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F95 vs Bochum 1:2 – Die Fehler im System

Ein altes Lied: Fortuna-Fans sind in ihrer Reaktion auf eine Heimniederlage so berechenbar. Ganz egal, auf welche Weise die Punkte vergeigt werden, ist man wütend, fordert (unabhängig vom tatsächlichen Verhalten der Spieler) mehr Kampf und Einsatz und hat es immer schon gewusst. Leider beginnt dieses Nörgeln, Granteln und Schimpfen schon während des Spiels, und dass kann einem F95-freundlichen Betrachter die ganze Partie vermiesen. Dass ein Großteil der Anhänger angesichts von zwei Niederlagen nacheinander vor allem mit Tabellenrechnereien beschäftigt ist, nimmt nicht weiter wunder. Dabei sollte jedem aufmerksamen und der Fortuna in Liebe verbundenen Anhänger die erste Spielhälfte mittelfristige Sorgenfalten auf die Stirn malen. Denn diese 45 Minuten zeigten das Ausmaß der Schwächen im Kader und in den Systemen, die Friedhelm Funkel spielen lässt.

Die Kritik liegt dabei weit oberhalb des Niveaus, das man in den sozialen Medien und Foren zu lesen kriegt. Nein, es geht nicht um die Unfähigkeit oder Formschwäche einzelner Spieler oder um die merkwürdige Aufstellung, es geht um das, was mit diesem Kader und diesem Trainer schlimmstenfalls passieren kann. Zumal gestern Abend keiner der Kicker in Weiß wirklich schlecht war. Gut, Adam Bodzek irrte teilweise fast planlos im defensiven Mittelfeld umher, und auch Jean Zimmer hatte in Hälfte Eins arge Orientierungsschwächen. Dass sich der junge Robin Bormuth in den ersten zehn Minuten seine zwei, drei Klopper leistet, daran hat man sich beinahe schon gewöhnt. Wer nach Wiederanpfiff dann für die glorreiche Fortuna auf dem Platz stand, so viel ist sicher, war auch gut – zumindest kämpferisch.

Die Abhängigkeit von den Flügelflitzern

Immer noch nicht wieder so richtig, richtig gut tritt Benito Raman auf. Es scheint, als gehe er dem Gegner methodisch aus dem Weg – vielleicht aus Angst vor Ballverlusten, nach denen er natürlich schlecht aussieht … und dann vom Publikum vielleicht nicht mehr geliebt wird. Okay, das ist genug Schmierölpsychologie für heute; fehlte noch, dass hier die sogenannte “Körpersprache” analysiert wird… Schwenken daher lieber auf Genki Haraguchi um. Denn der ist ein Teil des Problems. Wenn ein Trainer zwei trickreiche Flügelflitzer zur Verfügung hat, wird er die auch so oft wie möglich aufstellen. Ist doch klar, denkt Otto Normalzuschauer. Zumal im Fall von Raman und Haraguchi positiv hinzukommt, dass die beiden jederzeit rochieren und so den Gegner verwirren kann. Aber: Das ganze System MUSS auf die schnellen Außen zugeschnitten sein, sonst verpuffen deren Speed und Dribbelkünste.

Damit die Windhunde nicht im luftleeren Raum hängen, braucht es zwei Außenverteidiger mit Offensivdrang, die im besten Fall mit ihrem jeweiligen Vordermann Doppelpass spielen – oder gegebenenfalls die vertikale Position tauschen. Außerdem braucht es einen oder zwei aufmerksame und kreative Leute im Mittelfeld, die den jeweils erfolgversprechenderen Flügel auswählen und anspielen. Und – das größte Problem – es werden Abnehmer für die Grundlinienflanken der Flitzer gebraucht. Die Abhängigkeiten gehen noch weiter. In der beschriebenen Konstellation braucht es zwei stabile Innenverteidiger ohne großen Kreativanspruch sowie einen Ausputzer im defensiven Mittelfeld. Ja, wird die Kennerin der Fortuna 2017/18 sagen, das haben wir doch alles. Nein, es fehlt an den Abnehmern im gegnerischen Sechzehner! Ein Rouwen Hennings, der zudem ständig mit Wühlarbeiten vor der Abwehr des Gegners befasst ist, reicht da nicht.

