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F95 vs Werder 4:1 – Im Stile einer Spitzenmannschaft

Als Kenan Karaman in der 22. Minute nach einem Bremer Fehlpass den Ball weit in der eigenen Hälfte übernahm und vorwärts stürmte, da strahlte der große Kerl mit der komischen Frisur das aus, was im (meistens selbstironisch gemeinten) Spruch „Wir sind Fortuna, wir können alles“ steckt. Keiner wird mich aufhalten, wird er gedacht haben. Und als er eine Position erreicht hatte, in der Spieler bei einem Konter das Ei querlegen, wird es ihm durch den Kopf gegangen sein: Scheiß was drauf, ich will dieses Tor! Was könnte typischer für diese wunderbare Erstligasaison der glorreichen Fortuna sein?

Die Anhänger der grünlichen Fischköppe mit dem Hühnchenkiller als Sponsor, die per U-Bahn zur Arena reisten, waren sich zu hundert Prozent sicher, dass ihre Pokalhelden vom Mittwoch gewinnen würden. Ja, einer redete gar von Kompensation für den Elferbetrug. Ob diese nördlichen Nasen das nach 48 Sekunden Spielzeit auch noch glaubten, ist nicht überliefert. Denn da stand es schon 1:0 für Rotweiß. Und zwar nach einem mustergültigen Angriffszug, bei dem Rouwen Hennings die Pille perfekt auf Benito Raman passte, der vom rechten Strafraumeck kam und in der langen Ecke einnetzte. Rouwen grinste wie nur Rouwen grinsen kann, und Benito wusste nicht, ob er Herzchen zeigen oder die Fäuste in den Himmel recken sollte.

Stichwort „Gladbach“

Im Block machte das Stichwort „Gladbach“ die Runde: Pass auf, sagte einer, geht so wie gegen die Ostholländer, nach ner Viertelstunden steht’s 3:0. So kam es dann doch nicht, obwohl Kaan Ayhan in der 25. Minute mit einem direkten Freistoß beinahe die nächste Bude gemacht hätte. Zu dem Zeitpunkt war mit den Bremern defensiv aber auch wenig los: Dieselben Spieler, die gegen den FCB noch so prima verteidigt hatten, imitierten kollektiv den Wiesenhof – und das nicht nur bei Karamans grandiosem Treffer, bei dem er sich über eine Strecke von 66 Metern mit insgesamt fünf Werderanern angelegt hatte.

Offensiv aber waren die Nordlichter durchgehend gefährlich, ohne dass bei ihren Bemühungen allzu klare Chancen entstanden. Da brauchte es schon einen zunächst umstrittenen Elfer. Ayhan war so ziemlich genau auf der rechten Ecke des Sechzehners an einen Bremer gegrätscht und hatte dessen Fuß dann doch erwischt und nicht den Ball. Der Schütze verlud Michael Rensing heftig und versenkte das Ding humorlos. Und trotzdem ging keine Angst vor dem Ausgleich durch die Reihen der Fortuna-Menschen im weiten Viereck der Mehrzweckarena. Denn eigentlich war bis zur Pause vor allem Fortuna am Drücker.

Beeindruckend, herrlich und überragend

Beeindruckend die präzisen Diagonalpässe, die das Spiel immer so breit machten, dass die Bremer anfingen zu schielen. Herrlich die Läufe und das Zusammenspiel von Markus Suttner und Dodi Lukebakio, überragend das kreative Ballverteilen des Kevin Stöger, wunderbar auch die Kooperation von Matthias Zimmermann und Benito Raman. Der hatte allerdings um die 25. Minute herum voll einen auf den Sack bekommen und litt offensichtlich unter Schmerzen an seinen Teilen. Und zwar an so starken, dass er in der 36. Minute runterging. Für ihn kam Aymen Barkok.

Apropos Suttner: Der war gestern auf links mindestens gleichwertig mit dem ewigen Niko Gießelmann. Vor allem stand der fröhliche Ösi eigentlich immer goldrichtig und beteiligte sich intensiv am allgemeinen Passspiel, wobei ihm dabei leider doch einige Nirvanabälle unterliefen, sodass seine Quote eher unschön blieb. Dafür aber hämmerte der gute Markus in der 75. Minute das Leder waffenscheinpflichtig in die Bremer Bude. Zuvor hatten sich gleich vier Fortunen daran versucht einzuhütten, aber erst ein missratener Klärungsversuch, der bei Suttner landete, führte zur Vollstreckung.

Über Dodi reden

Reden wir von Dodi, der sich nach dem Spiel in Mainz auch hier recht harsche Kritik hatte anhören müssen. Gestern hatten ihn Funkel & Konsorten wieder aus der Mitte genommen und nach links geholt. Und wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass dieser Watford-Belgier wie das liebe Wetter ist, dann lieferte die gestrige Partie diesen. Denn ganz im Gegensatz zur Begegnung vor einer Woche trat Dodi konzentriert an, erlaubte sich vielleicht zwei, drei bescheuerte Dribblings, fokussierte sich auf Balleroberung und nahm seine Defensivaufgaben hundertprozentig ernst. Der Trainer, der dieses Talent zu konstanter Konzentration bringt, wird der Macher eines bedeutenden Fußballers sein.

