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Mainz vs F95 1:1 – Wenn der Fußballgott dich einfach nicht mag

[Analyse und Kommentar] Und wieder hagelt’s Phrasen: Die Mannschaft habe sich nicht belohnt, heißt es. Als ob geschossene Tore die “Belohnung” für ein perfekt geführtes, hochüberlegenes Spiel wären! Buden sind das Ergebnis der Bemühungen. Und wenn ein Team aus 19 Torschüssen nur eine Hütte macht, dann muss man nicht einfach die Spieler bepöbeln oder die Floskel vom Fluch posaunen oder das Ganze fatalistisch nehmen, sondern Chance für Chance mit halbwegs nüchterner Birne analysieren. Und weil Ihr Ergebener das versucht hat, kam die semi-religiöse Überschrift zustande.

Zur Halbzeit waren es laut offizieller Statistik bereits 14 Torschüsse, in der TV-Aufzeichnung hat Ihr Ergebener aber nur zwölf gefunden. Die Analyse ergibt in etwa folgendes Bild: Vier Dinger wurden vergeigt (=33% Unvermögen, Versagen), vier Bälle wurden vom Meenzer Keeper klasse gerettet oder ein Verteidiger war zur Stelle (= 33% “Machste nix”) und in weiteren vier Fällen war es einfach Pech. So in der 37. Minute, in der Markus Suttner das Ei mittig am Fünfer kriegt und mit einer Superballtechnik volley knallt. Dass der gegnerische Tormann seine Visage exakt in der Flugbahn hatte, kann man nun wirklich nicht als seine Leistung betrachten. Oder wenn ein Ball Millimeter am Pfosten vorbeiläuft, oder oder oder…

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Der Fußballgott ist ein…

Aber, es ist ja nicht nur die Bilanz von 19:3 Torschüssen, die für eine grandiose Vorstellung der Männer in den schwarzen Ausweichtrikots spricht. In jedem relevanten Punkt waren die Fortunen der Heimmannschaft überlegen. Eine Passquote von 85,44 Prozent hatten wir schon sehr, sehr lange nicht mehr. Die Laufleistung von mehr als 117 Kilometern ist nicht nur 61,4 Prozent Ballbesitz geschuldet, sondern dem ständigen Anlaufen der Gegner, dem konsequenten Mitlaufen und dem engagierten Ablaufen. Zugegeben: Diese Werte waren zur Pause annähernd überirdisch, und das Team konnte das Niveau nicht bis zum Schluss halten. Aber das sollte nach einer englischen Woche inklusive Verlängerung und Elferknallen verständlich sein.

Alles sprach also für die Fortuna, nur der Fußballgott nicht. Man kann sich den ollen Knaben (der vermutlich aussieht wie eine Mischung aus Beckenbauer und Tante Käthe mit Bart) so richtig vorstellen wie er da auf seinem Thrönchen hockt und sich ins Fäustchen lachten: “Glücksgöttin! Ha, die soll’n ma’ bitte keine Göttinnen neben mir haben! Werden schon sehen, die arroganten Hauptstädter.” Gegen den Willen der Götter machst du gar nix, so viel ist klar. Bleiben wir also beim Irdischen und betrachten das Spiel so rational wie möglich.

Unerwartete Aufstellung

Während die Startaufstellung ein bisschen überraschte, löste die ungewöhnliche Anordnung erhebliches Aha aus. War es nun ein 3-4-3, was Trainer Uwe Rösler angeordnet hatte? Oder eher ein 4-4-1-1? Vielleicht dann doch ein 3-4-2-1… Oder aber eines dieser hochmodernen Systemen, bei denen einer der nominellen Außenverteidiger einer Viererkette situativ ins Mittelfeld gezogen wird. Jedenfalls kamen die Meenzer anfangs überhaupt nicht damit klar und stellten ihrerseits schon nach einer Viertelstunde auf Viererkette um. Manche sahen Erik Thommy als zweite Sturmspitze, tatsächlich aber rochierte er nach Kräften hinter Kenan Karaman. Genau wie Valon Berisha in der eigentlichen Mittelfeldkette.

