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Bremen vs F95 3:1 – Das lustige Fehlerquotenspiel

Ach, wie oft stand es schon hier: Fußball ist ein Fehlervermeidungssport. Wer mehr Fehler macht, verliert das Spiel. Die glorreiche Fortuna hat das Spiel gestern Abend im Weserstadion vor allem verloren, weil Mannschaft und auch Trainer-Team zu viele Fehler gemacht haben – zu den Fehlern der Coaches kommen wir später und fragen uns: Welche Fehler machen Spieler überhaupt, und wie entstehen sie? Am schlimmsten ist es ja beim Tormann: Macht der Fehler, hagelt’s Buden. Am zweitschlimmsten ist es in der Defensive, weil Fehler zu Chancen für den Gegner führen. Und wenn es im Mittelfeld zu Fehlern kommt, kriegen die Stürmer nix zum Verwerten. Fehler der Offensive sorgen für vergebene Chancen. So einfach ist das, und so einfach lässt sich die verdiente Niederlage des F95-Teams gegen Bremen erklären.

Drei Portionen Hoffnung

So etwas wie Hoffnung auf mehr als eine Niederlage gab es insgesamt nur dreimal. Da war dieser stramme Schuss von Taka Usami in der 32. Minute – eigentlich genau sein Ding, eigentlich genau nach dem Muster, nach dem er seine Tore für die Fortuna gemacht hat. Da stand es bereits 1:0 für Bremen, eine feine Hütte nach einer klasse Kombination mit prächtigem Abschluss. Wobei solche Situationen ja überhaupt nur dann gutgehen, wenn die Defensive es zulässt. Matthias Zimmermann lässt sich mit einer eigentlich durchschaubaren Körpertäuschung nass machen, Marcin Kaminski hat seinen Mann verloren, und der hämmert die Pille am machtlosen Michael Rensing in die Maschen.

Ob die Führung für die Heimtruppe gerecht war, konnte man in dieser 20. Minute noch vielseitig diskutieren. Denn bis dahin stand die fortunistische Hintermannschaft prima, und im Mittelfeld wurde viele Zweikämpfe gewonnen. Es roch ein bisschen nach Bayern, wären nicht schon da die vielen Abspielfehler gewesen. Womit wir wieder bei den Fehlern wären. Die haben viele Gründe, zum Beispiel technische Mängel. Bälle gehen verloren, wenn ein Spieler Probleme mit der Ballannahme hat, die Pille zu weit wegspringt und er keine Kontrolle über das Spielgerät bekommt – dies ist in aller Regel auf einen Mangel an Talent zurückzuführen. Und passierte gestern etwa einem Drittel der F95-Mannschaft.

Wildes Armrudern und ein Elfer

Zum zweiten Male glomm ein Hoffnungskerzlein dann in der 43. Minute auf. Irgendein dieser Bremer hatte nach einer Flanke in seinen Sechzehner wild mit den Armen gerudert und das Ei dabei berührt. Nach der aktuell extrem merkwürdig ausgelegten Regel musste das als absichtliches Handspiel gewertet werden. Der ansonsten sehr gute Schiri hatte aber zuvor ein Düsseldorfer Foul am Handspieler gesehen und musste sich von den Jungs im Kölner Keller eines Besseren belehren lassen. Also gab’s einen Elfer, den Dodi Lukebakio ziemlich humorlos versenkte. So stand es zur Halbzeit 1:1.

Aber das grundsätzliche Problem mit der Aufstellung und der taktischen Formation war gerade in den letzten Minuten vor der Pause mehr als offensichtlich geworden: Nimmt der Gegner Dodi aus dem Spiel, geht nach vorne nichts mehr, gar nichts, Nullkommanull. Außerdem wirkt die Spielweise des belgischen Schlakses langsam albern. Geht immer nach dem Muster: Ich krieg den Ball, zwei oder drei Gegner um mich herum, die trickse ich aus, und dann lauf ich weit, und dann wird mir schon irgendwas einfallen. Das ist einfallslos und völlig wirkungsfrei. Passiert aber auch nur, wenn die Trainer den guten Dodi als einzige Spitze aufbieten. Das hat ja auch überhaupt nur einmal funktioniert, nämlich beim “historischen” 3:3 in München.

