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F95 vs BVB 0:1 – Chapeau, Herr Rösler, ein taktische Meisterleistung!

82. Minute, Steven Skrzybski im Umschaltspiel, läuft gegen zwei Gegenspieler, Steven setzt sich durch, kommt an den Sechzehner, zieht ab, flach links, perfekte Schusshaltung, gut gezielt, BVB-Keeper geschlagen … und der Ball geht an den Pfosten! Es wäre vielleicht der Siegtreffer gewesen, es ging um Zentimeter. Und nochmal: 91. Minute – dieses Mal an den rechten Torrahmen. Dann die 96. Minute, lange, hohe Flanke für Dortmund in den Strafraum, das gelbe Monster steigt hoch, köpft unhaltbar in unser Gehäuse. Tor für den BVB in allerletzter Sekunde. Ihr massivst ergebener Beobachter schämt sich nicht, er hat Tränchen in den Augen. Nach einer dermaßen guten taktischen Leistung, nach einem so aufopferungsvollen Kampf, nach Überlegenheit im Zweikampf, nach besserer Laufleistung gehen die Jungs im 125-Jahre-Jubiläums-Trikot als Verlierer vom Rasen der Arena.

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Nein, sie gehen nicht vom Platz, sie liegen platt auf dem Gras, auch bei unseren Jungs gibt’s Tränen. Sie hätten es schaffen können, zumal der gute Steven in der ersten Minute der Nachspielzeit noch einmal fein schießt und dieses Mal die rechte Torstange trifft. Nachdem ein Treffer für die Dortmunder in der 65. Minute nach Videobeweis und zu Unrecht – wie Ihr Ergebener findet – nicht gegeben wurde, wäre ein Unentschieden völlig in Ordnung gegangen. Es wäre die gerechte Belohnung für einen Spielplan des F95-Coaching-Teams gewesen, der besser nicht hätte sein können. Hilft ja nichts, nach dem Werder in Paderborn 5:1 gewonnen hat, liegt die glorreiche Fortuna nur noch ein Törchen vor dem direkten Abstiegsplatz. Das ist die Realität.

Schwache Dortmunder

Nun muss man auch zugeben, dass der aktuelle Tabellenzweite ausgesprochen schwach auftrat. Außer gelegentlichen Kabinettstückchen – Pässe mit der Hacke z.B. – und ein paar vernünftigen Zuspielen kam da wenig. Zumal die BVBler mit dem klugen und höchst flexiblen Pressing der Fortunen überhaupt nicht zurechtkamen. Genau so muss ein designierter Absteiger gegen einen ehemaligen Meisterschaftsaspiranten antreten. Das sehr hohe Anlaufen wurde durch Signale von außen in Gang gesetzt und stellte den Gegner vor Probleme, mit denen er nicht gerechnet hat. So stand zur Pause nur eine ernsthafte Chance in der 17. Minute auf dem Zettel; entstanden aus einer Ecke der Fortunen, die ein Dortmunder per Kopf raushaut – und zwar auf einen zum Konter rennenden Kollegen. Drei Angreifer gegen zwei F95-Männer, die beide denselben Gegner anlaufen. Dass es nicht so früh zur BVB-Führung kam, ist allein Flo Kastenmeiers Verdienst.

Die Hausherren in Weiß kamen allerdings in den ersten 45 Minuten zu keiner einzigen Torchance. Das überragende Taktikkonzept funktionierte jedoch weiter, denn die Fortunen traten nach der Pause weniger abwartend an, sondern gingen mehr nach vorne. Damit kamen die Gäste nun auch wieder nicht so gut klar. Unseren gelang oft die Balleroberung durch konsequentes Doppeln und Draufgehen, aber noch blieben die Angriffsversuche harmlos. Gleichzeitig wurde aber weniger hoch angelaufen, sodass es zunächst aussah, als würde der BVB nun sein Offensivfeuerwerk abbrennen. Pustekuchen! F95 wurde angriffslustiger. Vier Auswechslungen ändern die Gewichte, Fortuna erzielt Ecken und hat um die 80. Minute herum mehr Torschüsse als der Gegner. Und dann diese vermaledeite Nachspielzeit…

Guter Schiri

Etliche heißblütige Fortuna-Fans fluchen auf den sehr gut pfeifenden Schiri Stegemann, der dieses fürchterlichen fünf Minuten Zugabe angeordnet hat, und fragen, warum so lange, wo es doch keine Tore und keine längeren Verletzungspausen gegeben hat. Und irren: Allein dieser VAR-Situation um das angebliche Handspiel hat (man kann das beim Betrachten einer Aufzeichnung nachmesse) kostete knapp zwei Minuten, und weil die Referees angewiesen sind, Auswechslungen einzurechnen, gehen die fünf Minuten in Ordnung. Wobei es ja letztlich auch egal ist, denn es ist natürlich völlig unlogisch, dass das Tor nicht gefallen wäre, hätte es nur vier Minuten Nachschlag gegeben.

