Website-Icon Fortuna-Punkte

Fortuna-Punkte 17/18: Duisburg ist Scheiße, sagt Ingo…

Neulich mal wieder Biertrinken mit dem Chefred. Und zwar auf St. Pauli. Warum es „auf“ heißt, konnte er mir auch nicht erklären, und dieses Astra schmeckt mir nicht. Ich wählte Holsten. Die Kneipe war randvoll mit Pauli- und Fortuna-Fans. Keine Beleidigungen, keine Schlägerei. „Sind wir mit dem FC St. Pauli befreundet?“ fragte ich den Chefred. „Oh je,“ antwortete der, „lass uns nicht über Fanfreundschaften reden, schon gar nicht über die angebliche Freundschaft mit dem FCSP…“ Schien kompliziert zu sein. Von meinem Kumpel Ingo aus Block 3 weiß ich, dass es mit Fanfeindschaften einfacher ist. Die sind so. Punkt. „Duisburg ist zum Beispiel Scheiße,“ sagt Ingo. „Köln auch, oder?“ hakte ich nach. „Sowieso. Das Gladpack, die Essener, Wuppertal, alles Scheiße…“ Warum diese Städte(?), Vereine(?), Fans(?) Scheiße sind, konnte er mir schlüssig nicht erklären. Aber der Chefred, weil der sich mit solchen Sachen auskennt.

Von Kirchtürmen und Rosenkriegen

„Fällt dir was auf bei der Liste der verhassten Clubs?“ fragte er. „Ja,“sagte ich, „alle in der Nähe.“ Das kenn ich ja aus England. Wir Leeds-Lads hassen ja die Manschisser United am allermeisten. 35 Meilen, also bisschen mehr als zwischen Düsseldorf und Köln. „Der Fachbegriff,“ dozierte mein Auftraggeber, „heißt ‚Campanilismo‚. So nennt man die starke Bindung an ein Land, eine Region, einen Ort oder auch nur einen Stadtteil, an seine Gebräuche und Traditionen. Da steckt das italienische Wort für Kirchturm drin – die Leute haben also starke Bindungen an ihre Stadt im Umkreis ihres Kirchturms.“ Ich schüttelte den Kopf, das mit den Kirchtürmen haben wir nicht in England, aber sehr starke Bindungen an die jeweilige Grafschaft. Lancashire (MU) und Yorckshire (Leeds) sind ja schon seit den Rosenkriegen heftig verfeindet. 15. Jahrhundert, es ging um die Krone…

So alt, lernte ich, ist die Rivalität zwischen Düsseldorf und Köln nicht. Bis vor hundert Jahren war Düsseldorf den Kölner viel zu klein und popelig. Dass es Hass zwischen den Städte gibt, daran haben wir Briten schuld. Wir haben Düsseldorf zur Landeshauptstadt von Northrhine-Westphalia gemacht, da waren die Kölner sauer. Das, erklärt der Chefred, hat sich dann erst in den Sechzigerjahren auf Fußball und Eishockey übertragen. „Quatsch,“ mein Ingo, „wir haben Köln schon immer gehasst!“ Das singt ja auch der Kapo von den Ultras oft: „Wir hassen Köln und RWE!“ Also ist Essen auch Scheiße. „Und ob,“ giftet Ingo, “ es heißt ja ‚Rot-Weiß Essen, ficken und vergessen.“ „Auch, weil die Essener mal sauer auf Düsseldorf waren?“ frage ich. „Nein, nein, das hat einen ganz, ganz klaren historischen Grund. Bei irgendeinem Spiel, ich glaub in den 70ern, hat irgendso ein RWE-Arsch einen besonders beliebten Fortuna-Spieler zusammengetreten. Da sind die F95-Fans ausgerastet, und es hat richtig Klopperei gegeben.“

Widerliche, asoziale Fans

„Und was ist mit Mönchengladbach, Duisburg und Wuppertal?“ hakte ich nach. „Da liegt’s an den Fans. Die Anhänger der ostholländischen Pferdeficker….“ – „Was?“ – „Die erfolgreichste BMG-Mannschaft unter Trainer Weisweiler nannte man ‚Fohlen‚, weil die so schnell, wild und ungestüm angegriffen haben und die Spieler besonders jung waren; Netzer, Wimmer, Heynkes, Vogts; toller Fußball, viele Düsseldorfer waren damals Gladbach-Fans… Jedenfalls, die Anhänger dieses Clubs waren in den 70ern und 80ern berüchtigt für ihr absolut asoziales Verhalten. Also nicht bloß wegen Schlägereien und so: Die sahen scheiße aus, die haben scheiße geredet und sich scheiße benommen. Besonders als die Borussia ihre Heimspiele im Rheinstadion ausgetragen musste, weil deren Stadion marode war. Die BMG-Fans haben sich benommen wie die Schweine.“ Ich lernte den Schlachtruf „Wuppertal, asozial“ und fragte nach, ob sich denn Fortuna-Fans auswärts besser benehmen. „Ne, gerade bei den Spielen in der Nähe nicht. Da siehst du Picos im Auswärtsblock, zugedröhnt bis zum Haaransatz, frei von jedem Sozialverhalten, aggressiv und am Spiel überhaupt nicht interessiert.“ Aha, dachte ich, die Leute in Gladbach und Wuppertal werden wahrscheinlich erzählen, dass sie die Düsseldorfer hassen, weil F95-Fans immer so aozial sind.

