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F95 vs Nürnberg 2:1 – Sich einmal fühlen wie die Bayern…

Ja, so muss es sich in den vergangenen Jahren oftmals für den FC Bayern München angefühlt haben. Dass da ein deutlich unterlegener Gegner mit Mann und Maus und Herz und Mut verteidigt, dabei dicht an dicht um den Sechzehner herumrennt und es einfach keine Lücken gibt. Da muss man dann als fußballerisch deutlich überlegenes Team, zumal in Überzahl, sehr, sehr geduldig sein. Passend zum Feeling war Lothar Matthäus als Sky-Experte vor Ort, der Mann, der sein unbestritten großes Wissen um den Fußball unter einem prallvollen Füllhorn an Phrasen und Floskeln zu verstecken weiß. Mit dem musste Kaan Ayhan nach Spielschluss labern – bis den Fans der Geduldsfaden riss und sie lautstark den Abbruch des Interviews forderten. Was blieb dem guten Kaan übrig, als Lodda Lodda sein zu lassen, zu seinen Kollegen zu traben, um dann das Laut-Leise-Lied anzustimmen?

Da lag das bislang schwerste Heimspiel der Saison hinter den roten Jungs, ein enorm wichtiges zumal, weil es eben gegen einen potenziellen Mitbewerber um den Nichtabstieg ging, der zuvor gegen Dortmund ein torloses Unentschieden geholt hatte. Okay, den BVB haben die Fortunen bekanntlich geschlagen. Aber auch sonst war das F95-Team so dermaßen klarer Favorit, dass die diversen Sportwettenverführer Quoten auf einen Sieg boten wie bei – sammerma – dem FCB gegen Hannover. Nun ist diese Rolle für den Haufen vom Funkel nicht nur ungewohnt. Nein, es liegt der Fortuna des Jahrgangs 18/19 nicht wirklich, das Spiel machen zu müssen. Was das Trainergespann zu einer unglaublich frechen Startaufstellung inklusive taktischem System ermutigte: Nennen wir es der Einfachheit halber 4-2-4. Richtig gelesen: Die Mannschaft trat mit VIER waschechten Stürmern an!

23 Außenverteidigerflanken!

Natürlich waren die nicht als Kette platziert. In der Spitze wechselten sich Kenan Karaman und der Startneuling Dawid Kownacki ab, als Flügelstürmer fungierten recht Dodi Lukebakio und links Benito Raman. Auf der Doppelsechs war die Aufgabenteilung klar: Während Spielmacher Kevin Stöger extrem weit vorn agierte, tat Alfredo Morales als eine Art Bodzek-Doppelgänger Defensivdienst, ja, rückte bisweilen in die Innenverteidigung, weil nämlich die nominellen Außenverteidiger Niko Gießelmann und Matthias Zimmermann die meiste Zeit als weitere Stürmer arbeiteten. Man muss sich mal vorstellen, dass der rechte AV Zimmermann 17 (in Worten: siebzehn) Flanken schlug. Hinzu kommen die sechs Flanken von Gießelmann – das sind schier unglaubliche Werte.

Sie beschreiben das Spiel und auch die Schwäche des taktischen Ansatzes ganz gut. Kamen die Flanken hoch, hatten die großen Nürnberger wenig Mühe die Pille wegzuköpfen. Kamen sie flach, waren im Club-Sechzehner mehr Beine als in einem durchschnittlichen XXX. Da standen dann nämlich in der Regel acht Gegner (plus Keeper) und vier Düsseldorfer Stürmer plus Stöger und oft auch Kaan Ayhan. Es war auch genau das, was Friedhelm Funkel später kritisierte, dass zu oft dieser Weg gesucht wurde. Auch das fachkundige Publikum in den Blöcken 40 und 41 war sich in der Halbzeit einig: Andere Mittel müssten her.

