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F95 vs Schalke 0:2 – Enttäuschte Träume und der Boden der Tatsachen

Auch als Fortuna-Fan darf man ja mal träumen. Zum Beispiel, dass F95 zur Überraschungsmannschaft der Liga wird, sich gegen die Favoriten behauptet und die direkten Konkurrenten weghaut. Sah ja auch danach aus, als ob es so gehen könnte. Ja, das Heimspiel gegen Augsburg ging verloren, aber gegen Leipzig und gegen Hoffenheim, ja, da waren unsere Jungs ja nicht nur gut, sondern erfolgreich. Heimlich addierte die Träumer schon die Punkte, rechneten die Siege gegen Leverkusen und vor allem Nürnberg ein und sahen das Team irgendwo auf einem einstelligen Tabellenplatz. Und nun das…

Eigentlich war die Partie gegen Schalke in vieler Hinsicht ein Duplikat der Niederlage gegen Leverkusen. Funkels Buben waren in der ersten Halbzeit die bessere zweier nicht sehr starken Mannschaften. Und (ja, ja, das schreiben und sagen sie alle) hätte Benito Raman in der vierten Minute seinen Alleingang mit mehr Sinn und Verstand zu Ende geführt und das Tor gemacht, wer weiß, möglicherweise wären die Fortunen dann als Sieger vom Platz gegangen. Schalke mit dieser Sammlung hochtalentierter Könner, die man für teuer Geld zusammengekauft hat, trat einigermaßen planlos auf und hatte in den ersten 45 Minuten zwei So-la-la-Chancen. Die F95-Defensive – dieses Mal wieder in Form einer 3er/5er-Kette – stand sicher, und die Akteure machten relativ wenig Fehler. Das bestätigte auch die offizielle Statistik.

Kein Duplikat des Leverkusen-Spiels

Während vor anderthalb Wochen Leverkusen mit einer völlig veränderten Haltung, mit Schwung, mit Druck, mit Willen aus der Kabine kam, trat Schalke nach dem Pausentee auch nicht viel engagierter auf als zuvor. Dafür betraten die Männer in Rot den Rasen in einem schwer verständlichen Lethargiemodus. Hatten die Fortunen in der ersten Hälfte noch jederzeit und engagiert um jeden Ball gerungen (und, nebenbei bemerkt, eine sensationelle Zweikampfquote erzeugt), guckten sie sich das Geschehen einfach so an. S04 nutzte diese Schläfrigkeit und machte mit denselben Mitteln, die vor der Pause noch zu nichts geführt hatten, Druck. Statt dazwischen zu gehen, reklamierte Jean Zimmer nach einer Diagonalflanke aufs lange Eck Aus, und einer dieser Blauen konnten den Ball neben dem Pfosten ins Gehäuse drücken.

Das war in der 48. Minute und funktionierte leider nicht als Warnschuss und Weckruf. Im Gegenteil: Kleine individuelle Fehler bei der Ballannahme und im Passspiel häuften sich, nach vorne ging kaum etwas, und selbst aussichtsreichste Kontermöglichkeiten wurden verdaddelt. Aus einem dieser Fehler ergab sich eine Fernschusschance für einen Schalker; den scharfen, abgefälschten Schuss konnte Michael Rensing noch mit einer Glanzparade abwehren. Aber die Pille prallte zu einem Gegner, die sie unter die Latte ballerte, von wo aus sie knapp hinter der Linie aufschlug, noch einmal gegen die Latte ging und dann im Gehäuse zur Ruhe kam. Um es noch einmal ganz klar zu sagen: Die Schalker spielten in dieser Phase zwischen der 45. und der 55. Minuten kein bisschen besser als in der ersten Halbzeit.

Wieder bekrabbelt ab der 70.