Adam Bodzek spielte etwas ganz Altmodisches, was sich vor mehr als zwei Jahren olle Funkel mal ausgedacht hatte und was Ihr sehr ergebener Analyst einen “Libero vor der Abwehrkette” nannte. Und das frei von jeglichem Humor und ohne jegliche Ambitionen irgendetwas anderes zu unternehmen – ein sehr guter Ansatz! Mann des Spiels haben wir nicht, denn es waren zwei Akteure, die überdimensional agierten: Hätte Andre Hoffmann in der ersten halben Stunde nicht vier-, fünfmal irgendwelchen FSV-Stürmer mit maximaler Antizipation den Zahn gezogen, wer weiß, ob die Mainzer nicht doch ins Spiel gefunden hätten. Und Markus Suttner machte die beste Partie im F95-Trikot, wobei ihm seine Position als Linksaußen in einer Vierermittelfeldkette offensichtlich besser liegt als alle anderen, auf denen er schon eingesetzt wurde.

Hört mit den kurzen Ecken auf!

Niko Gießelmann und Kann Ayhan spielten solide, wobei bei Letzterem anscheinend auch das Schussglück verlorengegangen ist und man nicht mehr drauf setzen kann, dass er Freistöße aus um die 20 Metern Entfernung serienweise einnetzt. Apropos Standards: Schon beim Pokal-Waterloo in Völklingen hatte sie den Unmut der willigen Fans auf sich gezogen, diese bescheuerte Eckballvariante, bei der zwei ins Eck gehen und sich dann kurzfristig entscheiden, ob sie die Sache als kurze Ecke ausführen oder ob einer dann doch noch in den Sechzehner trabt. Das bringt nix, nullkommanix, zero. Mindestens weil dann einer im Zentrum fehlt, der die Gegner ein bisschen rempeln und blocken, wenn nicht gar als Kopfballkanone in die Luft steigen kann. Man fragt sich ernsthaft, woher diese Schnapsidee stammt – der Verdacht fällt so ein bisschen auf den neuen Co-Trainer Rob Kelly, weil der Blödsinn erst nach seiner Verpflichtung eingeführt wurde.

Ein Wort noch zu Flo Kastenmeier, der so gut wie nichts Torhüterisches zu tun bekam, aber als spielender Keeper immer wieder eine wichtige Rolle spielt. In der Regel kommen seine Abspiele und Abschläge gut, und er ist bei gegnerischem Pressing eigentlich immer anspielbar. Weil der gute Flo sich so herausgemacht hat, kann man fast sagen, dass Zack Steffen schon beinahe vergessen ist und niemand mehr nach Michael Rensing schreit.

Ohne VAR wär’s Abseits gewesen

Wie wenig gut es der Fußball-Zeus meint, zeigte sich auch am Führungstor der Karnevalsstädter. Ihr äußerst Ergebener würde um beinahe jeden Betrag wetten, dass der Treffer ohne Videobescheiß genauso behandelt worden wäre wie dies Schiri Osmers und sein Linienassi getan haben – aberkennen von wegen Abseits nämlich. Der Mainzer hatte nämlich den Arm meterweit im Abseits, und nur diese fußballgottverfluchte kalibrierte Linie zeigte das Gegenteil – wobei man manchmal wissen, wer da in wessen Auftrag rumkalibriert. Und weil der Vorturner im Kickerhimmel bisweilen auch mal ausgleichende Gerechtigkeit walten lässt, fällt der Ausgleich in die Kategorie “Slapstick”. Der FSV-Torhüter hätte keine Mühe gehabt, den kommenden Ball um den Pfosten zu drehen, aber da kommt dann ausgerechnet der Verteidiger, der zu diesem Zeitpunkt schon drei gelbe Karten verdient gehabt hätte, angerauscht, behindert seinen Keeper, und Karaman hat null Mühe, die Bude zu machen.

Wie gesagt: Bei der Startaufstellung fiel eigentlich nur das Fehlen von Rouwen Hennings auf. Damit hatte kaum jemand gerechnet, aber für seinen Draußenbleiben gab es gute Gründe, die weniger in seiner nicht ganz so prickelnden Form liegen, sondern im Spielplan der Coaches. Die Frage war vermutlich: Wenn wir mit nur einer Spitze spielen, wen nehmen wir, Rouwen oder Kenan? Das Auftreten des zum Glück wieder gesunden Karaman bot sich da aufgrund seiner Leistungen in den letzten Spielen an. Außerdem ließen sich die Trainer mit der Entscheidung offen, im Zweifel dann doch auf zwei Spitzen umzustellen. Was dann in der 72. Minute Wirklichkeit wurde – Hennings kam für den leicht ausgelaugten Suttner. Zusammengenommen mit dem Wechsel von Sobottka für Bodzek und später noch Kelvin Ofori für Berisha bildete dieser Aktion einen ziemlich radikalen Systemwechsel.