Auf der Suche nach anderen Mitteln

So fiel beinahe allen auf, dass viel zu selten aus der zweiten Reihe geschossen wurde und dass im gegnerischen Strafraum viel zu oft versucht wurde das Ei in die Hütte zu kombinieren anstatt mal beherzt draufzuhauen. Letzteres ist ganz offensichtlich Kownackis Sache nicht, was Funkel dazu bewog, ihn ab etwa der 30. Minute aus der Spitze etwas weiter nach hinten zu beordern. Außerdem tauschten Dodi und Raman mal eben die Seiten. Weil aber auch Karaman nicht den entschlossensten Tag hatte, blieb alles wie es zuvor schon war: torlos.

Dabei hatte die Partie mit einem Slapstick begonnen. Bei seinem ersten Duell mit dem einen kleinen Südamerikaner bei den Nürnbergern war Gießelmann ausgesprochen und sicher gelbwürdig zu Werke gegangen, was dem Club-Stöpsel das Blut kochen ließ, sodass er dem guten Niko bei nächster Gelegenheit in die Eier haute, was wiederum unsere Bibi in den Kölner Katakomben gesehen hatte. Denn der über alles gerechnet sehr überzeugende Schiri Stegemann hatte das eigentliche Spiel verfolgt und nicht auf die Genitalien irgendwelcher Kicker geachtet. Man beorderte ihn zum Fernseher, wo er die Sache so glasklar sah wie abends dann Millionen TV-Zuschauer und auf Tätlichkeit samt roter Karte entschied.

Platzverweis egal

In der Rückschau hatte der Platzverweis so gut wie keinen Einfluss auf die Partie, denn die Glubberer wären mit elf Stück Personal auch nicht anders aufgetreten als zu zehnt. Beim Versuch, seinen Untertanen das kommende System nahezubringen, verknotete sich der FCN-Aushilfstrainer (den Namen muss man sich nicht merken – ist auch bloß wieder so ein bekennender Kölner…) die Finger, um schließlich ein 7-1-1 anzuordnen, das im Verteidigungsfall zu einem 9-0-0 wurde. Ehrlich gesagt, hätte die Fortuna im vergleichbaren Fall auch nicht anders gemacht. Und so wie F95 diese Saison so oft für Mut und Willen gelobt wurde, so muss man auch die armen Nürnberger Würstchen mal dafür loben, dass sie über 90 Minuten kein bisschen in Konzentration und Leistungsbereitschaft nachgelassen haben.

Um mal etwas aus der Worthülsenfabrik zu benutzen: Wer die Dinger vorne nicht macht… Geschenkt. Tatsächlich gelang dem kommenden Absteiger in der 41. Minuten mit dem zweiten Torschuss überhaupt ein Treffer. Punkt. Kann passieren, niemand wirklich schuld daran – schon gar nicht der strahlend gelbe Jaroslav Drobny, den selbst erfahrene Schreibkollegen in ihrer Vorspielkolumne ein „schlechtes Omen“ nennen. Wir möchte an dieser Stelle unsere unverbrüchliche Unterstützung für diesen erfahrenen und erfolgreichen Torhüter erneuern, dem inzwischen Torwartfehler angehängt werden, die nur böswillige Menschen so nennen würden.

Überraschender Doppelwechsel

Die Frage ist ja auch: Ist es Unvermögen oder Pech, wenn praktisch jeder scharfe Ball von außerhalb des Strafraums von fremden oder eigenen Spielern geblockt wird? Denn so richtig doofe Fehlschüsse gab es seitens der Herren in den roten Hemden und Hosen nicht. So rätselten die Menschen auf den Rängen, so sie zu F95 hielten, darüber, was man ändern könnte. Außer der Aufforderung, doch mal mehr Fernschüsse abzusetzen, wurde auch vorgeschlagen, einfach zentral vor und im Strafraum das Foul zu suchen – im ganzen Spiel gab es für die Fortuna überhaupt nur einen halbwegs vielversprechenden Freistoß.

