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Fortuna-Punkte 17/18: Von Arenen, Stadien, Grounds und Fußballplätzen

Ja, Folks, da ist er wieder, euer Nick. Musste ein paar Wochen nachhaus zu Sheila und den Verwandten. Onkel James ist gestorben. Der war ziemlich reich. Also haben sich alle um das Erbe gestritten. Wir haben leider nicht gewonnen. Aber es ist wie im Fußball: Manchmal verlierst du, manchmal gewinnst du nicht. Wie es der Zufall will, war ich mit meinen alten Lads und den alten Gegner von Fulham vor ein paar Wochen unterwegs, um mal wieder so richtig Fußball zu gucken. Sind wir nach Sheffield gefahren und haben an der Bramall Lane dieses verrückte 4:5 der Whites bei Sheffield United gesehen. Es war fast wie früher, nur dass es keine – wie sagt ihr? – dritte Hälfte gab. Wir sind einfach zu alt dafür… Und nun war ich mit der Fortuna in Kiel (wo es auch keine dritte Hälfte gab. Aber auch ein traditionsreiches Stadion. Wobei: Der Platz an der Bramall Lane ist der zweit- oder drittälteste Fußballplatz, auf dem durchgehend seit 1862 Fußball gespielt wird! Da kann der Holstein-Platz, der 1911 eröffnet wurde, nicht mithalten.

Heilige Grounds

Der Ground des Hallam F.C. an der Sandygate Road in Sheffield
Genau wie die Bramall Lane hat man den Holstein-Platz ja zigmal umgebaut, modernisiert und verändert. Heilig ist also nur der Boden, auf dem der Rasen wächst. Aber du kannst an diesem Vergleich merken, wie viel mehr Tradition der englische Soccer hat. Denn 1862 traten schon richtige Clubs gegeneinander an: der F.C. Sheffield und der Hallam F.C. – auch aus Sheffield. Und der spielt momentan in der neunten englischen Liga auf dem allerältesten noch existierenden Ground des Planeten, dem Platz an der Sandygate Road. An dem kann man sehr schön ablesen, wie das überhaupt entstanden ist mit den Fußballplätzen. Noch heute handelt es sich um eine große Wiese mit einer winzigen Tribüne und einem Unterstand, auf der auch Rugby und Cricket gespielt wird. Während der Saison der das Fußballfeld in der Nähe der Tribüne aufgemalt – auf der Wiese ist dann immer noch Platz für einen Rugby-Ground. Aktuell tritt Hallam in der First Division der Northern Counties East Football League an und liegt momentan auf Platz 9.

Google-Map: Der Ground an der Sandygate Road in Sheffield
Auch die Fortuna hat auf einer Wiese angefangen. Und zwar ab 1908 als Düsseldorfer Fußballklub Spielverein (kurz: FK Spielverein). Da spielte der Hallam F.C. schon seit fast 50 Jahren an der Sandygate Road. Ein echtes Stadion war die Anlage an der Bramall Lane aber auch nicht von Anfang an, denn ab 1855 wurde hier Cricket gespielt. Nun gibt es im Cricket keine Regeln für Größe und Form des Spielfelds – die Maße der heutigen Spielorte unterscheiden sich immer noch stark, aber mittlerweile sind weltweit die wichtigsten Cricket Grounds kreisrund mit einem Durchmesser von knapp 500 Feet. Das sind rund 150 Meter, sodass ein reguläres Fußballfeld gut hineinpasst. In vielen Orten Englands wurden aus früheren Cricket-Wiesen dadurch Fußballplätze, dass Tribünen rechtwinklig zueinander gebaut wurden – so war das auch an der Bramall Lane.

In Deutschland immer rechteckig

In Deutschland, wo man ab ungefähr 1900 besonders stark dem englischen Beispiel folgte, gab es diesen Zwischenschritt nicht, da baute man gleich rechteckig oder rechteckig mit einer oder zwei Kurven, denn die Begeisterung für den Soccer verlief parallel mit dem Anstieg der Leichtathletik. Also nannte man einen neuen Fußballplatz gleich “Stadion”, weil an die alten Griechen und ihre Locations für sportliche Events erinnern wollte. Und wo man besonders gut deutsch sein wollte (also nach dem ersten Weltkrieg und besonders ab 1933) nannte man einen solchen Ground auch gern “Kampfbahn”. Das blieb sowohl dem Platz von Holstein Kiel, als auch dem Fortunaplatz erspart. Den bekam die Fortuna von der Stadt Düsseldorf praktisch geschenkt, weil es am Flinger Broich Brachland gab und weil man das Gelände des alten Grounds (der Alemanniaplatz) bebauen wollte. 1930 wurde also das Stadion eingeweiht, das wir heute Paul-Janes-Stadion nennen.

Diese Fakten über Fortuna habe ich natürlich von Ingo, mit dem ich in Kiel verabredet war, wo wir uns in der flachen Ostkurve gemeinsam den Arsch abfroren. Solche Stehplätze haben wir in England nicht, also solche flachen Steinstufen, wo du nur von den oberen Etagen den Platz überhaupt übersehen kannst. Nein, in England sind die Stands – also da, wo man als Fan steht – meistens ziemlich steil. Dadurch ist man ganz nah dran am Feld, und man hat einen guten Überblick. Da ist der Grund, meinte Ingo, der einen Kopf kleiner ist als ich und vom Spiel nicht viel sah, warum englische Supporter viel mehr Ahnung vom Fußball haben – die hatten mehr Überblick. Na ja, ob’s stimmt…

Verweichlichung der Fans

So sieht die Bramall Lane in Sheffield heute aus
Ehrlich gesagt: Bramall Lane ist irgendwie nicht mehr so besonders, weil es nach den vielen Umbauten einfach nur ein Ground ist wie viele andere auch. Also ein rechteckiger Rasen mit überdachten Tribünen an allen Seiten. Aber immer noch besser als diese ganzen Arenen, die man seit Mitte der Neunziger Jahre für die Fußballclubs baut. Meine Theorie ist ja, dass der moderne Fußball eine direkte Folge der Verweichlichung (Was für ein tolles deutsches Wort!) der Fans durch diese Arenen ist. Da ist alles überdacht, teilweise auch das Spielfeld, ja, sogar beheizt, und die Lautsprecheranlage und die Videowände sind genauso wichtig wie der Rasen. Alles ist komfortabel und bequem, aber mit dem Sportgedanken, aus dem der Soccer um 1850 in England entstanden ist, hat das nichts mehr zu tun.

Auch wenn wir kalt bis auf die Knochen gefroren sind, haben Ingo und ich großen Spaß an den Stunden im Holstein-Stadion in Kiel gehabt. Okay, wenn wir mal Sechzig sind oder älter, dann wäre so ein Spielbesuch ein echtes Gesundheitsrisiko. Aber, wie heißt es: No Risk, no Fun.

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