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F95 vs Würzburg 1:0 – von Helden, Siegern und Arbeitern

Für Romantiker, die den Fußball immer noch für einen Sport halten, könnte gestern eine Heldensaga entstanden sein. Denn einen Helden macht nicht nur aus, dass er Großes vollbringt, sondern dass er sich durch sein tugendhaftes Verhalten über die anderen erhebt. In diesem Sinne ist Dawid Kownacki ein Held. Aber, nicht jeder Held ist auch ein Sieger, so wie auch nicht jeder Sieger ein Held ist. Der Sieger gestern war klar Flo Kastenmeier, aber Tormänner können bekanntlich bestenfalls Pokalhelden werden, wenn sie ein paar Dinger im Elfmeterschießen halten. Und dann sind da noch die Arbeiter, die sich nach Kräften bemühen, den Helden und Siegern den Boden zu bereiten. Bei Fortuna waren gestern alle drei Typen vorhanden.

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Der Mann, dessen Name auf einen Helden zurückgeht, der einen Unbesiegbaren besiegte, hatte nun wirklich monatelang die Scheiße am Bein. Die üblichen Kläffer in der Meute der angeblichen Fans hatten ihn schon angepinkelt und als teuren Fehleinkauf etikettiert und die Causa Kownacki als weitere Munition gegen den früheren Sportvorstand Pfannenstiel benutzt, den sie hassen, weil er so anders ist als sie. Der gute Dawid selbst hatte die Situation teilweise aber auch durch sein eigenes Verhalten verschlimmert. Dann war er wieder fit, und – zack – kam Corona und holte ihn aus dem Training. Zum ersten Mal, seitdem er bei der wunderhübschen Fortuna ist, kämpfte er sich zurück. Und weil er unbedingt wieder spielen wollte, weil ein Fußballer eben spielen will, bat er darum am vergangenen Dienstag mit der Zwoten auflaufen zu dürfen. Dort zeigte er sich als echter Unterstützer und war dankbar dafür, dass er mittun durfte. Also setzten ihn Coach Rösler und Kollegen gegen Würzburg auf die Bank, ohne das absehbar war, dass man ihn auf die Wiese holen würde.

Brennend wie eine Lötlampe

Erst in der 73. Minute kam er für Kenan Karaman (über den noch zu reden sein wird) und haute sich sofort voll rein. Immer auf Balleroberung aus turnte er durchs Mittelfeld, positionierte sich bei Ballbesitz seiner Kollegen sofort als Spitze und brannte wie eine Lötlampe. Ihr sehr ergebener Berichterstatter schwört bei allen Fußballgöttinnen: Um die 80. Minute herum sagte er, passt auf, der Kownacki macht ein Tor. Was aber niemand der Blocknachbarn wegen Mundnaseschutz und Abstandsregel hörte. Vermutlich war da der starke Wunsch Vater des Genuschels. Dann kriegt Toni Pledl links außen einen zweiten Ball, geht runter und nach innen an den Rand des Fünfmeterraums, passt scharf, Rouwen Hennings verpasst, was den Würzburger Keeper irritiert, sodass er das Ei nach links vorne abklatscht, wo der Held gerade steht und die Pille ins Gehäuse drückt.

1:0! Endlich! Nach mühsamen 82 Minuten! Ausgerechnet Kownacki! Der rennt zur Eckfahne, und Ihr Ergebener hat ihn genau vor sich: so viel Glück im Gesicht! Die Kameraden kommen angerauscht, er liegt auf den Knien, dann auf dem Bauch, und es bildet sich eine rote Pyramide. Selten hat es ein F95-Kicker so sehr verdient wie der. Wobei: Der Vorlagengeber muss dringend noch einmal erwähnt werden, der Pledl Toni, bei dem man sich fragt, was das Funktionsteam mit dem angestellt hat, dass der in dieser Saison anscheinend knotenfrei rumläuft, schnell, trickreich, mit gutem Auge. Seine Einwechslung für Brandon Borrello zur zweiten Halbzeit machte aus einem nur mühevollen Gewürge eine Art Fußballspiel. Viel mehr fragt sich Ihr erheblich ergebener Analyst, was die fortunistische Sportfraktion mit Kenan Karaman angestellt hat, dass er gestern so brav mitgemacht hat. Also, wirklich eher brav als brennend. Aber: Immerhin. Ein Witz, der die Runde machte, besagte: Man habe ihn auf Mafiaart ein Angebot gemacht, das er nicht ablehnen konnte…

