinge rasant weiter. Jetzt mehren sich die Zeichen, dass die Vereinsverantwortlichen von Fortuna Düsseldorf entgegen aller Lippenbekenntnisse die Seiten gewechselt und aktiv am Krieg des DFB gegen die organisierten Fans mittun. Krieg gegen die Fans? Geht’s nicht eine Nummer kleiner? Ja, denn die Maßnahmen gegenüber dem Dachverband SCD sowie den Ultras Düsseldorf und Dissidenti Ultra schränken die Möglichkeiten der aktiven Supporter zwar deutlich ein, legen deren Arbeit aber nicht völlig lahm. Der Verein hat den Mitgliedern der genannten Gruppen Arbeitskarten entzogen und den Zugang zu den Lagerräumen erschwert – zu den Details später mehr. Wie bei F95 mittlerweile sattsam bekannt, verlief die Kommunikation mit den Betroffenen erneut auf suboptimalste Weise ab. Außerdem widersprachen sich die Vereinsmitarbeiter bei den Begründungen mehrfach.

Stellungnahme des SCD zu den Anti-Fan-Maßnahmen der Fortuna
Offiziell hat Fortuna keine öffentliche Stellungnahme abgegeben, aber die stark voneinander abweichenden Begründungen, die den drei Gruppierungen geliefert haben, lassen Spekulationen zu. Möglicherweise hat der F95-Vorstand in vorauseilendem Gehorsam gegenüber DFB und DFL den Schwanz eingezogen. Bekannt ist, dass diese Verbände verschiedenen Vereinen der oberen drei Ligen massivste Strafen angedroht haben, sollte es zu Aktionen (Pyro, Vermummung, Hetzplakate etc.) kommen, die von der DFB-Gerichtsbarkeit als strafwürdig betrachtet werden. Neben den üblichen Geldstrafen, die viele Clubs bereits einfach in die Etats einpreisen, soll es selbst bei geringfügigen Vergehen die bekannten Teilausschlüsse von Fans, aber auch Geisterspiele und ein generelles Auswärtsfan-Verbot geben. Ja, in – aus Sicht des Soccer-Business-Komitees DFB – besonders gravierenden Fällen sollen Mannschaften aus dem Ligabetrieb ausgeschlossen werden. Wer die Bilder der camouflagierten Dynamo-Fans in Karlsruhe vom 14.05.2017 noch im Kopf hat, ahnt, welcher Verein gemeint ist.

Krieg dem DFB?

Dynamo-Army: Krieg dem DFB (Foto: Supporters Karlsruhe)
Tatsächlich verstörten die Bilder der mehr als 1000 Dynamo-Supporter in Militärkleidung, die in militärischer Ordnung zum Wildparkstadion marschierten und später im Block exerzierten, selbst hartgesottene DFB-Kritiker. Dabei war die Choreografie gar nicht so gewalttätig gemeint, sondern sollte illustrieren, dass die organisierten Fans die Kriegserklärung des DFB annehmen und dem Verband offen den Krieg erklären. Düsseldorfer Fangruppen hielten sich mit Solidaritätsbekundungen Richtung Dresden sehr zurück oder äußerten gar Kritik am martialischen Auftritt. Dabei waren es Fortuna-Fans, die dem DFB bereits vor Jahren die Meinung gegeigt hatten: „Fick dich DFB“ lautete die Inschrift eines gewaltigen Banners, dass am Oberrang über die Südkurve befestigt war. Nachdem der Verband dem Verein mit massiven Sanktionen wegen des Transparents gedroht hat, stand beim nächsten Mal „Freu dich DFB“ auf dem Banner – dass die drei Buchstaben „REU“ nachträglich geklebt worden waren, war deutlich zu erkennen.

„Der DFB ist nicht okay“- F95-Fandemo im August 2012
Im konkreten Fall wird gern davon gesprochen, der Verein habe den Fanorganisationen „Privilegien entzogen“. Per definitionem ist ein Privileg ein Sonderrecht, das einer Person oder Gruppe gewährt wird. Das bezieht sich auf Machtkonfiguration, in der eine Instanz (in unserem Fall die Vereinsführung), die Macht besitzt, einer Gruppe (die organisierten Fans), die keine Macht innehat, etwas zugesteht, was nicht allen zugestanden wird. Die Macht der Vereinsführung im konkreten Fall basiert auf dem Hausrecht in der Arena während der Spiele der Fortuna und den durch die Fortuna akzeptierten Regularien des Ligaverbandes DFL.

