Website-Icon Fortuna-Punkte

Fortuna-Punkte: Vielen Dank, Lutz Pfannenstiel, und alles Gute!

[Vorsicht: Sehr langes Lesestück] Während die üblichen Verdächtigen auf den üblichen sozialen Kanälen auf den zum 30. Mai ausgeschiedenen Sportvorstand Lutz Pfannenstiel draufhauen, sagt Ihr sehr ergebener Fortuna-Analyst einfach: Danke, Lutz! Das auch, um der ganzen Häme, der ganzen Bosheit und dem ganzen Schmutz, der auf ihn und seine Frau abgeladen wurde, etwas entgegenzusetzen. Und gleichzeitig auch Bilanz zu ziehen über sein Wirken in den achtzehneinhalb Monaten seiner Zeit bei der Fortuna. Wie jetzt? Achtzehneinhalb Monate, wo der doch vom 16. Dezember 2018 bis Ende Mai bei uns war? Das sind doch nur etwas mehr als 17 Monate…

Unterstützt TD!
Dir gefällt, was The Düsseldorfer über die Fortuna schreibt? Und vielleicht auch die Artikel zu anderen Themen? Du möchtest unsere Arbeit unterstützen? Nichts leichter als das! Unterstütze uns durch ein Abschließen eines Abos oder durch den Kauf einer Lesebeteiligung – und zeige damit, dass The Düsseldorfer dir etwas wert ist.

Falsch, denn – und das haben von denen, die häufig und laut das Maul gegen ihn aufgerissen haben, nur wenige mitgekriegt – der gute Lutz war natürlich bis zum bitteren Ende der Saison ganz nah bei der Mannschaft und beim Trainerteam, auch über das offizielle Ende seiner Amtszeit hinaus. „Das gebietet der Anstand, dass ich die Jungs nicht mitten während der laufenden Saison einfach im Stich lasse, bloß weil ein Vertrag endet,“ hat er Ihrem Ergebenen persönlich gesagt. So viel zum Thema „Handlungsreisender in Sachen Fußball“, einem immerhin recht milden Vorwurf der Hater-Fraktion. Und wer mit den Kickern, die das F95-Logo für uns über dem Herzen trugen, gesprochen hat, wird feststellen, dass Lutz Pfannenstiel einer von ihnen war, einer, den sie sehr geschätzt haben.

Der Funkel-Sturz

Das größte Verbrechen, dass ihm die erwähnte Meute vorwirft, war ja wohl der Sturz ihres überlebensgroßen Denkmals Friedhelm Funkel. Wer die Fortuna-Punkte regelmäßig liest, weiß, dass Ihr Ergebener kein Freund von Trainerentlassungen während der Saison ist. Wer aber auch die Spielberichte der letzten Partien unter dem faltigen Neusser gelesen hat, ahnt, dass er diese Demission zu dem Zeitpunkt für richtig gehalten hat. Die Spielweise und die von Funkel verantworteten Aufstellungen sahen nicht so aus, als könne die Mannschaft die Klasse halten. Dass es auch unter Uwe Rösler nicht geklappt hat, steht auf einem anderen Blatt, dass wir uns demnächst noch genauer ansehen werden.

Von außen betrachtet sah der Zeitpunkt des Trainerwechsels mehr als unglücklich aus, und auch bei der Kommunikation der Entscheidung hat Sportvorstand Pfannenstiel keine gute Figur gemacht. Für das, was sich in den darauf folgenden Tagen an Shit über ihn und seine Familie ergossen hat, schämt sich Ihr Ergebener im Namen aller aufrechten Fortunen. Zumal inzwischen auch bekannt ist, aus welcher Ecke die Kampagne angezettelt wurde. Als Ihr Ergebener kürzlich mit Lutz beim Kaffee saß, betonte er: „Wenn’s nur gegen mich persönlich gegangen wäre, das hätt ich ausgehalten. Dass aber gerade meine Frau, die mit alldem ja nichts zu tun hat, angegriffen und auch bedroht wurde, war zu viel.“ Die Arschlöcher, die den Shitstorm zu verantworten haben, schreckten nicht einmal davor zurück, anzukündigen, den Familienhund abzuschlachten – dies alles belegbar durch aufgezeichnete Nachrichten in den sozialen Kanälen. Wer da immer noch plärrt, der langhaarige Hippie habe sich wegen Erfolglosigkeit verpisst, ist kein Deut besser als die Keyboard Warriors, die über Tage nicht müde wurden, rassistische und sexistische Beleidigungen und übelste Drohungen über die Pfannenstiels auszukippen.

