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Saarbrücken vs F95 7:6 i.E. – Jetzt ist alles andere auch egal

Gestandene Männer, die in ihrem Leben schon viel gesehen haben, lagen sich weinend in den Armen. So hätte Ihr sehr Ergebener diesen Bericht am liebsten begonnen. Und tatsächlich hat er dann auf dem Heimweg ein bisschen geheult – Tränen der Enttäuschung. Vorher gab’s in der Kneipe ein paar Gespräche unter dem Motto „Warum tun wir uns das an?“ Diese Niederlage hat wirklich altgediente Anhänger der mehr als launischen Diva in grundsätzliche Zweifel gestürzt. Da ging nichts mehr mit „So ist die Fortuna eben“, und die Maximalkonsequenz, die einer äußerte, lautet: „Jetzt ist es mir auch egal, wenn sie absteigen.“

Dabei hatte der Abend so schön begonnen. Die untergehende Sonne bestrahlte die Bilker Allee, und Thekenmann Julius legte beim Eintreffen der Expertenrunde „Football’s comin‘ home“ auf. Ein Hauch Nostalgie schwebte durchs Bilker Häzz, denn hier haben wir zwei Jahre lang wunderbare Auswärtserlebnisse geteilt. Der Laden füllte sich, die Stimmung war ausgeglichen. Man witzelte wie damals, man fachsimpelte ein wenig, und natürlich wurden auch über die *urensohn-Aktionen debattiert. Die ersten Bilder aus Völklingen: Boah, das ist ja ein richtiger Fußballplatz. Neid auf die 648 privilegierten F95-Fans, die eine Karte ergattert hatten, kam auf.

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Experten mit Aufstellung einverstanden

Dann rollte der Ball. Mit der Startaufstellung waren die Experten soweit einverstanden, besonders die Tatsache, dass Kelvin Ofori von Beginn an ran durfte, löste Kopfnicken aus. Aber dann nahm das Desaster langsam, sehr langsam seinen Lauf. Die Angst der Fortuna-Kicker konnte man durch den Flachbildschirm hindurch riechen – „Bloß nicht versagen“ war bei fast allen wohl die Devise. Bei Ofori nicht, aber der verfiel immer wieder seinem Spieltrieb und hatte nur Augen für den Ball, nicht aber für die Mitspieler. So oft er drei, vier Gegner ausspielte, so selten war aber auch eine Anspielstation in der Nähe frei. Kelvin allen am Ball – er konnte einem leidtun.

Ansonsten mühte sich alle im Rahmen ihrer Möglichkeiten, außer Kevin Stöger, der einen erheblich gebrauchten Tag in seiner morgendlichen Corn-Flakes-Schüssel gefunden hatte, dem lange nichts einfiel und der später Fehlpässe in Serie produzierte. So ist das eben manchmal. Jean Zimmer auf rechts war bei allem Eifer ein Totalausfall, was gar nicht so sehr an seinem Spiel an sich lag, sondern eher daran, dass er ins gewählte System so schlecht passte. Denn das probate Außen-hinter-die-Abwehr kommen, das er ganz gut beherrscht, blieb völlig wirkungslos, weil die Saarbrücker in Defensivsituationen regelmäßig einen Zehn-Mann-Stau anrichteten. Man hätte höchstens auf Eigentor oder Handspiel spielen können…

Suttners katastrophaler Fehler

Also, die 31. Minute mit einem katastrophalen Fehler von Markus Suttner, von dem er sich nicht mehr erholen sollte. Ein komplett unnötiger Ballverlust, der in eine Situation fiel, als die Kollegen Kaan Ayhan, Zanka und Adam Bodzek schon in die Vorwärtsbewegung umschalten wollten, sehr ungünstig zum Ballführenden und letztlich auch zum Torschützen standen. Der Schuss war fein und für Flo Kastenmeier nicht zu halten. Da nagte bereits der Frust an den anwesenden Anhänger des Doppelpokalsiegers von 1979 und 1980. Auswechslungen wurden diskutiert, die Wahl gewann Zimmer.

Und dann dieser Batz, den Ihr Ergebener ja schon im Vorbericht hervorgehoben hatte. Der hielt alles, was auch nur annähernd haltbar war. Die Runde machte sich anfangs noch lustig über den: „Der ist so gut, der könnte überall spielen. Aber, nein, der will in Saarbrücken sein.“ Spätestens im Elferknallen am Schluss verging uns der Spaß. Jedenfalls stand es vor dem 1:0 nach Chancen irgendwas bei 6:2 für die Düsseldorfer. Am Ende wird die Statistik von 36:10 Torschüssen sprechen. Dann der übliche Kastenmeier-Slapstick, der nach nur sechs Minuten fast das 2:0 für die Saarländer gebracht hätte: Außerhalb des Sechzehners will der gute Florian die Pille wegdreschen, schießt aber einen Gegner an, freie Bahn, und Kastenmeier erwischt das Ei im allerletzten Moment. So dicht liegen Genie und Wahnsinn bisweilen beieinander.

Karaman – kluge Einwechslung

Kluge Entscheidung des Trainerteams: Zur zweiten Halbzeit kommt Kenan Karaman für Adam Bodzek als zusätzlicher Stürmer. Wer nun aber gedacht hätte, Chefcoach Rösler habe auf ein 4-3-3 umstellen lassen, sah sich getäuscht. Am ehesten sah das System nach einem 3-4-3 aus, was natürlich für enormen Druck sorgte, aber die Gefahr von Kontern vergrößerte. Dass die Saarbrücker sich würden müde spielen, war nicht zu erwarten, sodass dieses Risiko durchweg bestand. Tatsächlich aber gelangen dem Viertligisten in der gesamten zweiten Halbzeit nur zwei Umschaltdinger, eins davon gefährlich.