Welche Privilegien?

Worin genau bestehen denn dies Privilegien und wie sind sie entstanden? Nehmen wir das Thema „Arbeitskarten“. Wer auch immer sich an einem Spieltag frei in der Arena bewegen will, braucht eine solche, personalisierte Arbeitskarte. Diese Arbeitskarten erlauben den Zugang nach definierten Stufen. Wie bei einem Rockkonzert ist eine „All-Areas“-Karte das höchste der Gefühle. Die tragen ausschließlich Vereinsmitarbeiter, andere Personen (z.B. von den Verbänden) nur in Ausnahmefällen. Den organisierten Fangruppen SCD, UD und Dissidenti war bisher jeweils ein Kontingent an Arbeitskarten zugeteilt, dass es den Mitgliedern erlaubte, sich am Spieltag in der Arena auch außerhalb der offiziellen Öffnungszeiten zu bewegen. Das nutzten die Gruppen zur tagesaktuellen Vorbereitung ihrer Aktivitäten – z.B. zur Vorbereitung von Choreografien oder zum Aufbau der Fanstände. Alles, was die Gruppen für diese Aktivitäten brauchten, wird in separaten Räumen gelagert – historisch gesehen waren dies früher die sogenannten „Fahnenlager“, wo diese Gruppen ihre großen Schwenkfahnen und andere Utensilien aufbewahrten, die so nicht jedes Mal in die Arena geschleppt werden mussten. Außerdem finden sich in den Lagerräumen die Waren, die z.B. vom SCD an seinem Fanstand im Umlauf hinter Block 42 angeboten werden.

Wie gesagt: Bisher konnten sich die organisierten Fans, die mit Arbeitskarten ausgestattet waren, an Spieltagen in der Arena frei bewegen, sich zeitig treffen und beispielsweise mit dem Aufbau des Fanstandes beginnen. Dieses „Privileg“ wurde jetzt abgeschafft. Denn nun können SCDler, UDler und Dissidenti die Arena nur während der üblichen Arbeitszeiten der Fanbeauftragten, die bekanntlich Mitarbeiter des Vereins sind, und in deren Begleitung betreten. Was sich so harmlos anhört, stellt für die Ehrenamtler, die sich als Fans aktiv am Support und seiner Vorbereitung beteiligen, erhebliche Beschränkungen dar. Eine erste Begründung durch den Verein lautete, die Maßnahme habe mit (neuen?) Auflagen von Polizei und Feuerwehr zu tun, erwies sich rasch als haltlos. Den Dissidenti wurde dagegen mitgeteilt, man habe „das Sicherheitskonzept und die Abläufe durchleuchtet“ und sei zu dem Ergebnis gekommen, die genannten Privilegien einzuschränken. Und dem Dachverband Supporters Club Düsseldorf 2003 e.V. (SCD) nannte man „Auflagen der DFL im Rahmen der Lizensierung“ als Grund.

Begründung – was denn nun?

Also lässt sich über die tatsächlichen Gründe nur spekulieren. Neben allerlei Verschwörungstheorien und Gerüchten über in den Lagern gefundene illegale Substanzen bieten sich nur zwei Szenarien an: Der TSV Fortuna Düsseldorf 1895 ist auf Druck von DFB und DFL – eventuell sogar in vorauseilendem Gehorsam – eingeknickt und will mit den Maßnahmen verhindern, dass die aktiven Fans strafbare Aktionen – insbesondere Pyro-Shows – durchführen, indem man deren Materialien schon bei der Lagerung schärfer kontrolliert. In diesem Rahmen kann es auch um Anti-DFB-Transparente wie das oben zitierte gehen, deren Zeigen DFL und DFB ja bereits in anderen Fällen mit Strafen gegen die Vereine belegt haben. Die noch recht junge Politik von DFB und DFL besagt ja, dass grundsätzlich keine Parolen mehr gezeigt werden sollen, die von deren Funktionären als „diffamierend“ oder „zur Gewalt auffordernd“ einstufen. Dass die aktuelle F95-Führung gern und eilfertig in diesem Sinne vorausprescht, zeigte sich am Verbot des Banners des Fanclubs „Fortuna Mafia“, das im Comic-Stil u.a. eine Schusswaffe zeigte. Innerhalb dieses Szenarios ist aber auch denkbar, dass das Duo aus Aufsichtsratsvorsitzendem Dr. Reinhold Ernst und dem Vorstandsvorsitzenden Robert Schäfer von sich aus und aus Überzeugung auf DFB-Linie eingeschwenkt sind und an der Transformation des Ligafußballs in einen Teil der Unterhaltungsindustrie aktiv mitmachen wollen.