Rheinische Mentalität falsch eingeschätzt

Selbstkritisch hat Lutz aber auch zugegeben, die spezifische Düsseldorfer Mentalität, das Rheinische, und auch die besondere Gefühlswelt der Fortuna-Fans nicht richtig eingeschätzt zu haben. Wir wissen, ist er nicht der einzige (und weder der erste, noch der letzte), der von außen kam und letztlich an dieser spezifischen Mischung aus schlechten Erfahrungen, Leidensgeschichte und auch Verfolgungswahn des sogenannten „Umfelds“ gescheitert ist. Zumal ein Fass voller Vorurteile verschiedenster Geschmacksrichtung schon kurz nach seinem Arbeitsbeginn im zeitlichen Umfeld der „Posse“ um die Vertragsverlängerung mit Funkel im Trainingslager in Marbella ausgekippt wurde. Ihr höchst ergebener Fortuna-Beobachter kann also die Reaktion des Lutz Pfannenstiel, den Verein aus privaten (nicht persönlichen!) Gründen zu verlassen, nachvollziehen.

Nur hat er sich damit leider auch in die Situation gebracht, dass seine Arbeit für F95 zum Ende seiner Dienstzeit nur an kurzzeitigen Effekten gemessen werden kann. Die Pfannenstiel-Gegner (um diese Gruppe mal nett zu beschreiben) gehen davon aus, dass Lutz für die Zusammensetzung des Kaders der Saison 2019/20 voll verantwortlich ist und sagen gern, er habe diese oder jene „Lusche geholt“. Wer sich aber nur ein bisschen auskennt, ist das Verpflichten und Ausleihen von Spielern bei einem Verein in den oberen Ligen immer das Werk von mehreren. Die Voraussetzung ist immer das Budget, das der Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats für Ablösesummen, Leihgebühren und Spielergehälter freigibt. In diesem Rahmen arbeiten dann das Trainer-Team, die Mitarbeiter der Abteilung „Kaderplanung“ und der Sportvorstand zusammen.

Der Prozess des Kaderbastelns

Zweiter Ausgangspunkt ist der zum Ende einer Saison existierende Kader, also die Gruppe der Kicker, die weiter zur Verfügung stehen und die man halten möchte. Wie das für die Saison 2018/19 aussah, war hier in den Fortuna-Punkten im Detail zu lesen. In der Regel gibt der Cheftrainer – im Sommer 2019 als Friedhelm Funkel – das Konzept vor, aus dem sich die Kriterien für Wunschspieler auf den verschiedenen Positionen ergeben. Eine große Rolle spielt dann der Hauptverantwortliche der Nachwuchsarbeit, der passend zum Trainerkonzept Jungs aus der U19 und U23 vorschlägt, die einen Platz im Kader der ersten Mannschaft bekommen.

Die Kaderplaner in Kooperation mit dem Sportvorstand (oder woanders Sportdirektor, sportlicher Leiter oder Manager) gehen nun auf die Suche mit einer Mappe voller Anforderungsprofile. Die Scouts geben auf Basis ihrer beobachtenden Arbeit Tipps, nennen Kicker, die man sich anschauen sollte. Die vernetzten Kaderplaner checken gleichzeitig, welche Spieler im Rahmen des Budgets überhaupt zu haben wären – und wenn ja, zu welchen Konditionen. So entsteht ein Raster, durch das eine gewisse Anzahl Namen fällt, mit denen man sich näher beschäftigt. Und da kommen die Connections ins Spiel. Weniger gut vernetzte Sportmanager wenden sich sofort an die Spielerberater, die Vermittlungsagenturen – die den Clubs übrigens schon sehr frühzeitig Spieler anbieten.

Und dann zählt das Netzwerk

Wer aber, wie Lutz Pfannenstiel, aufgrund seiner Vita Fußballgott und Fußballwelt rund um den Globus kennt, der fängt das Telefonieren an. Nicht nur mit Kandidaten, sondern mit Kollegen bei anderen Vereinen, mit Leiter von Nachwuchszentren, mit Fußballfreunden, mit noch aktiven Spielern und anderen Menschen, von denen man etwas über mögliche neue Spieler erfahren kann. Am Ende steht eine detaillierte Liste, die dann im Kreise von Trainern und Kaderplanern diskutiert und auf die wirklichen Wunschkicker verengt wird. Erst dann nehmen die Verantwortliche konkret Kontakt mit Spielervermittlern und Verantwortlichen anderer Clubs auf. Und erst wenn sich zeigt, dass die Möglichkeit besteht, den einen oder anderen Balltreter „zu holen“ beginnen Vertragsverhandlungen.

