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Aue vs F95 0:2 – Ein nicht ganz leichter Pflichtsieg

Wenn die glorreiche Fortuna gleich zum Saisonauftakt ein Auswärtsspiel gewinnt und zum zweiten Mal nacheinander zwei Tore schießt, dann wird man ja wohl auch ein bisschen meckern dürfen. Denn diese möglicherweise einfachste Partie auf fremden Platz dermaßen aus der Hand zu geben, ist nicht akzeptabel. Leider war die Konzentrationsschwäche ab etwa der 60. Minute deutlich zu sehen und zu spüren. Bei den schweren Begegnungen darf das nicht passieren, nicht einmal, wenn „nur“ das Saisonziel erreicht werden soll. Okay, das war’s dann auch mit der Kritik, weil der Rest vom Schützenfest durchweg erfreulich war. Wenn man sich als Beobachter in den ersten fünfzehn Minuten fragte, welches System F95 da zum Besten gab, dann ist das vor allem positiv.

Die Experten klärten die Frage auf: Die Grundstellung war ein 4-4-2, wobei im Offensivfall die Viererkette zur Dreierkette mutierte und mit echten Außenstürmern agiert wurde. Leider hatte sich der geplante Sturmpartner für Rouwen Hennings, der Neuzugang Harvard Nielsen, beim Aufwärmen verletzt, sodass Ihlas Bebou bisweilen die zweite Spitze gab – mit Betonung auf „bisweilen“. Insgesamt trieb sich der trickreiche Kerl nämlich überall herum und hatte offensichtlich die unbeschränkte Lizenz zum Stürmen. Dabei zeigte er aber sowohl ergreifend schöne Aktionen, als auch Schwächen im Konterspiel. Auch ist der erfolgreiche Torschuss nicht seine Kernkompetenz, und auch die Kooperation mit Hennings ist noch lange nicht das Gelbe vom Ei. Seine Berater sollten sich keine größeren Illusionen machen: So wie der gute Ihlas heute aufgetreten ist, dürfte er für kaum einen Erstligisten wirklich interessant sein.

Stabile Defensivzentrale

Mit Kaan Ayhan und Andre Hoffmann in der Defensivzentrale brannte bis weit in die zweite Halbzeit nichts an. Je nach System standen den beiden Julian Schauerte auf rechts und Niko Gießelmann auf links zur Seite – oder eben beide. Auch diese Konstellation zeigt die extreme Flexibilität des fortunistischen Spielansatzes der neuen Saison. Apropos: Als der Sky-Kommentator Schauerte mit dem Ausdruck „mit all seiner Erfahrung“ apostrophierte, ging ein breites Grinsen durch die Menge der ziemlich sachkundigen Fortuna-Fans, die sich die Übertragung im Bilker Häzz genehmigten. Anfangs tat sich der nominelle Rechtsverteidiger nicht selten schwer gegen die eigentlich recht harmlose Auer. Wie so oft wurde Schauertes Auftritt aber umso sicherer, je seltener er sich in die Offensive einschaltete. Das sah auf links deutlich anders aus: Gießelmann und Lukas Schmitz harmonieren hier als hätten sie schon so manche gemeinsame Spielzeit auf den Buckeln.

Verwirrend wie die wechselnden Systeme auch die Frage nach der Position von Käpt’n Adam Bodzek. In Pressing-Situationen sah man ihn oft zentral direkt hinter den Stürmern, während Marcel Sobottka einen kreativen Part dahinter gab. Für den verletzten Nielsen war Jerome Kiesewetter in die Startelf gerutscht, der seine Sache besser machte als in der Vorwoche, aber wieder nicht ganz überzeugen konnte. Außer beim zweiten Tor für die Fortuna: Bebou hatte sich fantastisch durchgesetzt und legte den Ball von der linken Strafraumwecke quer. Kiesewetter in der Mitte schirmte den Gegenspieler geschickt mit dem Körper ab und ließ den Ball zum heranstürmenden Sobottka durch, der mit einem feinen Schüsschen die Hütte machte – ein wundervoller Spielzug!