Fehlpässe sind saublöd

Der blödeste aller Fehler ist der Fehlpass, weil er dazu führt, dass der Gegner die Pille kriegt und weitermachen kann. Die gestrige Quote von 20 Prozent Fehlpässen ist geradezu grotesk hoch. Wie kommt es überhaupt zu solchen nicht angekommenen Bällen? Die eine Ursache ist mangelhafte Ballbeherrschung, wieder etwas, das mit den grundsätzlichen Möglichkeiten eines Spielers zusammenhängt, aber auch mit der Konzentration. Du siehst den Kollegen, zu dem du passen willst, du berechnest seinen Laufweg und befiehlst dann deinem Fuß, das Ei exakt so zu treffen und zu beschleunigen, dass der Kollege den Ball dann auch kriegt. Das erfordert maximal Konzentration. Und an der mangelt es gut einem Drittel des F95-Teams zumindest zeitweise (Das war schon in den Spielen gegen Augsburg, Leverkusen, Schalke und Mainz so).

Zum dritten und letzten Mal konnte man als Anhänger des glorreichen deutschen Fußballmeisters von 1933 noch einen Schimmer am Horizont erkennen, als der für Usami eingewechselte Rouwen Hennings in der 58. Minute ein Nürnberg reloaded versuchte, also einen gezirkelten Schuss aus mehr als 20 Metern Entfernung, der dann auch nur um Zentimeter am Giebel der langen Ecke vorbei flog. Da stand es noch 1:1, und die Bremer hatten nach ein paar taktischen Umstellung gerade keinen Kopf für die Arbeit gegen den Ball. Denn ab diesem Zeitpunkt spielten die Fischköppe mit drei Spitzen.

Auch Trainer machen Fehler

Und dann machte das Trainer-Team um Friedhelm Funkel den spielentscheidenden Fehler: Aus dem bis dahin halbwegs stabilen 4-1-4-1 wurde ein System mit Fünferkette und praktisch ohne Spitze, weil Hennings nun auf dem nassen Rasen anwesend war und – wie immer in dieser Saison – partout nicht Spitze spielen wollte oder konnte. Zwar wurden dadurch die Räume für den Gegner eng, aber das glichen sie durch verstärktes Flügelspiel aus. Dadurch wuchs der Druck auf die Dreier- bzw. Fünferkette kontinuierlich an, was eben wieder zu Fehlern führte.

Der am wenigsten spektakuläre Fehler ist der des schlechten Stellungsspiels. Eigentlich muss jeder Spieler jederzeit genau wissen, wo er zu stehen und wohin er zu laufen hat. Im Defensivbereich gibt es Zuordnungen, also von einem Verteidiger zu einem Stürmer (Manndeckung) oder von einem Verteidiger zu einem bestimmten Raum – das Ganze ist natürlich hochdynamisch, und es auf die Kette zu kriegen verlangt nach a) högschder Konzentration und b) nach Schnelligkeit im Denken, Handeln und Laufen. Letzteres hat ein Kicker grundsätzlich oder grundsätzlich nicht. Und wenn er es nicht hat, macht er es den gegnerischen Angreifern leichter.

Von da an ging’s bergab

Womit wir beim 2:1 für die grünen Männchen vom Wiesenhof sind. In der 71. will Kaminski eine Flanke weghauen, trifft die Pille nicht richtig, sie landet bei einem dieser Bremer Spieler, der aus ungefähr 18 Metern scharf abzieht. Den Strich kann Michael Rensing abwehren, allerdings platt nach vorne, wo einer von denen rumhampelt und das Ding in die Bude kloppt. Um es klar zu sagen: Wirklich gefährlich war die Spielsituation nicht, sie wurde es erst durch den technischen Fehler von Kaminski – und das Tor geht aufs Konto unseres Keepers.

Und von da an ging’s nur noch bergab. Sieben Minuten später reagiert der liebe Robin Bormuth erneut zu langsam, es entsteht Tumult direkt vor Rensing, ein Bremer kommt zwischen gefühlten zehn Fortunen mit der Fußspitze an den Ball, der sich Richtung langes Ecke bewegt, wo niemand steht, und ein anderer Werderaner vollstreck aus wenigen Zentimetern Entfernung. Übrigens: Auch in dieser Situation hätte ein Torhüter auf der Höhe seines Schaffens den Treffer verhindert.

Gab’s auch was Positives?

Ja, und wo bleibt das Positive? Wird schwer… Am ehesten kann man die Leistung von Kevin Stöger herausheben, der anscheinend langsam in diesem Kader ankommt. Er war enorm fleißig und beweglich, rannte die meisten F95-Kilometer, spielte die meisten Pässe mit der allergeringsten Fehlerquote. Man kann auch sagen: Stöger machte die mit Abstand wenigsten Fehler. Man traut es sich kaum zu schreiben, aber die beiden Oldies, also Käpt’n Fink und Adam Bodzek (beide enorm laufstark und einsatzfreudig), sind ganz offensichtlich am Rande ihrer fußballerischen Möglichkeiten. Das gilt leider für die deutlich jüngeren Nico Gießelmann und Jean Zimmer – letzterer fast ein Totalausfall – im selben Maße.

