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F95 vs Frankfurt 1:1 – Ganz ohne Korsett


[Analyse und Kommentar] Während der Partie, besonders in den ersten knapp zwanzig Minuten, machte sich erstaunte Euphorie breit: Hey, hieß es, die spielen ja Fußball! Und später machte der Witz bei jedem schnellen Spielzug die Runde, das sei unter Funkel strikt verboten gewesen. Und auch von einer schallenden Ohrfeige für Friedhelm war die Rede. Aber dann kamen den berauschten Fans doch Zweifel: Hätte das Team mit Kevin Stöger von Beginn an und dem neuen, quirligen Valon Berisha nicht auch unter dem Graukopf aus Neuss so offensiv, aggressiv und kreativ gespielt? Mer weisset nit, und eine Diskussion darum ist purer Spekulatius.

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Schließlich hätte – und das war ja verbreitete Meinung unter den Amateurexperten – Funkel den guten Kevin schon gegen Bremen in die Startelf stecken können (um ihn bei Konditionsschwäche nach der 60. wieder rauszunehmen). Schließlich hätte er in diesem so derbe wichtigen Spiel gegen einen direkten Konkurrenten ja auch ohne Not nicht Erik Thommy rauslassen müssen. Und schließlich hätte er in der bewussten Partie auch mit Nana Ampomah beginnen können. Und sollte sich die Niederlage gegen die Fischköppe am Ende als der Genickbrecher im Abstiegskampf erweisen, dann wissen wir wenigstens, wer die Hauptschuld daran trägt. Übrigens hat sich FF mit seinem Auftritt im Aktuellen Sportstudio keinen wirklich großen Gefallen getan. So sehr er auf der einen Seite seine Verbundenheit mit der Fortuna vor sich her trägt wie eine Fahne, so sehr versucht er seinen persönlichen Anteil an der sportlichen Krise kleinzureden. Nein, kritikfähig wird der alte Mann nicht mehr, und in Sachen Selbstkritik war er noch nie gut.

Sie erstehen Fortuna nicht

Wo wir gerade dabei sind: Der mit enormen Vorschusslorbeeren in die Saison gegangene Sportvorstand Pfannenstiel hat sich mit seinem dümmlich-arroganten Interview in der RP endgültig aus den Herzen der Fans geschossen. Der versteht die Fortuna genau nullkommanull. Der weiß nichts über die Historie der vergangenen zwanzig Jahre. Im Gegensatz zu vielen anderen Clubs hat sich rund um F95 nämlich schon in den frühen Nullerjahren eine lebendige Online-Gemeinde (Stichwort: Difo) gebildet, in der nicht bloß gemeckert und (Wie sagt man heute?) gehatet wurde, sondern viele wichtige Debatten rund um die Fortuna geführt wurden. Ein Teil dieser traditionellen Diskussionskultur bildet sich inzwischen auf Facebook ab. Und auch wenn unter den dort Postenden einige Vollhorste ihr Unwesen treiben – die Anhänger des Vereins, der einen bezahlt, mal eben als “Keyboard Warriors” abzukanzeln, ist respektlos.

Kownacki sucht wen
Es ist ein uralter Hut, dass die Verantwortlichen der Fortuna (Wer auch immer das gerade mal ist…) unter mangelhafter Kommunikationsberatung leiden. In einem erfolgreichen Unternehmen wäre es nicht möglich, dass sich Vorstände mal eben so vor ein hingehaltenes Mikro klemmen, um abzusondern, was ihnen gerade so durch den Kopf geht. So betrachtet erweist sich unser neuer Chef-Coach schon als Profi, der ziemlich gekonnt mit der Medienmeute umgeht, auch wenn er als Resultat seiner langen Zeit außerhalb Deutschlands deutliche Wortfindungsschwierigkeiten zeigt – was man aber auch charmant finden kann. Weil Schurnalisten der Massenmedien ja immer auf der Suche nach ner knallenden Story sind, stürzten sie sich vor Spielbeginn auf den guten Herrn Rösler, und auch die Einladung von Denkmal Funkel ins ASS gehört in die Kategorie “Menscheln”.