Übrigens: So fundiert und akribisch geht man bei der Fortuna noch nicht sehr lange vor, was vor allem mit der Besetzung des verantwortliche Postens und den Profilen der Herren, die diese einnahmen, zu tun hat – man denke nur an Helmut Schulte und Rachid Azzouzi. Unter dem ehrenamtlichen Sportvorstand Erich Rutemöller war es noch wieder anders, weil da die Kaderplaner um Uwe Klein die Hauptarbeit zu leisten hatten. Jedenfalls ist diese Arbeit mit dem Zusammensetzen eines 10.000-Teile-Puzzles zu vergleichen, wobei viele, gute Kontakte in die Fußballwelt die Sache erleichtert. Wenn eines unumstritten ist, dann dass Lutz Pfannenstiel aufgrund seiner fast 30-jährigen Wanderschaft in Sachen Rundball wirklich bestens vernetzt ist – und zwar international.

Die Flops, Tops und Möglichkeiten

Wen hat Lutz denn nun geholt und welche dieser Spieler haben der Fortuna in der Saison 2019/20 geholfen? Stopp! Ein Aspekt fehlt. Zur Arbeit eines Sportvorstands gehört auch die kontinuierliche mittel- und langfristige Planung. Das bedeutet, dass ein Kicker, der in seiner ersten Saison nicht eingeschlagen hat, à la longue vielleicht zum überragenden Führungsspieler, zum Torschützenkönig oder Welttorhüter wird. Man denke an die erste Saison von Benito Raman bei uns… Betrachten wir auf diesem Hintergrund die Verpflichtung von Trainer Uwe Rösler, die zu mindestens 90 Prozent auf Pfannenstiels Mist gewachsen ist.

Der wird ja von den Forums- und Facebook-Cheftrainer gern als unerfahren, mit der Bundesliga nicht vertraut und überhaupt (ja, das Wort fiel) „Provinzler“ bezeichnet. Was natürlich Quatsch ist. UR verfügt – ähnlich wie LP – über viel Erfahrung als Spieler und Trainer in mehreren Ligen. Gut, herausragende Erfolge hat er in England, Norwegen und Schweden in den 15 Jahren seiner Trainerlaufbahn nicht zu verzeichnen, aber offensichtlich hat er ein Händchen dafür, Clubs mit eher bescheidenen Kaders weiterzuentwickeln – man denke an den FC Brentford und Malmö FF. Und, das bestätigen viele der Kicker, die unter ihm zu Werke gingen, er ist immer noch sehr nah an ihnen dran, obwohl er vor 17 Jahren den letzten Ball als Aktiver getreten hat.

Rösler als Perspektivtrainer

So betrachtet kann man nicht im Mindesten sagen, Uwe Rösler sei als „Retter geholt“ worden, sondern – und das bestätigt Pfannenstiel im Gespräch – als Perspektivtrainer, also als einer, der über mehrere Jahre entscheidend an der Entwicklung des Teams und des Vereins mitwirken soll und kann. UR also am beschissenen Abstieg zu messen, geht an den Zielen der Übung völlig vorbei. Und: Wer abstreitet, dass sich das Spiel der Mannschaft nach seinem Einstieg im Vergleich zur Funkel-Ära nicht grundlegend zum Positiven verändert hat, hat einfach keine Ahnung vom modernen Fußball.

Vor Jahren unterhielt sich Ihr Ergebener mal mit einem Fortuna-Freund, der seinerzeit für einen Sechstligisten in der Kaderplanung tätig war. Der sagte den schönen Satz: „Jede Spielerverpflichtung ist eine Wette – manchmal verlierst du, manchmal holst du den Jackpot.“ Wohl wahr, und wenn ein Sportvorstand wie Lutz Pfannenstiel doch an seinem kurzfristigen Erfolg gemessen werden soll, dann stellst sich die Frage: Wer waren die Nieten, wer die Gewinnlose? Unumstritten ist, dass Lutz mit Flo Kastenmeier einen Tormann geholt hat, von dem niemand erwartet hätte, dass er in derart kurzer Zeit zur Nummer Eins und Stütze des Teams werden könnte. Okay, ein ehemaliger Keeper sollte das Talent eines Torhüters natürlich erkennen.

Wen hat Lutz denn wirklich „geholt“?

Bis dahin trotz zählbarer Erfolge weithin übersehen war Erik Thommy, der flinke Flitzer mit dem Hang zum Toreschießen. Für dessen Leihe von Stuttgart sorgte Pfannenstiel und handelte unerwartet eine Kaufoption aus. Leider wird man die nach dem Abstieg nicht ziehen können, aber sicher ist, dass der ernste Erik zu den besten Fortunen der abgelaufenen Saison gehörte. In welchem Maße Lutz für die Verpflichtung von Johannes Bühler (Johannes wer?) beteiligt war, ist umstritten, wahrscheinlich hatte er damit nichts zu tun. Das gilt übrigens auch für Thomas Pledl, den angeblich vor allem Friedhelm Funkel unbedingt haben wollte. Schauen wir uns also die acht weiteren Kicker an, die Pfannenstiel „geholt“ hat.