Es dauerte dann bis zur 70. Minute bis sich die Jungs von Trainer Funkel wieder bekrabbelten und sich an das erinnerten, was ihre Stärken sind. Nun klappte es wieder mit der Balleroberung, das Mittelfeld hatte Ideen, es entstanden, nun ja, nennen wir es „Chancen“. Hätte doch wenigstens der gewaltige Fernhammer von Alfredo Morales in der 71. Minute gepasst! Könnte gut sein, dass der Knoten geplatzt wäre und die glorreiche Diva noch einen oder sogar drei Punkte hätte abrechnen können. Oder das tolle Tor von Marcin Kaminski in der 80., das schon von vielen Zuschauern bejubelt wurde, dann aber völlig zu Recht wegen Abseitses nicht anerkannt wurde. In diesen letzten 20 Minuten war die Fortuna wieder die stärkere Mannschaft auf dem Platz – aber auch nach dem All-in Sachen Offensive mit den eingewechselten Marvin Ducksch und Taka Usami um die 65. Minute herum wurde F95 nicht wirklich torgefährlicher.

Kommen wir zu den einzelnen Spielern (die wir nach diesem insgesamt guten Spiel nicht mehr so hart kritisieren wollen wie in der vergangenen Woche) und beginnen wir mit der Abwehrreihe, deren Formation erst auf dem Platz sichtbar wurde, sodass einige Angebote im Internet ihre Aufstellungsgrafiken nach dem Spiel der gesehenen Realität anpassen mussten. Marcin Kaminski, der mit jedem Spiel wertvoller wird, Kaan Ayhan und Adam Bodzek bildeten die Dreierkette, die mit Nico Gießelmann und Jean Zimmer als Außenverteidigern zur Fünferkette wurde. Dass Ayhan wieder eine starke Partie bot, war zu erwarten; bei Bodzek bleib der Eindruck zwiespältig. Offensichtlich fühlt sich der Ersatzkäpt’n in der Zentrale wohl, aber im Vergleich zu den beiden Kollegen fällt er in Sachen Laufleistung und Zweikampf doch sehr ab; außerdem unterlief ihm erneut ein schwerer Fehler, der letztlich zu einem Gegentor führte.

Was die beiden Außen angeht, war das Spiel ein Spiegel der Partie gegen Leverkusen: Gießelmann war viel öfter und viel intensiver defensiv gefordert als Zimmer, der erneut enorm viel lief, enorm viel arbeitet und immer wieder Flanken schlug. Seinen direkten Gegenspieler hatte er zudem jederzeit im Griff. Das Trio aus Marcel Sobottka, Alfredo Morales und Matthias Zimmermann im Mittelfeld funktionierte über weite Strecken ebenfalls ordentlich, wobei Sobottka defensiv ein paar Mal danebenlag und es auch sein Mann war, der das 0:2 schoss. Was nominell wie eine Doppelspitze aussah, war eigentlich ein offensives Mittelfeld, denn weder Rouwen Hennings noch Benito Raman ging je in die Spitze. Dass Hennings das nicht tut, wird langsam zum Problem, denn wer soll die Tore schießen, wenn niemand Spitze spielt? Als Marvin Ducksch für Bodzek kam, änderte sich wenig; nun waren es drei offensive Mittelfeldmänner, weil auch der designierte Knipser sich nicht in die Spitze begab, ja, sogar zum Spiel mit ein paar netten Pässen beitrug, aber nicht mit Torschüssen. Nur der ebenfalls eingewechselte Usami bemühte sich ein paar, Position im Sechzehner zu beziehen, traute sich aber in aussichtsreicher Position einen Fernschuss nicht zu.

Der Angriff ist die Schwachstelle

Die Abwehr stellt kein Problem dar, das Mittelfeld eigentlich auch nicht; der Angriff ist die Schwachstelle. Und damit beginnt, was im Kreise der Tausend selbsternannten Fortuna-Trainer in solchen Situationen Ritual ist: Man fordert Spielerkäufe und macht auch gleich Vorschläge. Da fordert einer, sich doch mal mit Modeste, der einst beim Äff-Zeh kickte zu befassen, das sei doch ein Knipser. Dass die aufgerufenen 16 Mio Euro ungefähr dem Wert des gesamten Restkaders entspricht, übersieht der Kollege. Gern genannt wird auch der alte Alex Meier, der Ex-Frankfurter, der ja mal erfolgreicher Torschütze war und aktuell vereinslos ist. Die Liste wird stündlich länger: Jeder Stürmer, der überhaupt zu haben (und nicht bei 3 auf dem Baum) ist, wird genannt, ganz gleich, wie alt, wie verletzungsanfällig, wie teuer oder wie schwierig. Apropos schwierig: Dodi Lukebakio kam zu später zur Mannschaftssitzung und flog aus dem Kader. Viel Zeit darf und kann man der Leihe vom FC Watford nicht geben, zu lernen sich wie ein Profi aufzuführen, sonst waren die (relativ moderaten) Gebühren schnell für die Katz.