Hundert Prozent in Minute 3

Im Tor der Mainfranken stand übrigens Fabian Giefer, einer der Ex-Fortunen, die meinten, sich mit einem Wechsel zu Schalke0:4 verbessern zu können. Nun ist er unter des Magaths Fuchtel, was man ja niemandem gönnt. Immerhin hatte er einen erheblichen Anteil daran, dass es nicht schon nach zwei Minuten in seiner Kiste klingelte, denn da schiebt Karaman den Kugel nach außen zu dem durchgestarteten Florian Hartherz, der bis zur Grundlinie geht, von da aus fein an den Elfmeterpunkt legt, wo Borrello das Ding direkt nimmt, aber leider zu zentral auf Giefer schießt. Dann darf Brandon nochmal, aber der zweite Versuch wird geblockt.

Dann haben sich die Würzburger sortiert und operieren mit zwei sich horizontal verschiebenden Viererketten, durch die jeder Raum für Offensivbemühungen bei Bedarf geschlossen werden kann. Und setzen auf schnelles Umschaltspiel. Zweimal in kurzer Zeit sorgt das für Gefahr; einmal ist die Viererkette der Fortuna ein bisschen aus dem Leim, einmal haben die Gäste Überzahl. Und an dieser Stelle beginnt Flo Kastenmeier schon zum Sieger zu werden. Dann fängt’s über der Spielautomatenarena an zu schütten, und die Sache wird sehr, sehr zäh. Wie schon in Hamburg fehlen den Fortunen nördlich der Defensivkette die Ideen, wie dort hängt Hennings in der Luft, wie dort passiert überhaupt nur was auf der Hartherz-Seite, und Borrello entpuppt sich immer mehr als Schönspieler ohne große Wirkung.

Flexible Ketten dank Bodze

Interessant eine taktische Übung: Je nach Lage ging Käpt’n Bodzek, der wieder als defensiver Sechser unterwegs war, als dritter Innenverteidiger nach hinten, sodass vorübergehend ein 3-5-2 entstand, also ein Übergewicht im Mittelfeld durch das Umfunktionieren von Matthias Zimmermann und Florian Hartherz zu Außenläufern. Brachte aber auch nichts. Ihrem Ergebenen hatte die F95-Kommunikationsabteilung einen Sitz jotweedee auf der Pressetribüne, noch oberhalb der Analystenplätze, zugewiesen, was ihm nicht einmal einen Blick auf die Außenlinie ermöglichte. Dafür wurde er von den Reaktionen von Co-Trainer Axel Bellinghausen verwöhnt, der die erste Halbzeit da oben verbrachte und sich äußerst temperamentvoll zum Gesehenen äußerte – um es mal so auszudrücken. Da oben ist es einsam, und des Berichterstatters Blick fiel sehnsuchtsvoll auf seinen Block auf der Süd, auf den er dann zur zweiten Halbzeit wechselte.

Nun waren ja offiziell 10.800 Zuschauer zugelassen, aber verkauft hat der Verein gerade einmal 7.500 Tickets. Woran das lag, ist noch unerforscht. Für Ihrem Berichterstatter fühlte sich die ganze Veranstaltung anfangs komplett falsch an. Weil eben trotz der treuen Zuschauer das fehlt, was für ihn AUCH Fußball ausmacht: die Gespräche mit den Freund*innen im Block, das Zusammensein mit Leute, die man seit Jahren kennt und vor denen man sich mit seinen Emotionen rund um Fortuna nicht zu verstecken braucht. Organisiert war die Sache gut mit einigen logischen Schwächen und ein bisschen Kommunikationsreibungen – vor allem, was die Information der Ordner angeht, die nicht alle wirklich richtig informiert waren und dementsprechend an mancher Stelle nicht helfen konnten. Fast perfekt die Disziplin der Fans in Bezug aufs Maskentragen und Abstandhalten – die dafür zuständigen Ordner mussten kaum eingreifen.