Neuhaus macht den Unterschied

Und um es konkret am Spiel gegen Bochum festzumachen: Erst mit dem Auftritt von Florian Neuhaus begann das Konzept zu funktionieren. Auch weil Marcel Sobottka, der für Neuhaus gehen musste, eben nicht der kreative Kopf ist, der offensive Entscheidungen trifft. Weil gestern auch Käpt’n Oliver Fink keinen besonders gestaltungsfreudigen Abend hatte, fand in der ersten Hälfte eben kein aggressives und erfolgversprechendes Angriffsspiel statt. Auch der Wechsel von Raman auf Takashi Usami war insofern folgerichtig: Jetzt mussten nicht mehr zwei flinke Außenstürmer gefüttert werden, sondern nur einer. Außerdem kam dann mit Harvard Nielsen ein weiterer Stürmer, der es gewohnt ist, im Strafraum der Kontrahenten zu agieren.

Angst kann einem Fortuna-Fan diese Analyse, weil sie die große Abhängigkeit von Florian Neuhaus (in diesem System!) beschreibt und wir alle wissen, dass Neuhaus nach dem Ende der Saison mit großer Sicherheit nach Gladbach muss. Man kann und mag dann nur hoffen, dass der Rückkehrer Marlon Ritter – zugegeben ein völlig anderer Spielertyp – diese Lücke wird füllen können. Man muss außerdem hoffen, dass die Kaderplaner um Robert Palikuca und Uwe Klein sich nach einem Strafraumstürmer umsehen, der diesen Namen verdient – denn weder Harvard Nielsen und schon gar nicht der regelmäßig enttäuschende Emir Kujovic beherrschen diese Rolle hinreichend.

Ansonsten waren die Blauen aus Grönemeyer-City in den ersten fünfundvierzig Minuten auch nicht besser, ja, die Statistik zeigt sogar, dass die Fortuna von zwei miesen Teams noch das bessere war, was sich aber weder in Chancen, noch in Toren abbildete. Im Gegenteil: Die Partie begann furios, und es sah ungefähr sieben Minuten lang so aus, als könne sich eine muntere, dramatische Partie entwickeln. Aber dann griff erneut ein Verhalten bei der Fortuna, das inzwischen nur noch schwer zu verstehen ist: Ausgehend von der Innenverteidigung wird das Tempo aus dem Spiel genommen, es wird in der Viererkette quer gespielt, und wenn es dann nach vorne geht, sind die Abnehmer von Steilpässen schwer gedeckt. So wird die Partie immer langsamer, und besonders die F95-Kicker lullen sich immer mehr ein. Gut, dass die Bochumer das gestern nicht ausgenutzt haben.

Fortuna statistisch überlegen

Bemühen wir noch einmal die Statistik, zeigt sich über die ganze Dauer, dass Fortuna das bessere Team auf dem Platz hatte; überlegen waren die Bochumer nur in Sachen Fouls … was uns zum Schiedsrichter Zwayer bringt, der ja angeblich der zweitbeste Schiri des DFB ist. Das mag sein, denn krasse Fehler machte er nicht – und wurde im Übrigens von zwei außergewöhnlich guten Assistenten begleitet -, aber sein Umgang mit den Kickern erweist sich immer wieder als fragwürdig. Ganz besonders in der kuriosen Szene rund um die 87. Minute, die erneut vom Temperamentsbolzen Ayhan geprägt war. Der schubste abseits des Geschehens und grundlos einen Bochumer, der sich zur Wehr setzte. Zwayer zeigt beiden Gelb, wobei man sich schon fragen kann, warum auch der Blaue verwarnt wurde. Wieder ausgehend von Ayhan lieferten sich die Beiden ein Wortgefecht, das sich der Referee einen Augenblick anhörte, dann anzeigte, nun sei es aber gut, was die Streithähne aber nicht beruhigte. Also gab’s erneut Gelb für Beide, und damit der gemeinsame Kabinengang.