Schöne Aufstellung, guter Spielplan

Tatsächlich war die Stimmung gegenüber dem Mann, der als Spieler so erfolgreich war und als Trainer doch noch eine Wundertüte ist, in der Fan-Gemeinde durchaus positiv. Immerhin muss man es als mutigen Schritt der Vorstände betrachten, dass sie nicht irgendeinen Neururer-Köstner-Slomka-Anfang geholt haben, sondern einen Mann ohne Bundesligaerfahrung. Ginge das schief, wären Pfannenstiel und Röttgermann schneller Geschichte als sie “Impulse setzen” sagen können. Kann aber sein, dass sie im Sommer – unabhängig vom Klassenerhalt – ohnehin weg sind, weil spätestens dann klar wird, wie wenig sie zu diesem besonderen Verein mit seiner besonderen Geschichte passen. Und dann kann Friedhelm Funkel wieder in neuer Funktion einsteigen. Eine Verschwörungstheorie sagt ohnehin, dass der “Rausschmiss” in Absprache mit dem Bärtigen erfolgte, der keinen Bock mehr hatte, für einen schwachen Kader den Buckel hinzuhalten und so seine Karriere als Absteiger zu beenden. Dafür spricht seine (im Vergleich zum Wintertheater 2019) ausgesprochen relaxte Reaktion auf die Demission.

Da isser
Jedenfalls führte sich Uwe Rösler bei den Fans mit einer Aufstellung (fast) nach Wunsch prima ein. Das sah bereits auf dem Papier äußerst offensiv aus, auch wenn nominell dann doch “nur” zweieinhalb Stürmer auf dem nassen Rasen herumturnten. Dass Valon Berisha gleich auflaufen würden, lag auf der Hand, wo der doch einst von Rösler persönlich entdeckt wurde. Übrigens ließ Herr Funkel verlauten, genau diesen Berisha habe er sich gewünscht. Aber mit Stöger und Berisha gleich zwei kreative Köpfe ins Mittelfeld zu stecken, sah nach Rösler-Style aus und war nicht funkel-like. Als dritter im Schaltkreisel durfte Alfredo Morales ran, der sich in der Kombination mit zwei Spielmachern sichtlich wohlfühlte.

Videobescheiß macht den Sport kaputt

Auch wenn’s das ehemalige Fachmagazin Kicker mal wieder nicht hinkriegte, das zum Start angeordnete System zu erkennen und darzustellen, war es ein astreines 4-3-2-1, wobei in der Zweierkette die Aufgaben an Erik Thommy (auf links) und Nana Ampomah (auf rechts) unterschiedlich verteilt waren. Während der flinke Nana einen echten Außenstürmer gab, hatte Rösler dem flotten Erik Narrenfreiheit eingeräumt, sodass der nicht immer an der Seitenlinie klebte, sondern öfters in die Mitte zog, um Platz für Berisha oder gar Markus Suttner auf außen zu machen. Apropos Ampomah: Bei dem war die Befreiung vom Funkel’schen Diktat am deutlichsten zu sehen; er rannte wie aufgezogen, tat und machte und erinnerte in seinen besten Momenten an Dodi – wobei ihm aber noch eine Menge fehlt: Zu oft lief er sich fest, zu oft sah er den freien Mitspieler nicht, zu oft fiel ihm in Strafraumnähe nichts ein.