Bevor wir uns aber unseren starken Gefühlen hingeben, sollten wir einen Blick auf die fortunistische Aufstellung und das gewählte System werfen. Letzteres schien so unklar, dass der Sky-Kommentator des Grauens (dem Ihr Ergebener nach dem Bayern-Spiel bekanntlich kräftig einen mitgegeben hat) zugeben musste, dass er es nicht beziffern konnte. Überhaupt – das war ein schöner Aspekt des Nachmittags – gestand Kai Dittmann mehrere Male, dass seine Aussagen lediglich Privatmeinungen seien und er sich irren könne. Wie wahr… Nach mehrfacher Ansicht diverser Spielszenen kommt Ihr ungeheuer ergebener Analyst zu dem Ergebnis, dass man am ehesten von einem 3-4-2-1 reden könnte, wobei im Mittelfeld eine äußerst flexible Raute entstand, die mal mit Marcel Sobottka als hinterem Ende agierte, dann aber wieder mit zwei weiteren Dreierketten, wenn Kevin Stöger sich weiter vorne postierte. Ausgerichtet war das System klar auf Beherrschung des Mittelfeld, in dem sich immer mindestens fünf Fortunen tummelten, meist aber sechs Männer in Weiß.

Flexibles Pressing

Schlüssel zum Spielplan war eindeutig das flexible, hohe Pressing – übrigens ein hochmodernes Konzept, dass schon olle Funkel die Buben beigebogen hatte. Während unter Friedhelm der Befehl zum Anlaufen in der Regel von Rouwen Hennings oder Käpt’n Funk auf dem Platz kam, war es gestern unüberhörbar Mister Rösler himself, der ohnehin beinahe durchgehend und lautstark coacht. Verrückt genug: In mindestens eine Dutzend Spielszene konnte man ihn hören und sehen, dass der angesprochene Spieler die Anordnung sofort umsetzte. SO geht modernes Coaching, genauso… So richtig viel Munkeln über die mögliche Aufstellung gab es nicht. In der Abwehr war die Frage nur, ob wieder Niko Gießelmann den Linksverteidiger geben würde, was er tat. Vor ihm agierte Suttner auf seine inzwischen bekannte fehlerarme, allerdings auch nicht besonders inspirierte Art.

Dass die Dreierkette mit Kaan Ayhan und Andre Hoffmann auftrat, war dagegen schon vorher klar. Auch Matthias Zimmermann am rechten Eck der Raute dürfte nie zu Diskussionen im Trainerteam geführt haben. Weil Bodze wegen der Gelbsperre fehlte, musste der wieder fitte Marcel Sobottka ran, der aber eben nicht den „modernen Libero“ spielte, die Lieblingsrolle des Adam Bodzek, sondern – wie erwähnt – die hintere Position der Raute mit der Lizenz zu Kreativspiel, die er nicht besonders oft nutzte. Spielmacher war klar Kevin Stöger, dem die gewählte Konstellation nicht besonders lag. Denn Rösler & Konsorten hatten den Burschen als secret word of the day mitgegeben: GEDULD. Das ist nicht des guten Kevins große Stärke, dieses Lauern und Schauen auf Lücken und dann zurückkicken, wenn sich vorne keine Anspielstationen bieten. In diesem Punkt war ihm gestern Valon Berisha überlegen, der zudem mit robuster Einsatzfreude Spaß machte.

Thommys Leiden

Die Coaches hatten entschieden – vermutlich wegen seiner Länge – Kenan Karaman als Spitze aufzubieten, der aber mit dem Spiel insgesamt überhaupt nicht zurechtkam. Und das ist kein Vorwurf, denn läuferisch und kämpferisch zeigte er wieder einmal das volle Pfund. Nur liegt ihm das Anlaufen, das Wühlen und Kratzen und Beißen da vorne lange nicht so gut wie Hennings, der folgerichtig (wenn auch erst in der 81. Minute – Ihr Ergebener hätte ihn um die 60. eingewechselt…) kam und den F95-Auftritt mit seiner spezifischen Spielweise noch einmal änderte. Leiden musste Erik Thommy, den die BVB-Kicker wohl als gefährlichsten Düsseldorfer ausgemacht hatten und der dementsprechend oft auf die Knochen bekam. Die erste Halbzeit zeigte aber auch, dass seine Dribbelstärke nichts nützt, wenn er a) von außen nicht weit genug nach innen ziehen kann und b) der Sechzehner nur mit einem eigenen Stürmer besetzt ist.