Zu dem Vorfall sind zwei Dinge zu bemerken: Wenn es in einer (inzwischen) hochemotionalen Partie drei Minuten vor Schluss zu solchen verbalen Streitereien kommt, muss kein Schiri dafür Gelb verteilen; das zeugt von einer gewissen Oberlehrerhaftigkeit und wenig Fingerspitzengefühl. Zweitens: Ein kenntnisreicher Fan fragte kurz nach Abpfiff zu Recht, weshalb kein Fortuna-Spieler, nicht einmal Käpt’n Fink eingegriffen hätten, um Ayhan an seiner Unbeherrschheit zu hindern. Es sei ja schließlich ein Mannschaftssport, und da haben die Spieler aufeinander aufzupassen. Mag ja sein, dass die Kollegen denken: Ach, der Kaan, der ist halt so. Aber das wäre keine gute Einstellung.

Was wird mit Wolf?

Nicht wenige Diskussionen drehten sich vor Anpfiff um Torhüter Raphael Wolf, der gestern gut hielt, aber auch nicht viel zu tun hatte. Angeheizt durch die üblichen Medien heißt es, er wolle zurück zum designierten Erstligaabsteiger HSV. Dies und die Gespräche um eine immer noch mögliche Vertragsverlängerung – so wird angenommen – würden zur Verunsicherung führen, die Ursache für die Fehler in den letzten Spielen geführt hätten. Erstens ist Wolf nun nicht der Typ, der sich durch solche Umstände verunsichern ließe, und zweitens war es genau die Art seiner Fehler, die ihn bei Werder aufs Abstellgleis geführt haben. So wichtig der Keeper bisher war, so wenig ist er eine langfristige Option, denn das Torhütergespann der nahen Zukunft besteht aus Michael Rensing und Tim Wiesner, wobei sich noch am ehesten die Frage nach einem passenden dritten Tormann stellt… Am ersten Tor der Bochumer konnte Wolf jedenfalls nichts ändern – ein klassischer Sonntagsschuss, wobei der Schütze überhaupt nicht in seine günstige Schussposition hätte geraten dürfen. Der zweite Treffer, ausgerechnet ein vom Ex-Fortunen Robbie Kruse erzieltes Kontertor, wurde der Torwart getunnelt, was aber in der konkreten Situation auch nicht als Fehler zu werten ist.

Ja, in der zweiten Halbzeit war die Mannschaft in Weiß über summasummarum dreißig Minuten kämpferisch und spielerisch ziemlich stark und den Bochumern deutlich überlegen. Das resultierte in insgesamt vier klaren Torchancen, die aber am Pfosten, an der Latte, in den Torwarthänden oder knapp daneben endeten. Plötzlich kamen Emotionen auf dem Platz auf und – davon angesteckt auch auf den Rängen. Die ungefähr 30.000 Anhänger der Fortuna unter den 35.600 Zuschauern wurden lauter und lauter, und das beflügelte wieder die Mannschaft. Dass irgendwelche Leute auf irgendwelchen Sitzplätzen, die selbst alles schön in der Schale hockend und still verfolgen, am Support herummäkeln und das immer im Verbund mit dem ebenfalls üblichen Ultras-Bashing tun, ist inzwischen auch nur ein Ritual. Auf der Süd in Halbzeit Zwei hörte und fühlte sich die Anfeuerung jedenfalls ganz schön laut und breit an. Zumal mittlerweile oft und gern Gesänge im 42er oder oben im Oberrang angestimmt werden, die der Kapo aufnimmt – wenn er sie denn mitkriegt.

Die große Frage nach dem Abpfiff war: Muss man sich Sorgen um den Aufstieg machen? Einer drückte es so aus: Wenn wir am Ende noch auf Platz Vier landen, sind wir die Deppen der Nation. Wenn’s mehr nicht ist… Sorgen sollte man sich als Freund der Fortuna eher um Kader und System in der kommenden Saison machen – unabhängig von der Liga. Es sei denn, Funkel findet wieder überraschende Varianten mit einem anderen Mix aus Spielern, holt also Kicker auf den Rasen oder auf die Bank, die bisher nicht so oft mittun durften und es möglich machen, Gegner zu überraschen. Und, ja doch, das darf er auch noch in den verbleibenden fünf Spielen tun.

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