Dä Prinz kütt
Immerhin erzielte der gute Nana in der 50. Minute sein erstes Bundesligator und verwandelte die mit 45.000 Personen besetzte Arena in ein Tollhaus. Das nach einem perfekten Querpass von Berisha in einer klassischen Kontersituation. Alles richtig gemacht, konnte man da nur sagen. Aber die Lemuren im kölschen Gewölbe waren kurz aufgewacht und hatten an der kalibrierten Linie herumgeschraubt, sodass sie endlich mal wieder einen Videobescheiß gegen die Fortuna aussprechen konnten. Ja, ja, die TV-Bilder belegen, dass der feine Fuß des feinen Ghanaers ungefähr einen Millimeter ins Abseits ragte. Es ist ja eine Binse, diesen ganzen VAR-Kram kacke zu finden, aber der inzwischen bundesweite Fan-Ruf “Ihr macht unseren Sport kaputt” ist berechtigt, zumal das Warten auf eine Entscheidung in der Video-Gruft für die Fans eine absolute Zumutung darstellt. Damals ohne VAR wusste man: Am Ende gleichen sich die Fehlentscheidungen eh wieder aus (Außer natürlich rund um den FC Bayern München, dessen sprichwörtlicher “Dusel” bekanntlich eine besonders perfide Form von Korruption ist).

Setzen, 6, Schiri Willenborg!

Nichts ist besser geworden durch dieses technischen Verfahren. Uwe Rösler spielte im Nach-Spiel-Interview mit süffisantem Lächeln darauf an, als er sagte, er habe immer in die Bundesliga gewollt, um VAR mal in echt zu erleben, aber er habe nicht geahnt, wie weh das tun kann. Dass die Partie am Ende durch einen erneuten Videobescheiß entschieden wurde, macht die Sache nicht schlimmer. Da ist dann doch mehr über die unrühmliche Rolle des unterirdischen Schiris Willenborg zu reden, dem einzigen Bundesliga-Referee, der vom Kicker in dieser Saison einmal die Schulnote 6 zugeteilt wurde. Durch sein eigenartiges Gepfeife hielt er die extrem schwachen Main-Geier überhaupt im Spiel, assistiert von einem Vollpfosten an der Seitenlinie.

Ayhan böse
Nein, dieser Oberunsympath der Einträchtler stand tatsächlich nicht im Abseits, der Ausgleich an sich fiel korrekt. Nicht korrekt aber das Verhalten von Willenborg zuvor. Während Flo Kastenmeier noch seine Mauer stellte, gab der schiedsrichtende Oberlehrer den Freistoß frei, sodass den Fortunen ein freier Gegner auf außen entging, der das Ei wiederum in den Sechzehner säbelte, wo der erwähnte Oberunsympath die Quanten erfolgreich hinhielt. Aber, und zwar ein dickes ABER: So etwas darf einer Mannschaft, die gerade dabei ist, ein 1:0 nach Hause zu schaukeln einfach nicht passieren. Da stellt man dem Freistoßschützen, eine gelbe Karte riskierend, jemand auf die Füße, damit das Ding nicht ausgeführt werden kann bevor mauertechnisch alles angerichtet ist.

Schwächen immer noch sichtbar

Überhaupt: Bei aller Freude über das Spielen ohne FF-Korsett bleiben die grundsätzlichen Schwächen der Mannschaft immer noch sichtbar. Es wird immer noch zu selten aufs Tor geschossen. Es gibt immer noch zu wenige unterschiedliche Ansätze Torchancen zu generieren. Immer noch stimmen einige Laufwege nicht. Immer noch spielen einige Herren nur ihren Stiefel runter. Trotzdem macht die Begegnung mit den flügellahmen Flughühnern Mut. Der sich sogar mit der offiziellen Statistik belegen lässt. Seit sage-und-schreibe elf Spielen sind die Fortuna-Jungs erstmals wieder mehr gelaufen als der Gegner, und die so zusammengekommenen 115,3 Kilometer sind ein guter Wert.

Die Passquote lag mit über 83 Prozent in einer Region, die in der gesamten Saison nur dreimal erreicht wurde. Die Prozentzahlen bei den gewonnenen Zweikämpfen unterscheiden sich merkwürdigerweise zwischen bundesliga.de und dem Kicker, liegen aber dicht an 50 Prozent. Annähernd 53 Prozent Ballbesitz sprechen übrigens eher gegen die Frankfurter. Das alles ist sehr erfreulich und zeigte sich auch in der live erlebten Spielbeobachtung, wobei vor allem die Balleroberung wieder das dickste B darstellte. Und: Es gab in allen Bereichen und bei allen Themen erheblich weniger Fehler als noch gegen Bremen und Leverkusen, zwei Spielen, die ja schon einen deutlichen Aufwärtstrend zeigten.