Besser im Block

Als Ihr maximal Ergebener für die zweite Hälfte in den Block wechselte, war sein Gefühl schon besser – die Atmosphäre ähnelte der einer schlecht besuchten Drittligapartie (die Älteren werden sich erinnern), allerdings ohne Ultras. Deren Block war in Absprache mit ihnen komplett leer geblieben. Wehmütig dachte man an Choreos, Wechselgesänge und Schlachtrufe und auch daran, wie schön man sich doch immer über den Kapo ärgern kann. Offensichtlich waren aber besonders auf der Süd die engagierten Fans in der Mehrheit, denn dort entsprangen regelmäßig Support-Klassiker, und manchmal war es richtig laut. Ging, also. Was nicht geht ist diese Leier der Sportkommentator*innen, wie sehr sich die Leute freuen täten, wieder ins Stadion zu dürfen. Rundgefragt war die Skepsis größer als die Freude. Wobei die Fernsehversenden natürlich heilfroh sind, wieder Geräuschkulisse zu haben.

In der zweiten Halbzeit war auf jeden Fall mehr Pep drin, und zwar von beiden Seiten. Die Würzburger hatten verinnerlicht, dass ihr Achterbollwerk den F95ern regelmäßig den Zahn zog, und schoben einen Mann aus der Mittelfeldviererkette bisschen vor, sodass eine Art 2-1-Sturm entstand, besetzt mit lauter schnellen Flitzern und einem potenziellen Knipser, der unserem Flo schon in den ersten 45 Minuten Kopfschmerzen bereitet hatte. Diese Konstellation war für uns saugefährlich, dass trotzdem relativ wenig klare Chancen für die Gäste heraussprangen, hat mit mangelnder Konzentration und/oder Qualität zu tun. So wie Kickers offensiv auftraten, werden sie Dauerprobleme beim Toreschießen kriegen. Und hinten weichte der Doppelbeton auch mehr und mehr auf. Hatte sich der begabte Kelvin Ofori noch ein ums andere Mal festgedribbelt, ging Pledl (die Beiden standen zwischen der 46. und 62. gemeinsam auf dem Platz) wesentlich unkomplizierter zu Werke.

Ofori auf dem Flügel verschenkt

Es zeigte sich aber in aller Deutlichkeit, dass ein auf den Flügel verbannter Kelvin einfach nur verschenkt ist. Der Junge braucht die Narrenfreiheit eines Achters. Immerhin rochierten er und Borrello in der ersten Halbzeit regelmäßig, was den Gegner schon ein wenig nervös machte. Nominell war Jean Zimmer für Ofori gekommen, aber natürlich übernahm er nicht annähernd des Kelvins Rolle, sondern spielte seinen Flügelflitzerstiefel herunter. Der ist immer dann gefährlich bis erfolgreich, wenn er auf seiner Seite Partner hat, denen die Sache mit den Doppel- und Dreieckspässe gelingt – dazu zählte Matthias Zimmermann (der keinen so guten Tag wie sonst hatte). Als dritter Mann kam dann zum Glück Held Dawid dazu, der die Kiste kapiert. Dem guten Kenan war das zuvor eher nicht gelungen, weil er doch meist zwanghaft in die Mitte zieht.

Reden wir besser nicht von Schiri Hartmann, der sich offensichtlich eine harte Linie zurechtgelegt hatte (warum auch immer) und diese vor allem auf die Männer mit dem F95 über dem Herzen anwendete. Ha, dachten die Kickers, prima, dann schreien wir eben, wenn wir berührt werden und wälzen uns, damit die blöden Fortunen gelbe Karten scheffeln. Tatsächlich war es der australische Blondscheitel, der ein wenig zu ungestüm und, ja, ein bisschen dumm zu Werke ging und die ganze erste Halbzeit durch am Rande einer zweiten gelben Karte segelte. Ihn auf dem Pausenhof zu lassen, war eine notwendige Erscheinung. Man sieht daran aber auch, in welch hohem Maße eine verwirrter Referee Einfluss aufs Spiel nehmen kann, indem er eine Mannschaft durch solch einen Mist schwächt – also theoretisch. Denn in der Praxis ist die Hartmann’sche Dummpfeiferei ja noch mal gut gegangen. Denn der Strafstoß, den 91. Minute pfiff, geht okay – Andre Hoffmann hat einfach das Hemd seines Kontrahenten ein Mü zu spät losgelassen.