Alle wollten Dawid Kownacki, der als Leihspieler einen hervorragenden Eindruck hinterlassen hatte. Die Sofatrainer forderten den geradezu und meinten, für den „müsse man mal Geld in die Hand nehmen“. Hat der Sportvorstand gemacht, hat aus verschiedenen Gründen nicht den erhofften Erfolg gebracht. Das ist besonders traurig, weil der gute Dawid einfach ein netter Kerl ist und einen Rucksack voller Talent mit sich trägt, den er aufgrund von Verletzungen viel zu selten öffnen konnte.

Nehmen wir Valon Berisha, der im Winter kam und zusammen mit dem genesenen Kevin Stöger ein paar tolle Partien machte und auch an schlechten Tagen immer volle Kanne gearbeitet hat. Betrachten wir auch Steven Skrzybiski, auf dem zu Beginn der Rückrunde nicht besonders große Hoffnungen lagen, der uns aber auch nicht wirklich weitergeholfen hat. Wobei: Besonders heftig kritisiert wird Lutz Pfannenstiel ja für die Verpflichtung von Nana Ampomah und Börnie Tekpetey (wobei letzterer ja ausdrücklicher Wunschspieler von Funkel war). Es heißt, die hätten enttäuscht. Ja, kann man sagen. Und weil sie in der Hinrunde enttäuscht haben und insbesondere Nana als Perspektivspieler geschützt werden musste – das könnte die eigentlich vorgesehene Rolle für den guten Steven gewesen sein.

Die kommenden Talente

Enttäuscht hat sicher der gute Börnie, der anfangs aufblitzen ließ, weshalb er bei Paderborn so wichtig war. Aber, schnell wurde klar, dass er gern aufgibt, wenn ihm die Gegenspieler nur konsequent genug auf die Knochen steigen. Zur Fortuna kam Tekpetey im Zusammenhang mit dem Raman-Deal, quasi als Dreingabe. Und abschreiben sollte man ihn noch nicht; gerade in der zweiten Liga könnte er wieder reüssieren. Dass Nana Ampomah in der kommenden Saison ganz groß rauskommt, sollte dann niemanden überraschen, der ihn jetzt schon als teuren Flop sieht. Ins Funkel’sche System hat er schlecht gepasst, zumal ja Friedhelms Probleme mit Kickern, die nicht deutsch sprechen, bekannt sind. Nana muss wachsen, und Uwe Rösler ist einer, unter dem er wachsen kann. Dass das vor allem für das Riesentalent Kelvin Ofori zutrifft, darüber gibt es nicht einmal bei den schärfsten Pfannenstiel-Kritikern zwei Meinungen. Genau wie über die Meinung, Markus Suttner sei ein absolut solider Neuzugang gewesen.

Kaum bemerkt aber wurde eine Initiative vom Lutz, die schon mittelfristig Wirkung zeigen könnte: Die begabtesten Jungs aus dem NLZ von Frank Schaefer zur kommenden Saison in den Profikader zu holen. Und dass durch sein Tun der Zugang zur ghanaischen Talentschmiede für die Fortuna auch in Zukunft offensteht, ist auch klar.

Tschüss und schönen Dank

Niemand muss jeden mögen, und ein Globetrotter, der mit 18 aus dem hintersten Bayern hinaus in die Welt zog, ohne seinen Akzent abzulegen, und der eine Frisur trägt, die man nicht mehr hat, muss bei einer gewissen Spezies Leute anecken. Alle Fortuna-Anhänger, die den Lutz persönlich kennengelernt oder zumindest mit ihm gesprochen haben, mochten ihn. Dass es auch Typen gibt, die ihn für „arrogant“ halten, ohne je ein Wort mit gewechselt zu haben, macht fassungslos. Und natürlich standen irgendwann die Weltläufigkeit des Lutz Pfannenstiel und die Neussigkeit des Friedhelm Funkel gegeneinander.

Natürlich lieben wir unsere Stadt und unseren Verein und wollen am liebsten, dass alle – vom Rasenlochstopfer über die Spieler bis zum Präsi – ächte Düsseldorfer sind. Aber, Düsseldorf ist eine weltoffene Stadt, der es immer gut tut, wenn von außen frischer Wind reinkommt. Insofern hat ein Fußballweltenwanderer wie Lutz Pfannenstiel dann doch sehr gut zu uns gepasst. Hat nicht sollen sein mit einer langfristigen Liebesgeschichte. Also bedanken wir uns und wünschen ihm alles Beste auf seinen nächsten Stationen auf dem Globus, der so rund ist wie ein Fußball.

Die mobile Version verlassen