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VW-Burg vs F95 5:2 – Marmor, Stein und Eisen brycht…

Am Abend vorher gab es bei einem dieser Privatversendern mit den höheren Nummern auf der Fernbedienung eines Diskussionsveranstaltung zum Thema Handspiel. Anwesende neben zwei Experten auch der allumfassende Urs „Schlussendlich“ Meier und dieser Felix Brych, promovierter Jurist und Bundesligaschiedsrichter. Der stand meist mit verkniffenem Gesicht da, das sich noch mehr verkniff, als man ihm zwei Spielszenen aus Partien unter Beteiligung der glorreichen Fortuna vorlegte: Das angebliche Handspiel von Kaan Ayhan in Gladbach und das nicht gegebene Handspiel des Frankfurters beim Heimspiel vergangene Woche. Ja, der Elfmeter gegen Fortuna bei BMG sei schon sehr hart gewesen, aber das Ding des Frankfurters, nein, das sei ganz anders gewesen. Und dieser Brych saß am Samstag im Kölner Kohlenkeller und verhalf dem VfL VW-Burg zum Ausgleich. Dass Friedhelm Funkel sich tierisch aufregte, ist mehr als verständlich: Sechs umstrittene Handspielsituationen gab es bei Partien mit F95-Beteiligung, und in allen Fällen wurde zuungunsten der Fortuna entschieden.

Wer war der Matchloser?

Es ist übrigens derselbe Brych vom 4:0 gegen Schalke, der sich von den Kellerkindern dazu überreden ließ, das 1:0 durch Dodi Lukebakio zurückzunehmen, und der von den Videoglotzern erst dazu überredet werden musste, den Handelfer gegen Schalke zu geben. Er ist der Mann, der gern Spiele entscheidet. Nun hat F95 in VW-Burg vermutlich nicht wegen Brych eine Klatsche kassiert, aber: Wir wissen ja, dass Spiele ganz anders ablaufen, wenn eine Mannschaft nicht den Ausgleich macht, sondern den zweiten Gegentreffer kassiert. Insofern hat vermutlich Rouwen Hennings das Spiel verloren, denn er hatte gleich zwei Möglichkeiten das 2:0 einzunetzen. Wie er auch in Halbzeit Zwo ein paar Chancen vergab.

Oder war doch Tormann Michael Rensing der Matchloser? Will man einer nicht kleinen Fraktion der besorgten Wutfans, die in den sozialen Medien ihren asozialen Trieben folgen und Spieler nicht nur beschimpfen, sondern auf eine Art beleidigen, dass sie draußen in der Echtwelt für derlei Sprüche mit einiger Sicherheit aufs Maul bekämen, glauben, dann war der gute Michael an mindestens sieben der fünf Treffer der VW-Millionarios schuld. Und verpissen soll er sich. Warum denn Theißen nicht…? Alles von schlechtem Alkohol geschwängert, frei von jeder Sachkenntnis und mit maximaler Wucht. Schaut man sich alle fünf Buden des Gegners einzeln, in Ruhe, nüchtern und mit eingeschaltetem Verstand an, kann man nur sagen: Joa, Tor Nr. 2 war schon ein Torwartfehler, aber sonst?

Waren die Trainer schuld?

Der Trainer in seiner kantigen Art verurteilte dagegen die Defensive mit Schwergewicht auf den Innenverteidigern. Mit der Vehemenz, in der er nach der Begegnung seine Jungs kritisierte, unterschied er sich nicht viel von den Web-Pöblern – und auch er lag nicht ganz richtig. Auch hier tut eine friedliche Analyse not. Den Ausgleich, der nie und nimmer hätte anerkannt werden dürfen, hat Dodi Lukebakio mit einem schlampigen Abspiel auf dem Gewissen – ganz allein. Den Führungstreffer der Gastgeber kann man am ehesten Matthias Zimmermann ankreiden, der die Flanke zuließe, aber auch Marcin Kaminski versagte durch sein in dieser Situation fast absurdes Stellungsspiel. Das 3:1 geht auf das Konto der Innenverteidigung, die den Torschützen völlig frei am Fünfmeterraum stehen lässt. Das 4:1 hat das Mittelfeld auf dem Gewissen, das einen Konter zulässt, der hinten nicht mehr zu verteidigen ist. Und über das letzte Tor muss man nicht mehr viel sagen, weil da kein Fortune mehr auch nur annähernd seine Defensivaufgaben ernstgenommen hat.

Es folgt eine steile These: Vielleicht war es aber das Trainer-Team, das letztlich die Verantwortung für diese nicht nur in der Höhe völlig unnötige Niederlage trägt. Was nämlich zwischen Viererkette und Dreiersturm nicht funktionierte, war schon nach einer Viertelstunde klar zu erkennen. So sehr Kevin Stöger sich um Kreativität bemühte, desto weniger funktionierte Ayman Barkok. Ja, es sah so aus, als ob der gute Ayman den Auftrag nicht verstanden hatte, den ihm die Coaches in die Hosentasche gesteckt hatten. Überall und nirgends irrlichterte er umher, war selten anspielbar und produzierte vorwiegend Fehlpässe (laut offizieller Statistik war Kaminski der zweite Kollege, dessen Bälle eher nicht ankamen). Das Zusammenspiel mit Stöger, auf dem der Spielplan aufbaute, funktionierte nicht. Vielleicht hatten sich Funkel, Kleine und Bellinghausen davon blenden lassen, dass ihre Jungs in Rot den Wolfsburgern bis fast zur Pause offensiv jederzeit überlegen waren. Die zweite Instanz im Mittelfeld, die dieses Mal Adam Bodzek, dessen Defensivarbeit weit unter dem von ihm gewohnten Niveau lag.