Das zweite Szenario hat viel mit persönlichen Animositäten, ja, Feindschaften zwischen einzelnen Personen zu tun. Oft genannt wird in diesem Zusammenhang der Sicherheitsbeauftragte Jörg „Pejo“ Emgenbroich, der nach Aussagen der Beteiligten persönlich für das Verbot der Trauerbekundung für den gestorbenen Ex-Hooligan Andreas „Walli“ Wallmeier gesorgt haben soll. Dass der ehemalige F95-Vorstandssprecher Peter Frymuth, der immer noch eine eigene Machtstruktur im Verein bedienen kann, inzwischen DFB-Vizepräsident ist, könnte das vorauseilende Erfüllen der DFB-Politik genauso erklären wie die schwierige Machtsituation zwischen dem Aufsichtsratsvorsitzenden Ernst, den anderen Aufsichtsräten und dem Vorstandsvorsitzenden erklären. Wie gesagt: Auch dieses Szenario kann nicht mehr sein als Spekulation auf der Basis bekannter Zustände.

Und jetzt – Krieg zwischen Verein und Fans?

Der SCD hat in seiner Stellungnahme deutlich gemacht, an einem „Krieg“ mit der Vereinsführung nicht interessiert, sondern zum Dialog bereit zu sein. Und dies nicht im Eigeninteresse, sondern im Sinne der maximalen Unterstützung der Mannschaft durch die Fans. Aus welchem Grund auch immer die Vereinsführung die genannten Maßnahmen ergriffen hat, deutlich wird, dass zumindest der Vorsitzende Schäfer offensichtlich mit der historischen Rolle der organisierten Fortuna-Fans nicht vertraut ist – wie auch, war er doch in den entscheidenden Jahren zwischen etwa 2003 und 2009 nicht in Düsseldorf. Genau in dieser Zeit waren es die jetzt „bestraften“ Gruppen und die vielen aktiven Fanclubs, die das Überleben des Vereins gesichert haben. So konnte aus einem Kern von kaum 3.000 positiv Bekloppten, die mit ihrer unermüdlichen und ehrenamtlichen Arbeit das Thema „Fortuna“ wieder ins Bewusstsein der Düsseldorfer geholt haben, über den Aufstieg durch ein Spiel vor rund 50.000 Heimzuschauern eine Fortuna entstehen, die nicht nur in die erste Liga aufstieg, sondern ihre Mitgliederzahl innerhalb kürzester Zeit verzehnfachen und die Zahl der verkauften Dauerkarten ebenfalls vervielfachen konnte.

Fakt ist, dass dies ohne den starken Support der organisierten Fans nicht möglich gewesen wäre. Jetzt diese Anhänger nur noch als schmückendes Beiwerk zum Produkt Zweitligafußball zu betrachten, könnte für den Verein Fortuna Düsseldorf fatal wirken. Denn so schnell sich „neue“ Freunde, wiedergekehrte Zuschauer und auch zufriedene „Eventies“ wieder zur launischen Diva bekannt haben, so schnell werden sie sich auch wieder abwenden. Wer den dramatischen Rückgang bei den verkauften Dauerkarten allein auf den mangelnden sportlichen Erfolg schiebt, liegt falsch. Nicht wenige besonders aktive Mitglieder der genannten Gruppen haben sich in den vergangenen zwei Jahren zurückgezogen, weil sie keine konstruktive Kooperation zwischen dem Verein und den organisierten Fans mehr erkennen konnten. Der Entzug der Privilegien könnte ein Schuss sein, der gewaltig nach hinten losgeht. Schon jetzt formiert sich eine starke Opposition innerhalb des Vereins, die bei den anstehenden Neuwahlen zum Aufsichtsrat mehrere eigene Vertreter in diese Gremien bringen und so die laufende Politik der herrschenden Funktionäre drehen könnten.

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