Kann sein, dass Funkel, Kleine und Bellinghausen ein neues System erfunden haben. Denn inzwischen tritt die Fortuna häufig mit einer Art Dreieck in der Innenverteidigung auf. Das hieß gestern konkret: Ayhan, der solide Andre Hoffmann und unser unermüdliche Adam Bodzek bilden dieses Dreieck, bei dem jeder der drei Akteure wechselweise eine der Spitzen darstellt. Am häufigsten wechselten dabei Hoffmann und Bodzek die Positionen, und wenn der Gegner langsam einen Angriff aufbaute, rückten die drei Kollegen auf eine Linie und bildeten mit den Außenverteidigern eine 5er-Kette. Der jeweils am weitesten vorne agierende Kicker gibt dann den Verbindungsmann zu Regisseur Stöger. Da kann man beim Beschreiben mit den Nummern – Sechser oder Achter – schonmal ins Schleudern kommen.

Das Rouwen-Spiel

Okay, Hennings spielte sein Spiel, also das Rouwen-Spiel, und das geht so: Du rennst vorne, aber nicht ganz vorne, immer hin und her, immer absichtlich dicht bei den Verteidigern, und hast immer den Ball im Auge, denn der könnte ja in deine Richtung gehen. Und wenn er das tut, dann sorgst du mit dem gesamten Körper dafür, dass du ihn kriegst und nicht der Gegner. Und wenn das Ei partout nicht in deine Richtung will, dann läufst du hin und her, sodass die Defensiven meinen, du würdest dich freilaufen. Weil du das aber gar nicht so oft tust, haben die irgendwann keinen Bock mehr und – schwupps – stehst du frei und machst die Bude. So ähnlich geschehen in der 56. Minute, nachdem Karaman wunderbar passgenau von rechts auf den Elferpunkt geflankt hatte, sodass unser Rouwen das Tor machen konnte.

Zuvor hatten die Bremer heftig am Ausgleich gearbeitet und einige erhebliche Chancen kreiert. Und an dieser Stelle muss man das Loblied auf Michael Rensing singen, den gern gescholtenen, oft unterschätzten Torhüter alter Schule, der von seinen Reflexen und seiner Erfahrung lebt. Wie der durch die Fünfmeterraum flog! Wie er dort faustete, da wegschlug und das Ding fing! Wie er seine Gräten in allerletzte Sekunde zwischen Ball und Linie brachte – das war ganz große Klasse. Und weil die werderanische Offensive gestern eindeutig der bessere Mannschaftsteil war, brachte erst das 4:1 Sicherheit – der Fisch war geschuppt, die drei Punkte in der Dose.

Kownacki und die Kita

Ganz übel traf es Barkok, der ja für Raman reingekommen war, aber bis zur Pause kein bisschen ins Spiel fand. Der prallte in der 52. Minute mit einem bremischen Holzkopf zusammen, zog sich eine Platzwunde zu und wurde umgehend in den Stadion-OP verfrachtet. Für ihn durfte dann Dawid Kownacki ran, der junge Vater, der momentan vor allem junger Vater ist und deshalb nur in zweiter Linie Profifußballer. Das merkte man ihm auch gestern an. Ja, er leitete den Angriff zum 4:1 ein, aber das war dann schon der einzige Pluspunkt auf seinem Konto. Der faltige Neusser aber hat einen ziemlich fetten Narren an dem freundlichen Polen gefressen und glaubt an ihn. Kann sein, dass Kownacki mal ein Großer wird – spätestens, wenn sein Spross in die Kita kommt.

Geradezu witzig war dann die Einwechslung von Niko Gießelmann für Dodi in der 71., denn es dauerte fast zehn Minute bis er und die anderen herausfanden, wo und was er spielen sollte. Tatsächlich war es das, was heute gern „positionsgenauer Wechsel“ genannt wird. Niko quasi als Dodi – interessanter Versuch, aber ohne weitere Bedeutung für das Spielgeschehen. Denn nach dem abschließenden Treffer merkte man den Bremern schon die lahmen Beine und müden Geister an, die sie sich im Betrugshalbfinale zugezogen hatten. Irgendwie trudelte die Partie deshalb auch aus, und die Feierlichkeiten nach dem Schlusspfiff fielen seitens der Süd merkwürdig unterkühlt aus.

Alles auf Anfang

Das mag daran gelegen haben, dass viele altgediente Fans des TSV Fortuna Düsseldorf 1895 darüber nachdachten, wie das Gesehen einzuordnen sei. Denn tatsächlich waren die Herren in Rot denn Fischköppen durchgehend überlegen, ja, sie traten bisweilen auf wie eine Bundesligaspitzenmannschaft, die noch um Plätze in den internationalen Wettbewerben mitspielt. Wann hatte man das zuletzt gesehen? War es in den mittleren Siebzigerjahren? War es in der Phase der Pokalsiege? Gab es ab ca. 1990 überhaupt noch jemals ein F95-Team, das so etwas abliefern konnte? Irgendwie ist es unheimlich, und die einzige Beruhigung könnte in der Erkenntnis liegen, dass dieser Kader in der kommenden Saison so nicht wieder zusammengestellt sein wird. Und das es heißen wird wie der Titel des wunderbaren Songs „Alles auf Anfang“. Der stammt bekanntlich von Wölli Rohde und den spielte DJ Opa zu Ehren des vor drei Jahren verstorbenen Ex-DTH-Drummers.

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