Ergo hätten die Wechsel viel, viel früher kommen müssen und nicht erst, nachdem die Hausherren drei Hütten in nicht einmal sechs Minuten gemacht hatten. Wobei man eben nicht sagen kann, die ausgewechselten trügen die Verantwortung für die Niederlage, sondern dass ihre Tagesverfassung die Mannschaft defensiv so destabilisierte, dass der nicht wirklich starke Gegner so schnell so brutal zuschlagen konnte. Nachdem Barkok in der 61. Minute für Kenan Karaman weichen musste, wurde Fortuna fast umgehend wieder stärker. Und mit dem leider erst in der 78. Minute eingewechselten Marcel Sobottka liefen die Angriffe wieder wie in den besseren Spielen der glorreichen Diva. Auch die Auswechslung von Dodi kam viel zu spät. Man ist es ja inzwischen gewohnt: Wenn es für ihn und/oder die Mannschaft nicht läuft, verliert der belgische Schlaks die Lust und dödelt irgendwie auf dem Platz herum. Vermutlich wird dieser Herr Lukebakio noch einige Jahre brauchen, bis er die nötige Reife für ernsthaften Fußball hat – wenn er überhaupt je so weit kommt.

Benito Raman wird immer besser

Das exakte Gegenteil stellt Benito Raman dar, der ja als schwierig galt als er zur Fortuna kam, aber (dank Väterchen Funkel) wirklich immer mehr heranreift. Mit einiger Sicherheit war Benito der beste Fortune auf dem VW-Platz gestern. Allerdings wurde auch wieder klar, dass die Kombi aus Hennings, Raman und Lukebakio nicht wirklich gut funktioniert. Irgendwie passen die Spielertypen nicht zusammen. Wenn jetzt die bereits erwähnten besorgten Wutfans massives Hennings-Bashing betreiben und behaupten, der habe nur Zweitliganiveau und der habe seinen Leistungszenit überschritten, dann zeigen sie damit auch wieder nur, dass sie zu differenzierter Beurteilung nicht in der Lage sind. Jedem müsste doch klar sein, dass der gute Rouwen einen ganz bestimmten Stürmertyp verkörpert wie kein anderer: den Wühler, der Platz für seine Mitstürmer schafft, also für Chancen sorgt. Ein Knipser war der nie. Und weil es so aussieht als sei Dawid Kownacki einer, passt der besser in die Offensive mit Raman und Lukebakio. Auch hier gilt: Bashing völlig unnötig.

Haben wir schon von Niko Gießelmann gesprochen? Nein, weil der als einziges Mitglied der Viererkette seine Arbeit sauber verrichtete und immer wieder versuchte, nach vorne was in Bewegung zu setzen, was ihm gerade in der ersten halben Stunde oft gelang. Es lag an ihm, dass die F95-Truppe bis zum Führungstreffer so stark wirkte und der Gegner immer wieder unter Druck geriet. Und dann der Zauberfreistoß von Kaan Ayhan! Wunderbar geschossen, prima gedreht, präzise gezielt. Aber ein Tor wurde das Ding auch nur, weil ausgerechnet die längsten Golfsburger in der Mauer nicht hochsprangen. Geschenkt, denn die Führung war zu diesem Zeitpunkt absolut verdient. Hätte, hätte… Hätte Kownacki die Chancen, die Hennings versiebte, verwandelt? Nach dem bisschen, was man von ihm im Dress mit dem F95 über dem Herzen gesehen hat, würde man mit Überzeugung sagen: Ja, hätte er. Und hätte er, wäre die Fortuna als Sieger vom Platz gegangen.

Videobeweis vom DFB vermurkst

Es sei denn, dem Brych im Keller sei noch was eingefallen. Das ist ja ein weiterer Punkt, weshalb der Videobeweis wie ihn der DFB meint installieren zu müssen, so völlig daneben ist: Die Burschen vor den Videoschirmen können sich hinter diesen prima verstecken. Während (siehe Gräfe in Augsburg) sich der Referee, der im wahren Leben auf dem realen Platz die Pfeife führt, sich mit lebenden Spielern, Trainern und Medienfuzzis auseinandersetzen muss, können Brych und Konsorten einfach die Verbindung kappen und sind fein raus. Ich wiederhole mich: Wenn VAR, dann nach dem Muster der US-Sportarten mit den Videoanalysten IM STADION, mit Ansage samt Begründung IM STADION und mit Einblenden der entscheidenden Bildern IM STADION. Diese ganze Sache ins Untergeschoss der Kölner Stadtarchivs zu verlegen, verhindert die Transparenz und führt den Videobeweis ad absurdum.

Und was macht diese zweite blöde und unnütze Niederlage nacheinander mit dem Team? Ärgern werden sie sich, aber keine Panik schieben. Was ein bisschen nachdenklich stimmte, war die verbreitete Emotionslosigkeit der rotweißen Kicker nach der Partie – vielleicht war es das, was Friedhelm Funkel so in Rage brachte, dass er von Überheblichkeit sprach. Sind sich die Burschen vielleicht schon zu sicher, mit dem Abstieg nichts mehr zu tun zu kriegen? Fühlen sie sich schon zu gut? Freuen sich diejenigen, die nun zu ihren Nationalmannschaften dürfen mehr darauf als auf das Derby gegen BMG? Es wäre ungerecht, den Spielern diese oder ähnliche Vorwürfe zu machen, wo sie doch selbst nach dem 4:1 bewiesen haben, dass sie in jeder Situation immer wieder kämpfen, kämpfen und spielen. Das, was verblödete Spochtrepochter gern „die Moral“ nennen, ist intakt. Und das wird es sein, was am Ende zählt.

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