„Alles eine Frage der Perspektive,“ meinte der Chefred, „War ja mal ne Zeitlang sogar schick, sich auswärts scheiße zu benehmen; ‚gepflegt asozial‘ hieß das. Alle bürgerlichen Regeln übertreten. Tankstallen plündern, Zeche prellen, in aller Öffentlichkeit pinkeln oder gar kacken.“ Und dann gäbe es noch so ganz alte Geschichten aus der Frühzeit der Hooligans. Wie von den Hertha-Fröschen aus Berlin, die in Düsseldorf durch die Stadt zogen und auch Normlos verprügelt und Kinderwagen umgestoßen haben. Wobei es in Sachen Hertha BSE ja vor allen am unsportlichen, weinerlichen Getue von Hertha-Dings Preetz und seinen Leute geht, mit denen man 2012 die Relegation zurückdrehen wollte. Wegen des Platzsturms. Wo Otto Rehagel seinen bekannten Dummspruch von wegen Halbangst abgelassen hat.

Und was ist mit Duisburg?

„Ganz ehrlich? Seit wann es eine Fanfeindschaft mit dem MSV gibt, weiß ich nicht. Als beide in der ersten Liga waren, gab’s keine besonderen Streitigkeiten,“ erklärt Ingo, „ja, weder Düsseldorfer, noch Duisburger haben Partien gegeneinander als ‚Derbys‘ gesehen, aber seit Jahren reden Sportreporter immer vom ‚Straßenbahnderby’… Wenn du mich fragst, ging das mit der Rivalität erst los, nach dem Fortuna in die zweite Liga aufgestiegen ist. Das Spiel am 31.08.2009 im Wedau-Stadion. Chaotische Anreise mit U- und S-Bahn. Riesiges Polizeiaufgebot, hochaggressive Cops. Fanmarsch vom Schlank zum Stadion. Pyro, Wahnsinnsstimmung. Hassverzerrte Gesichter der MSV-Fans. Blanker Neid…“ Verrückt, denke ich, nach nur acht Jahren schon ewiger Hass.

„Das mit dem Campanilismo in Italien stammt aus dem Mittelalter, wo die Stadtviertel in den wohlhabenden Städten des Nordens wirtschaftlich stark miteinander konkurriert haben. Da wollten die Jungmänner mindestens einmal im Jahr mit körperlichem Einsatz klären, welcher Kiez am besten war. Überall zwischen Bologna und Rom gibt es sportliche Wettkämpfe. Am berühmtesten ist aber der Calcio Storico in Florenz, eine Art gewalttätiges Fußballspiel. So etwas hat weder in Deutschland, noch England Tradition. Aber der tief verwurzelte Campanilismo der italienischen Tifosi hat das Selbstverständnis vieler deutscher Fußballfans seit etwa Mitte der 80er geprägt.“ Ja, hab ich ungefähr verstanden. Bei uns in England ist das alle viel weniger historisch, dafür haben wir eine große Tradition bei Kneipenschlägereien – in Leeds gibt es Dutzende von Pubs, deren Stammgäste verfeindet sind und sich regelmäßig boxen. Als es jeder Stadt im Norden noch viele, viele Football-Clubs gab, gehörte zu jedem Team auch eine Truppe Pub-Kumpel. Und so sind dann Rivalitäten entstanden.

Alles nur Hysterie

Ja, dachte ich mir, was ist jetzt mit Duisburg? Der MSV kommt morgen in die Arena. Soll voll werden, über 35.000 Zuschauer. Ist das jetzt Feindschaft, oder was? „Man muss das Phänomen der Fanfeindschaften auch sozio-ökonomisch betrachten,“ meinte der Chefred schwafeln zu müssen, „Duisburg geht es seit vielen Jahren so schlecht wie den anderen Ruhrgebietsstädten, ja, eigentlich so gar schlechter. Hohe Jugendarbeitslosigkeit, Verfall ganzer Viertel, da entsteht Wut. Und Neid. Dass der sich bei Unterpriviligierten gegen das wohlhabende Düsseldorf wendet, wundert nicht. Die Situation hat auch zu massivem Zulauf bei den Rechtsextremen geführt. Gerade in der Fanszene des MSV gibt es große Gruppen mit antidemokratischen und rassistischen Parolen, denen sind die angeblich so ‚linken‘ Fortuna-Fans ein Dorn im Auge.“

Oha, auch das noch – Politkram… Aber wenn ich genauer drüber nachdenke, dann betreffen diese Rivalitäten ja doch nur immer ein paar Hundert Fans auf den verschiedenen Seiten. So richtig mit aufs Maul hauen sogar immer nur ein paar Dutzend. Und Hass wird ja oft auch nur gefaket. Also, dass man „Cologne, Cologne, die Scheiße vom Dom“ singt und trotzdem nichts oder wenig gegen „die Kölner“ hat. Andererseits sag ich auch immer: Wer nicht hasst, kann auch nicht lieben. Lasst uns ruhig Köln, Essen, Wuppertal und Duisburg bzw. den Äff-Zeh, RWE, den WSV und die Streifenesel hassen, denn das macht die Liebe zur Fortuna nur stärker.

Die mobile Version verlassen