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Aus der DFL austreten – ein Gedankenspiel…

[Polemik] Nein, liebe Herren Watzke & Konsorten, Geisterspiele retten nicht den Fußball, sondern bloß die DFL und alle, die finanziell von ihr profitieren. Da können sie in Talkshows noch so verkniffen und sorgenvoll glotzen und die immergleichen Scheinargumente vorbeten. Denn Fußball ist auf dem Platz und nicht im Fernsehen. So haben sie nach ihren eigenen Aussagen das Spiel mit dem Ball zu einem “Wirtschaftszweig” gemacht, zu einer Branche, von der sie und die anderen neuerdings immer behaupten, sie ernähre rund 60.000 Menschen. Und deshalb müsse die Show auch in den Zeiten der Seuche weitergehen.

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Sie vergessen zu erzählen, dass es keine andere Branche in dieser, unserer Wirtschaft gibt, bei der das Einkommensgefälle derart groß ist, in der die Ungerechtigkeit bei der Verteilung der Einnahmen so ungeheuer ungerecht ist. Da wollen Profikicker wie der Neuer bitteschön 110 Mio Euro verdienen, während das Verkaufspersonal an den Bierbuden kaum auf den gesetzlichen Mindestlohn kommt – von den absurden Gehältern der Funktionäre ganz zu schweigen. Da heißt es – meist unwidersprochen – die Bundesligaspieler hätten aus Solidarität auf Gehälter verzichtet. Prüft man diese Behauptung nach, zeigt sich, dass die – wenn überhaupt – im Schnitt auf 15 Prozent ihres Lohns verzichten, wobei einige diese zurückgehaltenen Anteil nur stunden.

Der F95-Vorstandsvorsitzende Thomas Röttgermann sagt, die Spielergehälter würden um die 40 Prozent der Kosten eines Vereins ausmachen. Rechnet man die Kosten für den Spielbetrieb hinzu, bleiben nur sehr kleine Töpfe übrig, aus denen dann die Mitarbeiter*innen in den Geschäftsstellen und auch die Insassen der Funktionsteams bezahlt werden. So viel Kohle den Balltretern in den Rache zu werfen, ist aber eine Folge des völlig aufgeblähten Transfermarktes, an dem vor allem mehr oder weniger seriöse Berater und Agenturen verdienen. Die irrwitzigen Beträge, die von den Bezahlsendern für die TV-Rechte latzen, fließen also in ganz wenige Taschen der angeblich 60.000 Leute, die zu diesem bekloppten Wirtschaftszweig gehören.

DFL als Lobby des Soccer-Business’

Die DFL, die hierzulande die oberen beiden Bundesligen veranstaltet, dient vor allem der Verteilung dieser astronomischen Summen und fungiert außerdem als Lobby der Soccer-Branche. Das kann man momentan sehr schön an dem Druck ablesen, die Seifert & Co. auf die Politik ausüben, endlich Geisterspiele zu erlauben. Mit dem Fußball hat das wenig bis gar nichts zu tun.

Nun haben ja die Großclubs (allesamt keine Vereine nach deutschem Recht, sondern für den Spielbetrieb ausgelagerte Kapitalgesellschaften) über die Jahre immer mal wieder damit gedroht, aus der DFL auszutreten, um eine europäische Superliga auszurufen, in der es dann nur noch um Profite geht. Und nicht wenige engagierte Fans haben diese Pläne begrüßt in der Hoffnung, diesen Teil der Soccer-Branche loszuwerden, damit die Teams, die sich noch dem Fußball verbunden fühlen, in Ruhe und Frieden den Deutschen Meister sowie die Auf- und Absteiger auszuspielen. Natürlich haben fleißige BWLer die Vor- und Nachteiler solcher Vorhaben hin- und her gerechnet und konnten sich bislang noch nicht dazu durchringen, den Managern der Großkapitalgesellschaften diesen Weg zu empfehlen.

Wie wär’s mit Traditionsligen?