Matthias Zimmermann ist deutlich begabter als viele seiner Kollegen, zeigt es auch manchmal, hat aber seinen Platz in den Funkel’schen Systemen noch nicht gefunden. Zu Bormuth muss man sagen – und kann es auch mit den Statistiken belegen -, dass ihm die Grundschnelligkeit fehlt und es manchmal auch am Überblick mangelt. Und damit haben wir die Startaufstellung so weit durch. Eingewechselt wurden neben Hennings auch Benito Raman und Alfredo Morales. Wie beim Heimspiel gegen Mainz zeigte sich der flitzige Belgier wieder merkwürdig gehemmt, während Morales reinkam und sofort seine Rolle als Krieger auf dem Platz annahm.

Realistische Kritik statt Trainer- und Spieler-Bashing

Das alles mag sich nach heftiger Kritik an Spielern und Trainern anhören, ist aber einfach nur realistisch. Im Gegenteil: Trainerfuchs Funkel muss man immer noch hoch loben, weil er über alle Partien gerechnet, das Optimum aus dem Kader herausholt, meistens taktisch richtig liegt und einige Spieler wirklich besser gemacht hat. Wer nun “Funkel raus” aus der Sprech- oder Schreiböffnung bläht, ist einfach nur doof. Auch wer einzelne Spieler disst (was ja in diesen sogenannten “sozialen” Medien mit einer Härte geschieht, dass man über den mangelnden Anstand und Respekt immer wieder erschrickt), erweist sich als Blödkopp. Denn wenn man dem Gesamtkunstwerk Fortuna 2018/19 eines nicht vorwerfen kann, dann dass nicht alle jederzeit ihr Bestes geben und alles versuchen, Erfolge einzufahren.

Schwierig wird es zunehmend mit der offensiven Konstellation, weil Dodi als einzige Spitze nicht mehr funktionieren wird – die anderen Spielleiter haben doch alle das Bayern-Spiel gesehen und wissen: Wenn wir den ausschalten, ist Fortuna vorne hilflos. Deshalb sollte man dem Jungspund wirklich mal ein, zwei Spiele Pause gönnen. Hennings ist für Gegner noch leichter auszurechnen und auszuschalten; wie wär’s, den guten Rouwen mal neben Stöger ins Mittefeld zu stellen? Könnte für Kontrahenten überraschend wirken. Raman ist kein “Joker”; er muss entweder von Anfang ran oder gar nicht. Die Nummer mit Bodzek als “Libero” zwischen Viererkette und Mittelfeld ist ebenfalls durch, außerdem bringt es den ollen Adam immer wieder an seine Konditionsgrenzen. Wenn einer der beiden anderen Keeper, also an erster Stelle Raphael Wolf, aber auch Tim Wiesner, fit wird, müsste auch Rensing mal eine Auszeit nehmen. Ähnliches gilt auch für Gießelmann und Zimmer, die so wirken wie ihre eigenen Klischees und einfach zu oft einen schlechten Tag ziehen.

Mehr Konzentration, weniger Fehler

Überhaupt sollten Friedhelm Funkel, Thomas Kleine und Axel Bellinghausen vielleicht doch öfter das Risiko eingehen, mit einem der anderen Kadermitglieder zu starten, besonders natürlich, wenn Aymen Barkok, Kaan Ayhan, Andre Hofmann und Marcel Sobottka wieder ganz fit sind. Unbedingt mehr Spielpraxis braucht Kenan Karaman, der in den wenigen Einsatzminuten deutlich mehr Torschützenpotenzial bewiesen hat als Marvin Ducksch.

Glänzte der Fortuna-Kosmos nach dem Sieg gegen die Hertha und das “historische” Unentschieden in München, sieht die F95-Welt nach der blöden Niederlage gegen Mainz und nach dem klaren Verlust in Bremen wieder mausgrau aus, herbstlich, eben. Und trotzdem sollte man die erste Liga nicht abschreiben. Nicht nur, weil es ja noch so viele Spiele sind, sondern vor allem, weil dieses Team bereits bewiesen hat, wozu es in der Lage ist, wenn die Konzentration über 90 Minuten hoch und die Fehlerquote niedrig ist.

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