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Braunschweig vs F95 0:1 – …und den Fortuna-Fans ein Wohlgefallen

Für den Frieden auf Erden, also auf dem Braunschweiger Acker, sorgte der ausgezeichnete Schiri Patrick Alt, der den vorweihnachtlichen Ballkrieg mit ruhiger Hand und im Sinne des möglichst störungsfreien Kicks regelte. Dass die Begegnung den Fortuna-Fans ein Wohlgefallen wurde, war dann einem Trio zu verdanken, das hier namentlich in den Vordergrund gestellt werden soll: Kann Ayhan, der Balleroberer, Benito Raman, der Passgeber, und Davor Lovren, der Torschütze. Als die Experten der bewährten Runde im Bilker Häzz diesen Namen in der Aufstellung lasen, wurde kurz geraunt, und einer erinnerte an den tollen Erstauftritt des Jünglings im Testspiel gegen die TuRU am 05.09. Die Sprechpuppe des Bezahlversenders Sky, von dem wir gelegentlichen Kneipengucker abhängig sind, konnte sich dagegen mehrfach nicht enthalten, Davor als den Bruder zu apostrophieren.

Schließlich hat unsere Nummer 19 tatsächlich einen älteren, männlichen Anverwandten, der für Geld beim Liverpool FC gegen runde Gegenstände tritt. Weil der Spochrepochter aber nicht davon lassen konnte, wurde gestern der Spruch „Hat der überhaupt einen Bruder?“ zum Running Gag. Zumindest einen Bruder im Geiste findet der Torschütze im bereits erwähnten Raman, der ansonsten gestern eine merkwürdige Rolle spielte und in der zweiten Halbzeit aus unerfindlichen Gründen abtauchte. Tatsächlich könnte aber das beschriebene Trio der Jungs mit den schwarzen Haaren, ergänzt um die Kollegen Marcel Sobottka und Jean Zimmer der Stamm sein, aus dem sich eine F95-Erfolgsmannschaft bilden könnte. Auf den hochbegabten Florian Neuhaus wird man verzichten müssen – was immer der verbrochen haben mag, dass er demnächst in Ostholland wird arbeiten müssen – daran führt kein Weg vorbei.

Die Achse der Guten

Es ist nun nicht so, dass es neben dieser Achse des Guten nicht weitere Akteure in Rot und/oder Weiß geben, denen eine lange, glückliche Zukunft bei der glorreichen Fortuna blühen könnte. Dann sind in der Defensive der gestern nicht eingesetzte Robin Bormuth, der gestern ziemlich gut aufgelegte Andre Hoffmann und der wieder in Form kommende Niko Gießelmann zu nennen. So bärenstark Käpt’n Oliver Fink gestern mit sage-und-schreibe 24 gewonnenen Zweikämpfen war – realistisch betrachtet ist die Zukunft eines 35-Jährigen Profifußballers nicht mehr wirklich lang. Auch der gestern weniger auffällige Rouwen Hennings, dem sicher noch drei, vier gute Jahre bleiben, zählt nicht mehr zu den Köpfen, die Fortuna mal wieder groß machen werden.

Dann schon eher Jerome Kiesewetter. Ein Experte meinte bei dessen Einwechslung: „Ich dachte schon, den hätten wir ausgeliehen…“ Denn tatsächlich hatte man den großgewachsenen und leichtfüßigen Mann schon seit Wochen nicht mehr auf der Bank oder dem Platz gesehen. Es munkelte bereits, es gäbe Differenzen zwischen ihm und dem Trainer-Team, aber das waren wohl nur Gerüchte. Mysteriös bleibt sein Abtauchen vor allem deswegen, weil er nie auf der Liste der Verletzten erschien. Gestern lieferte der gute Kiesewetter jedenfalls einen couragierten Auftritt im offensiven Mittelfeld, der auf mehr hoffen lässt.

Kontrolle und Entschleunigung

Jedenfalls: Mit Lovren statt Schmitz als einziger Überraschung in der Startelf legte die Fortuna gleich gut los, agierte schnell und kombinationssicher, und bis zum Führungs- und Siegtreffer überraschten die Roten die Insassen der Heimmannschaft mit wunderschönen Spielzügen, die allerdings zu wenig Chancen ergaben. Immer wieder auffällig dabei der nominelle Außenverteidiger Zimmer, der aber nicht selten einen Außenstürmer gab und dabei – wie gewohnt – auch schon mal mit Raman die Seiten wechselte. Dieser Offensivtaktik hatten die Braunschweiger nichts entgegenzusetzen. Erst als die Fortunen nach dem Tor auf Spielkontrolle und Entschleunigung setzten, kamen die Blaugelben auf. Natürlich stöhnten die Fans vor dem TV auf, weil die Jungs vom Funkel eben nicht weiter Druck ausübten, keine schnellen Kombinationen mehr spielten und so komplett auf das setzten, was man heute „Umschaltspiel“ nennt. Okay, das Tor war nach einem wirklich klassischen Konter gefallen. Wer aber in seinem Leben schon mehr als – sagen wir – 500 Partien gesehen hat, weiß, dass es nicht besonders erfolgversprechend wirkt, wenn eine spielerisch überlegene Mannschaft diese Überlegenheit aufgibt, um nur noch zu kontern.