Systemwechsel verpufft

Seien wir ehrlich: So richtig funktioniert hat der nicht. Womit wir bei einem grundsätzlichen Mangel des aktuellen Kaders sind, der immer auffällt, wenn die Mannschaft offensiv richtig gut spielt. Der Unterschied zu einem Bündel Spitzenkicker besteht darin, dass unsere weder den Blick, noch den Instinkt für Lücken haben. Das Kurzpassspiel nach Balleroberung aufgrund von Pressing sieht fein aus und führt auch beinahe immer zu einer Flanke oder einem Pass in den Sechzehner, aber eben viel zu selten in den freien Raum, den dann ein Fortune anläuft, um so die Abwehr auszuhebeln. Das ist der Grund, weshalb zur Zeit Fortuna-Chancen so selten Hundertprozenter sind. Möglicherweise macht genau dieses instinktive Erkennen von Schwächen, Lücken und sogenannten Schnittstellen den Unterschied zwischen 30-Mio-Spielern und unseren Jungs aus. Das kann man nicht lernen, das kann man nicht trainieren, das hat man oder nicht.

Eklatant deutlich wurde der beschriebene Mangel nach der Gelbroten für einen dieser Narrhalleser. Wo doch mit einem Mann weniger die Lücken breiter werden müssten, wurde das System aus Fünfer- und Viererkette der Meenzer für die Fortunen praktisch undurchdringlich. Frustrierte F95-Fans, die nun plärren, in der letzten Viertelstunde in nummerischer Überlegenheit hätten die Spieler Einsatz und Willen vermissen lassen, sollte sich mal einer Hirnwaschung zum Zwecke der Verbesserung der Wahrnehmung verpassen lassen. Ja, da wurde unfassbar oft quer gespielt, da ging der Ball viel zu oft zurück zu Kastenmeier. Das aber irgendwie schmierölpsychologisch zu begründen, ist völlig daneben.

Meckerer in der Minderheit

Zum Glück bilden die fortunatyischen Grantler, Moserer und Meckertypen nur eine kleine Minderheit unter den F95-Anhängern. Genau wie diejenigen, die für sich den Ganz Großen Durchblick reklamieren und alle Schuld “dem Vorstand” (wahlweise auch “Vorstand und Aufsichtsrat”) geben Diese Spezies mag einfach die von außen gekommenen Experten nicht, die sie “Handlungsreisende” nennen und denen sie pure Geldgier unterstellen. Dass bei diesem Fingerzeigen vier von fünf in ihre Richtung weisen und ihren primitiven Neid belegen, ahnen sie nicht. Und natürlich wünschen sie sich Klaus Allofs als Irgendwas, am liebsten als Präsi alter Schule, ohne sich je zu fragen, wann der gute Klaus denn unter welchen Bedingungen erfolgreich war und ob seine Expertise in den vergangenen Jahren durch irgendetwas gestiegen ist. Ja, es fragt sich sogar, ob ein Klaus Allofs, der in den dunklen F95-Jahren nie in der Nähe war, den Verein in seinem jetzigen Zustand besser versteht als beispielsweise ein Lutz Pfannenstiel. Das nur am Rande.

Festzuhalten ist erneut ein trauriges Unentschieden nach einer großartigen Leistung. Nun drohen Geisterspiele gegen die Verbreitung des Corona-Virus; das könnte schon das enorm wichtige Freitagsspiel gegen Paderborn betreffen. Das Verbot, solche Veranstaltungen abzuhalten, bringt eine erhebliche Wettbewerbsverzerrung mit sich – gerade für Clubs mit aktivem Anhang, der bedingungslos zu seiner Mannschaft steht. Und in Sachen Bundesliga wäre die Maßnahme, ohne Zuschauer in den Stadien zu kicken, geradezu aberwitzig. Denn die Fans werden sich natürlich zu Hunderten in den Sky-Kneipen zusammenpferchen, um die Partien zu sehen – optimale Bedingungen für ein skrupelloses Virus… Wie auch immer. Wenn das Team weiter so gut spielt, dann wird auch der Fußballgott irgendwann sagen: “Ja, gut, die Strafzeit ist vorbei – keine wackligen VAR-Dinger mehr, keine Fehlentscheidungen gegen euch mehr, und dafür, dass gegnerische Torhüter gegen euch mal einen miesen Tag haben, sorge ich auch.”

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