Natürlich wünscht sich fast jeder echte Fan der Fortuna, dass solche personellen Schwächen behoben werden könnte. Und wer bisschen schärfer hinschaut, darf sich fragen, was möglich wäre, wenn ein guter Trainer wie Friedhelm Funkel solche Talente in die Finger bekäme, mit dem der Kader von S04 gespickt ist. Der hochgelobte Schalke-Trainer macht aus der Qualität seiner Spieler aktuell jeden falls erschreckend wenig und kann von Glück reden, dass seine Mannschaft gestern in Düsseldorf gewonnen hat.

Greatest Show on Earth

Und trotzdem: Dieser Nachmittag wird jedem, der den Fußball jenseits aller Geschäftemacherei liebt, im Gedächtnis bleiben. Nicht nur wegen der grandiosen Choreo der Ultras, die tatsächlich das halbe Stadion einbezog, sondern auch, weil es sich um ein wahres, ewiges Traditionsspiel handelt. Wenn heutzutage die Begegnung dieses Äff-Zehs mit der Werkself von gegenüber zum Derby hochgejazzt wird, können Fans von S04 und der glorreichen Fortuna nur milde grinsen, wurde der Club des Domdorfs dich erst 15 Jahre nach dem grandiosen Endspiel zwischen Schalke und F95 überhaupt durch Zwangsfusion gegründet. Nach dem 0:2 gewannen auch die sicher 8.000 Zuschauer, die zu den Gelsenkirchenern standen, lautstärketechnisch die Oberhand – aber auch das trug zu einer tollen Stimmung in der ausverkauften Arena bei. Unschön dagegen, dass es Anhängern gegnerischer Vereine immer wie gelingt, sich auf die Süd zu schmuggeln, wo sie dann frech in ihren hässlichen Vereinsklamotten rumlungern. Immerhin hatte UD wenigstens ihren und die angrenzenden Blöcke von solch respektlosen Typen gereinigt.

Die Choreo war nicht nur groß, sondern wieder ein Beispiel für die Kreativität der Ultras, die absolut erstligatauglich ist. Das Motto lautet „Greatest Show on Earth“, und Capo Marvin dirigierte die Show im Kostüm eines Zirkusdirektors. Zu sehen waren Fortuna-Helden, DFB-Pokal, Meisterschale und typisch Düsseldorferische Versatzstücke; auf der Seite von UD wird man in Kürze jede Menge Fotos und Videoclips der Aktion finden. Fast alle Zuschauer auf der Süd warfen ihre Bierbecher deshalb gern in die Sammelsäcke der Ultras, die vom so eingenommenen Pfand immer wieder solch großartigen Choreos finanzieren.

Nur Team kann Talent schlagen

Ob der aktuelle Kader des TSV Fortuna Düsseldorf 1895 a la longue auf ähnlichem Niveau zu agieren vermag, kann nach den drei Niederlagen in Folge ohne größere Gemütsaufwallung bezweifelt werden. Dazu muss man sich nicht einmal mit einzelnen Spielern befassen – Akteure mit einem Talent wie dieser Bentaleb von S04 hat F95 einfach nicht. Der TD-Bericht zum Spiel gegen Hoffenheim trug die Überschrift „Team schlägt Talent“, und so wird es für den Rest der Saison bleiben. Wobei spätestens seit gestern deutlich wird: Es müssen endlich Tore geschossen werden! und Konzentrationspausen dürfen nicht sein! Weil in Sachen Spielertalente und -qualitäten offensichtlich ALLE anderen Teams der Liga der Fortuna überlegen sind, müssen Leistungen wie gegen Leipzig und Hoffenheim wieder und wieder reproduziert werden – sonst wird das nix mit dem Klassenerhalt.

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