Schwache SGE-Geier

Man muss aber auch sagen, dass die SGE wirklich erschreckend schwach auftrat und deren Trainer sich sogar gezwungen sah, sehr grundlegend auszuwechseln und zweimal das System zu ändern. Sicher, das sehr frühe Pressen der Rotweißen – besonders in den ersten zwanzig Minuten – machte die Frankfurter ratlos, aber hilflos blieben sie auch noch als die Fortunen ab etwa der 25. Minute doch ein wenig der Mut verließ. Gezählt wurden sechs Torschüsse, von denen maximal zwei als Torchancen durchgehen. Womit wir bei einem Sonderlob für Matthias Zimmermann sind. Der hatte offensichtlich die Sonderaufgabe, diesen Kostic aus dem Spiel zu nehmen, was ihm bravourös gelang. Das war der Grund, warum er in der Offensive seltener zu sehen war als sonst.

In der 69. Minute, da stand es wegen des nicht anerkannten Tores noch 0:0, kam Dawid Kownacki für den ermüdeten Ampomah und wollte anscheinend zeigen, dass er kein Fehleinkauf ist. Auch wenn er selbst zu keinem Torschuss kam, hätte er in der 87. Minute beinahe Käpt’n Fink (kam in der 77. Minute für den ebenfalls ziemlich ausgelaugten Berisha) zum Siegtorschützen gemacht – aber leider kam sein Pass doch eher in Finkis Rücken an. Stöger, dessen scharfen Flachpässe aus dem Fußgelenk eine Augenweide sind, hielt sogar bis zur 87. Minute durch – ein Indiz dafür, dass er auch in den ersten beiden Spielen der Rückrunde durchaus von Beginn an hätte spielen können.

Mitgerissene Zuschauer

Beeindruckend auch, dass sich die 45.000 Zuschauer – so sie denn zur launischen Diva hielten – vom begeisternden Auftritt des Teams mitreißen ließ. Zuvor hatten etliche Fangruppen, besonders die Ultras, ihren Dank an und ihre Verehrung für Friedhelm Funkel durch Banner deutlich gemacht – natürlich völlig zu Recht, denn die Fortuna und ihre Anhänger haben dem knorrigen Ex-Uerdinger vier ziemlich schöne Jahre zu verdanken. Dann rissen Marvin und die UDler endlich mal wieder die Schweigsamen auf der Süd mit, und wenn im 39er auf Schlafwagen umgeschaltet wurde, dann machte eben der Oberrang Alarm. Das muss die Schlachtenbummler der Eintracht beeindruckt haben, denn sonst wären sie nicht in Fortuna-Beschimpfungs-Lieder ausgebrochen. Zur Stimmung trug auch das Musikprogramm von DJ Opa bei, der den einsetzenden Schauer zur zweiten Halbzeit mit dem Evergreen “I’m Singing in the Rain” kommentierte.

Block 40 ff
Natürlich war die Enttäuschung über die verschenkten zwei Punkte nach dem Schlusspfiff groß; und das wird immer so sein, wenn der fußballgottverfluchte Videobescheiß eine Partie entscheidet. Gleichzeitig waren sich die Freunde des wunderbarsten Fußballclubs am Rhein aber auch einig: Das hat Spaß gemacht, und das macht Hoffnung. Der Glaube an den Nichtabstieg ist trotz des Erwerbs von nur einem Punkt wieder erheblich gestiegen. Wie groß der Anteil von Trainer Rösler nach zuvor lediglich zwei Trainingseinheiten gewesen ist, wird man erst nach dem Ende der Saison beurteilen können. So wie die Dinge liegen, werden sich in der Sommerpause aber einige Dinge ändern, und F95 könnte personell ganz anders beschaffen in die Saison 20/21 starten.

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