Wie klug Funkel, Kleine und Bellinghausen sind, beweist der völlig überraschende Doppelwechsel in der 62. Minute. Für Karaman und Kownacki kamen Hennings und Ducksch. Gleichzeitig sagt dieser Tausch enorm viel über die Struktur im aktuellen Fortuna-Kader aus: Wir haben vier völlig verschiedene Sturmspitzen am Start, die beinahe beliebig miteinander kombiniert werden können. Dass nur 30 Sekunden nach dem Wechsel der Ausgleich viel, hatte mit dem Wechsel mehr zu tun als auf den ersten Blick zu erkennen war. Gerade die arme Nürnberg-Socke, die mit einem blitzsauberen Eigentor auf 1:1 stellte, war nämlich gefordert, sich einem der beiden neu ins Spiel gekommenen Stürmer anzunehmen – und war offensichtlich ein wenig verwirrt.

Traumfreistoß, tolles Tor

Jedenfalls änderte das Tor den Geschmack der Partie einigermaßen. Natürlich machten die Nürnberger jetzt ein bisschen mehr auf und brachten umgehend ihren gefährlichsten Torschützen, der auch gleich dahin ging, wo ein Knipser hingehört. Aber im Gegensatz zur Club-Defensive ließen sich die Innenverteidiger plus Morales davon nicht beirren. Apropos: Haben wir schon von Marcin Kaminski gesprochen? Nein, und das liegt daran, dass der ein unglaublich sachlicher Fußballer ist, der seinen Job mit Konzentration und Übersicht erledigt. Das gibt seinem Nebenmann Ayhan immer wieder die Gelegenheit vorne ein bisschen mitzumischen. Das ist wertvoll.

Fast 70 Minuten lang hatte die Nürnberger Mannschaft mit einer Fünfer- und eine dicht davorstehenden Viererkette auf Höhe des Sechzehners verteidigt – mit den geschilderten Auswirkungen. Nun lösten sich zwei Figuren aus dem Verbund, um immer mal nach Konterchancen Ausschau zu halten, von denen es tatsächlich ansatzweise drei, vier gab. Aber in solchen Fällen war dann vor allem Alfredo Morales immer zur Stelle. Je mehr Platz rund um den Strafraum des Gegners entstand, desto gefährlicher wurden die Aktionen der Fortunen, und das wunderbare Tor durch Kaan Ayhan nach einem als scharfen Pass getretenen Freistoß von Kevin Stöger war eine direkte Folge der veränderten Situation.

Mehr Punkte für den Nichtabstieg

Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Gerade in der ersten Halbzeit glänzte vor allem ein Club-Mitarbeiter: Was der Tormann von denen raushaute und entschärfte, war wirklich allererste Sahne. Mit einem anderen Keeper hätte es zur Pause vielleicht schon 3:0 gestanden. An dem perfekten Kopfball, der zum Siegtreffer führte, konnte der nichts machen.

Mit ein bisschen Phantasie konnte man als Freund der glorreichen Fortuna nachvollziehen, warum es bei den Bayern-Heimspielen keine Stimmung gibt. Wenn das eigene Team so zäh arbeiten muss, um einen Betongegner schlagen zu können, kommt einfach keine Euphorie auf. Die F95-Anhänger hatten sich die jedenfalls für nach dem Spiel aufgehoben. Und der gute Kaan musste den Vorsänger geben, zum ersten Mal seit er unser Logo über dem Herzen trägt. Das überwiegende Gefühl bei den Fans war Erleichterung. Jedem war bewusst, wie wichtig diese Partie für den weiteren Verlauf der Saison sein würde, und manche spekulierten vor und nach dem Spiel darüber, wie viele Punkte dieses Jahr wohl für den Nichtabstieg reichen würden. „Blödsinn,“ sagte einer, „nächste Woche hauen wir Scheiße 04 weg, und dann sind wir durch.“ Kann man so sehen.

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