Es ist schon erstaunlich, wie wenig Flo Kastenmeier von einem Team, das aktuell 82 Tore auf dem Konto hat, auf die Kiste bekam. Zwei Dinger gingen rein. Beim nicht gegebenen Tor hatte Flo null Chance, beim Todestreffer auch nicht. Bei der Monsterchance der Gelben in der 17. Minute aber parierte er im Stile eines Weltklassekeepers. Hervorzuheben ist auch Andre Hoffmann, der in der ersten Halbzeit mindestens drei wahnsinnige Rettungsaktionen fabrizierte und der König der Balleroberung war. Schwächen erlaubte sich Gießelmann, also einige blöde Ballverluste und Fehlpässe. Offensichtlich versuchte er früh, durch Meckern eine gelbe Karte zu provozieren, aber erst ein taktisches Foul der Sorte Guckma-Schiri-ich-halt-den-fest brachte den Erfolg. Somit fehlt Niko wie gewünscht in Lepizsch und darf gegen Augsburg wieder mittun.

Irre Labberköppe

Natürlich kommen in den angeblich „sozialen“ Netzen wieder die irren Typen um die Ecke, die dem aktuellen Kader die Erstligareife absprechen, den Siegeswillen und das, was sie in Unkenntnis der Bedeutung des Begriffs „Mentalität“ nennen. Die Argumente dieser Untergangsphilosophen: Wenn sich eine Mannschaft in der Nachspielzeit ein solches Tor fängt, dann hat sie es auch nicht anders verdient. Gern begleitet mit blöden Sprüchen und/oder derben Beleidigungen gegen einzelne Spieler und den Trainer. Diesen defätistischen Labberköppen sei gesagt: Wer sich öffentlich so zu der Mannschaft äußert, deren Fan sie angeblich sind, sollten sich einen anderen Verein suchen oder einfach die Fresse halten. Wohlgemerkt: Kritik an den Coaches und den Kickern ist nicht nur erlaubt, sondern auch erwünscht – wenn sie annähernd konstruktiv ist und wenn dabei nicht Menschen niedergemacht werden. Amen.

Wie auch schonmal erzählt: Schaut sich Ihr Ergebener Auswärtsspiele im Kreise der Expertenrunde in einer Kneipe an, kriegt er von dem ganzen Sky-Zipp und -Zapp praktisch nie etwas mit. Das ist bei erzwungenen TV-„Genuss“ am heimischen PC anders – und schockierend. Sieht so aus, als ob diese ganze Fußballspielerei inzwischen nur noch einen Zweck hat, nämlich, dass Leute auf die Ergebnisse wetten. Zwischen de Vorgeplänkel und dem eigentlichen Spiel brachte Sky sage-und-schreibe achtzehn Werbespots für eine dieser Zockerbuden; einmal volle sieben Minuten am Stück. Ja, eine dieser Firmen, die der Fußballblitz beim Kacken treffen möge, argumentiert ja sogar, Wetten zu platzieren seien die beste oder gar einzige Möglichkeit, an den Fußball-Matches teilzuhaben. Perverser geht nicht… Was am Personal auffällt ist, dass es inzwischen offensichtlich normal ist, die persönlichen Sympathien und Antipathien die eigenen Äußerungen fast ungefiltert einfließen zu lassen und trotzdem so zu tun, als sei man objektive Instanz.

Quotenfixierte Medienfuzzis

Letzter Teil der Medienschelte: In den TV-Zusammenfassungen, die Ihr ziemlich Ergebener gesehen hat, fehlt jedes lobende Wort für die taktische Meisterleistung der Fortuna. Im Gegenteil: Die Sache wird als öder Kick abgetan, gern mit dem Spruch „Wer ein Spektakel erwartet hatte, wurde enttäuscht.“ ‚Tschulligung, sind wir im alten Rom, im Zirkus der Gladiatoren, wo Spiele nur als Erfolg galten, wenn es so richtig rund ging, also mit abgehauenen Köpfen, toten Tigern und blutenden Kämpfern? Nein, es handelt sich um die Sicht der großflächig verblödeten Fernsehmacher, die alles, was sie tun, für Unterhaltung halten und – quotenfixiert wie sie ticken – auf Spektakel hoffen. Wer aber als Fußballzuschauer – und hier sind ausdrücklich nicht nur Fans von Clubs gemeint, sondern Menschen, die das Spiel mit dem getretenen Ball mögen – ein paar Jahre auf dem Buckel hat, weiß, dass man solche Spektakel nicht herbeiwünschen kann, sondern dass sie einfach passieren – nicht oft und eigentlich nie, weil man es erwartet hat.