Ab der 60. Minute gab’s Torchancen im Drei-Minuten-Takt für die Fortunen. Da kam alles zusammen: Grandiose Torwartaktionen, Rettungen auf der Linie, Schusspech und Unvermögen. Einen dunkelgrauen Tag hatte Rouwen Hennings, der die Kugel ein ums andere Mal auf dem falschen Fuß hatte. Am gefährlichsten: Schüsse von der Sechzehnerkante. Ob Fernschüsse die Sache vielleicht hätten klären können? Wer weiß… Due Uhr tickte laut und deutlich gegen F95. In der 73. muss Erik Thommy, der sich verschlissen hatte, für Steven Szkrybski raus – ein Wechsel von Speed zu Power. Und in der 78. erlösten die Trainer den kleinen Zimmer – vermutlich zu spät, denn der eingewechselte Matthias Zimmermann brachte sofort mehr Druck.

Batz hält Hennings‘ Elfer

82. Minute: Karaman, der die Saarbrücker permanent durcheinanderrührte, fällt im Strafraum nach leichter Berührung. Der durchgehend fehlerfrei und souverän schiedsende Aytekin gibt Elfmeter, halt sich kurz den Finger ans Ohr und lässt sich die Entscheidung von den Videobescheißern absegnen. Hennings tritt an. Flach links unten. Ziemlich präzise neben den Pfosten. Batz, der Teufelskerl, aber hält. Hast du Scheiße am Schuh, hast du Scheiße am Schuh.

Eigentlich war die Sache durch. Nachspielzeit. Kastenmeier mit vorne. Hereingabe von links landet auf seinem Schädel, er verlängert auf Zanka, der köpft bogenförmig ins lange Ecke: Ausgleich! Sagen wir so: Gefreut haben sich die Gäste im Häzz schon, aber Euphorie geht anders. Dafür war die zweite Halbzeit zu quälend, dafür war zu deutlich, dass diese Partie nie einfach zu gewinnen war, dafür war inzwischen die Angst vor dem Rauswurf zu groß.

Verlängerung als Mentalitätsveranstaltung

Die Verlängerung wird zu reinen Mentalitätsveranstaltung, und das Pendel schlägt zunehmend Richtung Saarbrücken aus. Ofori versiebt Schuss um Schuss, Hennings findet kaum noch statt, Szkrybski hat eine Chance, die Viertligisten hauen sich dazwischen. Spielerisch geht auf fortunistischer Seite kaum noch was. Viele Versuche mit hohen und weiten Bällen gehen daneben, die zuvor ziemlich gute Passquote rutscht in den Keller, und bei allen wirkt es so als wollten sie bloß den entscheidenden Fehler nicht machen. So kann man eine Verlängerung nicht gewinnen. Zusätzlich verstärkt sich der Eindruck, dass es nicht der unterklassige Gegner ist, der Konditionsprobleme bekommt, sondern die Fortuna.

Niemand wünscht sich ein entscheidendes Elfmeterschießen gegen Batz. Aber, so kommt es. Dabei liegen die Fortunen lange vorn. Zanka muss nur versenken, damit die Elfer 17 und 18 stattfinden. Batz hält. Fortuna ist draußen, Saarbrücken geht als erster Viertligist in der Geschichte ins Halbfinale. Schock bei den F95-Fans im Bilker Häzz. Sprachlosigkeit. Entsetzen. Wut. Trauer – all diese verrückten Emotionen, die Normalmenschen höchstens kriegen, wenn einem Familienmitglied oder einem Freund etwas zugestoßen ist. Gefühle, von denen die Hopps und Rummenigges dieser Erde nicht die geringste Ahnung haben.

Wie das Erlebte verarbeiten?

Jeder sucht seinen Weg, die Sache zu verarbeiten. Klar, manche beginnen sofort mit der Suche nach den Verantwortlichen – wahllos zielen sie auf Vorstand, Trainer und natürlich einzelne Spieler. Wollen gar nicht wissen, dass es den Kickern mindestens genauso beschissen geht wie ihnen. Und man möchte Zanka in den Arm nehmen und trösten. Den Gesichtern der Coaches sieht man die Erschöpfung hat: sie haben doch auch alles versucht. Da labern schon wieder Hohlköpfe von „Arbeitsverweigerung“. Da wird Sekunden nach Abpfiff die ganze Partie als „unterirdisch“ bezeichnet. Da kündigen welche an, ihre Dauerkarte verschenken zu wollen. Da fordern andere Rausschmisse, egal von wem. Da ist niemand mehr in der Lage, das Erlebte auch nur ansatzweise sachlich zu bewerten.

Experten vorm Bilker Häzz, ratlos…
Auch Ihr sehr ergebener Berichterstatter nicht, der seine Tränen der Enttäuschung mit einem Gläschen Killepitsch zum Versiegen brachte und sich dachte: Vielleicht müssen wir doch nochmal einen Schritt zurückgehen, also den Abstieg in die zweite Liga hinnehmen, jeden Stein im Verein umdrehen, nötige personelle Veränderungen aktiv anstreben (statt auf Possen und Paukenschläge nur zu reagieren), alles auf links drehen, sich auf die Wurzeln besinnen, erkennen, dass die Fortuna zu zart ist für das Schwimmen im Haifischbecken der ersten Liga – den Nachwuchs fördern, Mitglieder einbinden, sich in allen Punkten verbessern – vor allem in Sachen „Kommunikation“.

Aber dann dachte sich Ihr höchst Ergebener: Hilft alles nix, am Sonntag in Mainz muss gewonnen werden, wir müssen Paderborn schlagen und am besten auch den Äff-Zeh, und den Pokal gibt es nächstes Jahr ja auch noch.

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