Gut, dass dieses BTSV-Team nicht mit dermaßen schnellen und trickreichen Stürmern gesegnet ist wie die Fortuna. Nur deshalb ging die Sache bis zur Pause gut. Noch vor dem Halbzeitpfiff holte Friedhelm Funkel übrigens Davor Lovren vom Platz. Der hatte sich beim Jubel das Hemd ausgezogen, um mit freiem Oberkörper seiner Freude Ausdruck zu verleihen – und dafür die unvermeidliche gelbe Karte gesehen. Nach einigen Anfällen von Übermut hatte ihn dann der Referee ernsthaft ermahnt, und wenn sich der gute Lovren noch eine Schote erlaubt hätte, wäre die Gelbrote unvermeidlich gewesen. Für ihn kam Takashi Usami, der zwar nominell ebenfalls offensiv auf Linksaußen arbeiten sollte, seinen Dienst aber wesentlich langsamer und irgendwie uninspiriert verrichtete. Positiv zu vermerken ist bei unserem derzeit einzigen Japaner mit Startelfpotenzial, dass er jederzeit und unaufgefordert Defensivaufgaben übernimmt, wenn dies gefordert ist.

Ansätze von Kampfsport

Bisschen wüst ging es dann nach Wiederanpfiff ab, wobei sich beide Teams in Sachen Auf-die-Knochen-gehen nichts schenkten. Hoffmann kassierte eine Verwarnung nach beidbeinigem Einsatz und wird im ersten Spiel nach der Winterpause fehlen. Aber wieder muss man Schiri Alt loben, der ganz schnell und konsequent das Gift aus der Begegnung nahm, die bald auch wieder in halbwegs friedliche Bahnen kam. Natürlich gaben die Braunschweiger nun jede Menge Gas in der Offensive, und weil die F95-Jungs nach der Pause (wieder einmal!) einige Zeit brauchten, sich auf die veränderten Bedingungen einzustellen, kamen die Hausherren zu ziemlich guten Chancen. Wobei die Statistik sagt, dass deutlich mehr als die Hälfte ihrer Torschüsse aus der Distanz abgefeuert wurden. Da musste sich Raphael Wolf nicht wirklich sehr anstrengen, um solche Möglichkeiten zunichte zu machen.

Ernst wurde es erst in der 61. Minute. Ein scharfer Schuss vom linken Sechzehnereck zielte auf den langen Pfosten. Leicht abgefälscht erwischte er die Innenseite des Alurohrs, prallte von dann in spitzem Winkel zurück und hinter dem Rücken von Wolf vorbei. Ein paar Grad Winkelabweichung, und das Ei hätte den Keeper im Kreuz getroffen von wo aus die Kugel mit hoher Wahrscheinlichkeit in die Bude gehüpft wäre. Weiter: Der Irrläufer kommt zu einem BTSV-Angreifer, der fein ablegt und – wumms! – die Bombe geht weit über den Kasten. Objektiv betrachtet hätte dies der Ausgleich sein müssen, aber die Glücksgöttin war der Fortuna in diesem Moment hold.

Langsame Befreiung

Erst nach der 70. Minuten war die Fortuna wieder da und setzte den Fuß aufs Gaspedal. Mit zunehmender Spielbeschleunigung wurde deutlich, dass das Repertoire der Braunschweiger im Mittelfeld in dieser Saison sehr übersichtlich ist, dass es dort kaum je zur Balleroberung kommt – vor allem, wenn der Gegner rasch und über außen kommt. Nicht nur das taten die Fortunen. Im Zentrum wurde Neuhaus mit zunehmender Spieldauer immer dominanter, übernahm nun ganz die Rolle des Spielmachers, sorgte für Flankenwechsel und versuchte mehrfach, Hennings, Fink, Usami und auch Raman mit Schnittstellenpässen zu bedienen. Das wird zum Rezept der letzten Viertelstunde. Die Braunschweiger versuchten es dagegen wieder mit Distanzschüssen oder nach Standardsituationen. Nur einmal kommt es zu einer brandgefährlichen Flankensituation, die Gießelmann in letzter Sekunde entschärfte.

Wie immer wächst sich eine knappe Führung zur Nervenbelastung der Zuschauer aus. So auch in dieser Partie – bei der jeder, der sich erinnern kann, an das legendäre 5:5 denkt. Gestern war diese Nervenprobe eher virtueller Natur, weil die Kicker des TSV Fortuna Düsseldorf 1895 selbst die Nerven behielten, konzentriert zu Werke gingen und bis zum Schluss recht gut standen. Die Frage, ob ein Unentschieden gerechter gewesen wäre, stellte sich am Ende kein F95-Fan, weil alle damit beschäftigt waren „Spitzenreiter, Spitzenreiter“ zu skandieren. Dann das ist die rotweiße Truppe zumindest bis heute 14:45, wenn die Begegnung der Nürnberger gegen Lautern abgepfiffen wird.

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