Eine Frage der Standards

Und dann wäre da noch die Frage nach den Standards. Kann es sein, dass die in der Saison 2017/18 zu einer scharfen Waffe der F95er wird? Einen Freistoß von rechts, etwa zehn, fünfzehn Meter entfernt vom Strafraumeck, legte Ayhan als Flanke an. Fünf Auer versuchten, auf Abseits zu spielen, scheiterten daran aber kläglich, sodass Hennings die Pille auf Höhe des Elfmeterpunktes annehmen und schulbuchmäßig versenken konnte. Das war in der 42. Minute. Vorher hatten es die Herren in Weiß (mit feinen roten Streifen) nur auf zwei echte Chancen gebracht, wobei der Schuss von Schmitz nicht so erfolgversprechend war wie der misslungene Konter von Bebou. Bis dahin hatten beide Mannschaften den Fokus auf die Abwehr gelegt, sodass es viel Mittelfeldgeplänkel gab.

Die Fortunen setzten besonders in der ersten Halbzeit einige Male auf extremes Pressing, brachen aber mehrmals aus unerfindlichen Gründen ab, sodass die Erzgebirgler auf dem Rasen vor der Tribünenbaustelle Gelegenheit bekamen, eigene Angriffsversuche zu probieren. Nach dem 2:0 in der 48. legten die Auer einen höheren Offensivgang ein, hatten aber auch keine besseren Ideen als zuvor. Und trotzdem geriet die Elf von Trainergespan Funkel / Hermann zunehmend unter Druck, auch weil es zu deutlich mehr Ballverlusten kam als in der ersten Hälfte. Jetzt konnte sich Torhüter Michael Rensing ein ums andere Mal auszeichnen – besonders bei einem Schuss aus etwa zwanzig Meter, bei dem ihm die Sicht verdeckt war, unter anderem durch den verletzt im Strafraum liegenden Bodzek. Dass am Ende ein Eckenverhältnis von 9:2 für Aue zu Buche stand, illustriert die Sache eindeutig. Obwohl die Partie einigermaßen fair ablief, leisteten sich die „Veilchen“ zunehmend Nickligkeiten und kassierten insgesamt fünf gelbe Karten, wobei ein grobes Foul an Schauerte durchaus mit einem glatt roten Karton hätte bestraft werden können.

Später kamen Axel Bellinghausen, Florian Neuhaus und Emir Kujovic in die Partie, ohne dass auch nur einer von ihnen mit irgendeiner besonderen Aktion hätte glänzen können. Und, ja, die Düsseldorfer hatten in der Schlussphase auch eine Menge Dusel. Da gingen Schüsse nur Zentimeter am Tor vorbei, da landete ein verunglückter Abwehrversuch von Ayhan zum Glück nicht beim Gegner, und da entschärfte Rensing Dinger, die nicht jeder Keeper gekriegt hätte. Vielleicht hätte Aue insgesamt ein Tor verdient gehabt, aber ein – kaum je zu erwartendes – Unentschieden wäre dem gesamten Spiel nicht gerecht geworden. Der Sieg für F95 geht also in Ordnung – und macht Hoffnung auf mehr. Spielerisch gab es einige Höhepunkte von einer Qualität, wie man sie bei Teams in Rotweiß lange nicht gesehen hat, kämpferisch gab es auch nichts zu bemängeln. Wenn es ein Problem mit dieser Mannschaft gibt, dann dass sie die Konzentration anscheinend nicht über 90 Minuten halten kann.

Gegen den DFB

Wie bei fast jedem Zweitligaspiel dieser Tage begleiteten die Fans beider Mannschaften die Partie minutenlang mit Schmäh- und Wechselgesängen gegen den DFB. Daran werden sich Grindel & Co. gewöhnen müssen. Natürlich werden diese Proteste nichts, aber auch gar nichts an der Politik des Verbandes ändern, die Fußballfans zu domestizieren. Wer sich an die Aktion 12:12 im Jahr 2012 erinnert, in deren Rahmen die Zuschauer zu Beginn jeder Partie zwölf Minuten lang schwiegen, weiß, dass solche Maßnahmen wesentlich eindrucksvoller sind, weil sie den Interessen des Ligaverbandes DFL schaden. Denn der braucht für das angestrebte Soccer-Entertainment-Produkt zwingend die lautstarke Anfeuerung durch die aktiven Fans – würden Ultras und Konsorten auf Gesänge, Choreos und Fahnen verzichten, könnte dies den Fußball für reine Eventkunden mittelfristig so unattraktiv machen, dass sie sukzessive wegbleiben. Und durch gedungene „Fans“ und Klatschpappen lässt sich die Stimmung, die das Salz in der Fußballsuppe ist, nicht synthetisch erzeugen.

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