Drehen wir doch einfach mal den Schuh um. Wie wär’s, wenn die Vereine der obersten beiden Ligen aus der DFL austreten, um eine eigene Organisation für den Ligenbetrieb zu gründen. Nennen wir das Projekt ruhig einmal “Traditionsligen”. Stellen wir uns also eine erste Bundesliga vor, die ohne FCB, BVB, RBL, TSG, Bayer, Wolfsburg (um nur mal die übelsten Vertreter dieser Gattung zu nennen) auskommt. Stellen wir uns weiter vor, dass diese neue Liga all die Maßnahmen einführt, die für Gerechtigkeit und Spannung sorgen. Also – analog zu den US-Sportarten – Dinge wie ein Draft-System, nach dem die Loser einer Saison das Vorgriffsrecht auf die begabtesten Nachwuchskicker bekommen, und natürlich einer Salary Cap, mit der die Spielergehälter nachhaltig gedeckelt werden.

Stellen wir uns einfach mal vor, in einer Spielzeit würde der 1. FC Kaiserslautern mal wieder Meister, während es im nächsten Jahr beispielsweise Eintracht Frankfurt oder gar die Fortuna auf Platz 1 schafft. Imaginieren wir eine erste Liga, in der Vereine wie Eintracht Braunschweig, Rot-Weiss Essen, aber auch Hansa Rostock, Union Berlin, Karlsruher SC und natürlich der Äff-Zeh, Gladbach und meinetwegen auch Schake 04 mittun dürfen. Denken wir außerdem darüber nach, dass diese Clubs allesamt ihre Spielbetriebs-GmbHs und -AGs wieder schließen und den Fußball wieder in den jeweiligen Verein zurückholen. Nehmen wir zudem an, dass die Rechte für die TV-Auswertung zu gesetzlich festgelegten Tarifen ausschließlich an frei empfangbare, allen voran die ÖRs, Sender vergeben werden. Und gehen wir davon aus, dass der Erstligakick wieder ausschließlich samstags um halb Vier stattfindet und die zweite Liga am Sonntag antritt.

Korrupte Organisationen stehen dagegen

Was steht dagegen? Vor allem der von Korruptionsverdächten gebeutelte DFB, also der Deutsche Fußballbund, die Organisation, die eigentlich den Fußballsport in Deutschland fördern soll, denn die müsste in einem solchen Konstrukt wieder Veranstalter der Ligen sein, damit der Erste der ersten Liga sich auch wirklich Deutscher Meister nennen darf. Auf jeden Fall hätten aber auch UEFA und FIFA etwas dagegen, die ja für die europäischen Pokalwettbewerbe und die Wettbewerbe der Nationalmannschaft zu ständig ist, denn diese Institutionen profitieren von der Spekulationsblase rund um die TV-Rechte in noch größerem Maße als DFL und DFB.

Eine solche Veränderung würde aber auch den Dampf aus dem Kessel der Nachwuchsförderung nehmen, die heute darin besteht, Talente frühzeitig abzugreifen und die Jungs dann so weit aus dem realen Leben zu nehmen, dass sie als Millionen-Söldner nach Strich und Faden vermarktbar sind – woran dann wieder irgendwelche Parasiten verdienen. Ganz besonders würden diese Traditionsligen aber den Fans zugutekommen, also den Menschen, die ihre Mannschaft live auf dem Rasen erleben wollen, zuhause und natürlich auch auswärts. Sie würden nicht mehr bloß als Anfeuerungskulisse für die Bezahlsender fungieren, sondern als echte Unterstützer ihrer Mannschaften und ihrer Vereine. Und weil die Vereine wieder Vereine wären, deren Mitglieder in die Entscheidungen eingebunden sein müssen, könnten die engagierten und aktiven Fans wieder Einfluss darauf nehmen, wohin sich der Fußball bewegt.

Eine schöne Utopie, ein Wunschtraum, der wenig Aussichten auf Verwirklichung hat, so viel ist klar. Aber vielleicht bietet dieses Gedankenspiel wenigstens Möglichkeiten über generelle Reformen im Bundesligafußball nachzudenken. Das tun aktuell eben nicht nur die organisierten Fans, sondern zum Glück auch viele, viele Funktionäre und Manager im deutschen Fußball – Aki Watzke & Co. natürlich ausgenommen.

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