Zurück zum Sport. Und der Frage: Wie kann man sich in den letzten zehn Sekunden einer Partie noch den tödlichen Treffer einhandeln? Oder: Wer trägt die Schuld? Auch hier hat sich Ihr ausgesprochen ergebener Berichterstatter den Tort angetan, die Szene ungefähr ein Dutzend Mal über das Display flimmern zu lassen. Ja, verdammt, Gießelmann war zu weit weg. Aber selbst, wenn ZWEI Fortunen dichter an dem blonden Buben im pissgelben Gewand dran gewesen wären – ob sie dessen Monsterkopfball hätten verhindern können? Wohl kaum. Höchstens, indem sich einer an dessen Füße gehängt und ihn so am Aufsteigen gehindert hätte, aber dann hätte es Strafstoß gegeben. Höher zu steigen als der, um die Pille abzufangen, ist keinem der Fortunen, die zu diesem Zeitpunkt auf dem Platz standen, gegeben. Und dass der Recke das Ding perfekt verwandelt hat, wo er doch sonst nur mit dem Fuß trifft, darüber sollte es keine zwei Meinungen geben. Der Fehler lag früher.

Eine Schuldfrage

Die Situation in Minute 94 war nämlich so, dass der BVB alles nach vorne gebracht hatte, dass den nominellen Stürmern, diesen angeblichen Wunderknaben, immer noch nichts einfiel. Blöderweise ließen sich unsere Jungs in Weiß aber darauf ein, sich in den eigenen Sechzehner drängen zu lassen. Klar, die wussten auch, dass maximal noch eine Aktion zu überstehen war, und sie waren müde, waren sie doch deutlich mehr gerannt (116 : 107.5 Kilometer) und hatten sie doch deutlich mehr Schmalz in den Zweikämpfen gelassen. Power für eine Vorverteidigung im Mittelfeld war einfach nicht mehr da. Dass aber der Borusse (der übrigens beim BVB noch nie eine Torvorlage geliefert hat) völlig frei zum Flanken kommen kann, dass nicht ein Fortune überhaupt in seiner Nähe war, das betrachtet Ihr Ergebener als den entscheidenden Fehler.

Nein, schämen müssen sich F95-Spieler und -Coaches für dieses Spiel und selbst für diese furchtbar unglückliche Niederlage ganz gewiss nicht. Im Gegenteil: Das Kompliment Nummer Eins geht an das Trainer-Team, also Uwe Rösler, Thomas Kleine, Rob Kelly und Axel Bellinghausen für einen tollen Spielplan, der um ein Haar aufgegangen wäre. Das zweite Kompliment geht an alle eingesetzten Kicker für ihre Laufbereitschaft, ihren Kampfeswillen, ihre taktische Disziplin und ihre Geduld. Natürlich nutzt das alles im Kampf gegen den Abstieg nichts. Aber so langsam sollten sich (gerade erfahrenere) F95-Fans fragen, ob denn der Abstieg wirklich so schrecklich wäre. Es wird gern und zurecht als Argument gebracht, dass die Fahrt ins Kellergeschoss erhebliche finanzielle Einbußen brächte. Aber, was würde das schaden? Komfortabel ist doch, dass unsere kluge Vereinsführung seit Langem darauf verzichtet hat, auf eine glorreiche Zukunft zu wetten, sich also zu verschulden, Haus und Hof und Fernsehrechte zu verpfänden, sondern so sauber gewirtschaftet hat, dass Fortuna das Schicksal anderer Traditionsvereine erspart bliebe. Auch wenn der Vergleich auf fast allen Beinen hinkt: Blaupause kann nur der SC Freiburg sein, der bisher auch jeden Abstieg schadlos verkraftet hat. Ihr erheblich Ergebener meint sogar: Lieber ein schuldenfreier, sportlich sauberer Fahrstuhlclub als eine fremdfinanzierte GmbH & Co. KG (siehe HSV, siehe Schalke 04), die mehr als zwei Jahre Unterklassigkeit nicht überleben würden.

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