Die Stunde des Siegers

Da schlug die Stunde des Siegers. Wir erinnern uns, dass auch gegen den HSV ein Elfer flach auf seine linke Ecke ging, er abtauchte, sich langmachte und das Ei um ein Haar abgewehrt hatte. Duplizität der Strafstöße. Auch der Kickers-Kicker zielte an diese Stelle, aber seine Pille kam einen Hauch weiter innen an, und der Flo, der streckte sich und haute das Ding raus. Nun haben wir uns schon an seinen anderen Rettungen erfreut, sollten darüber aber nicht vergessen, dass der Herr Kastenmeiner im Stile eines Neuers gelegentlich den Libero macht und dass er tendenziell in der Spieleröffnung glänzt. Es ist gut, einen solchen Keeper, der sich so kontinuierlich weiterentwickelt, im Kader zu haben. Natürlich sorgte der Hartmann’sche Pfiff für Entsetzen auf den Plätzen, und natürlich raunte die üblichen Verdächtigen „typisch Fortuna“, als würde sich der Verein das aussuchen, dass er gelegentlich von sogenannten „Unparteiischen“ ganz anders als unparteiisch behandelt wird.

Ihr sehr Ergebener verlässt sich beim Verfassen seiner Spielberichte bekanntlich nicht nur auf den ersten Eindruck. Die Heimspiele guckt er live im Stadion, die Auswärtsspiele im Kreise der inzwischen legendären „Expertenrunde“ in einer angenehmen gastronomischen Einrichtung. An den heimischen Schreibtisch zurückgekehrt geht er sämtliche Ticker durch, um sich abends oder nachts eine komplette Aufzeichnung der Partie anzuschauen – gelegentliches Anhalten und Zurückspulen inklusive. Immer wieder zeigt sich, dass das, was man so vollemotional im Stadion wahrnimmt, einer rationalen Analyse nicht standhält. Nun gab es rund um den Bericht vom Hamburgspiel erhebliche Kritik am Artikel Ihres Ergebenen. Vorgeworfen wurden ihm vor allem die Verweise auf die offiziellen Statistiken. Die seien eh Blödsinn, hieß es, die täuschten, sagten manche, und einige argumentierten damit, dass es dem Fußball nicht gerecht werde, wenn man so eine Partie rational behandelt. Quatsch, sagt Ihr in höchstem Maße ergebene Berichterstatter, beides gehört dazu, aber Ballbesitz, Torschuss-, Pass- und Zweikampfquote sowie Laufleistung einfach zu ignorieren, macht jede Analyse beliebig – vielleicht der Grund, warum sich so viele von den Spochtrepochtern während und unmittelbar nach der Partie verfassten Berichte so ähneln und allesamt mit derselben Auswahl an Phrasen operieren.

Ein bisschen Statistik zum Angewöhnen

Kommen wir also zur Statistik, die dieses Mal mit der Wahrnehmung aller in der Arena Anwesenden, die so ein bisschen Ahnung haben, übereinstimmen dürfte. Danach lag F95 in allen Werte vorne, nur in einem nicht: Anzahl der Torschüsse. Und jenseits der Frage, was genau denn die offizielle Statistik für einen Torschuss hält, sah es auch so aus. Und weil es bereits im zweiten Spiel so bzw. so ähnlich war, müssen wir sagen: Fortuna, wir haben da ein Problem. Eine mögliche Beschreibung des Problems könnte lauten: Es muss nicht immer der Rouwen sein, der schießt. Tatsächlich hat Kenan Karaman überhaupt nur dreimal versucht, aufs Giefer-Gehäuse zu ballern, Ofori eigentlich gar nicht, von den anderen Kollegen – außer Borrello – ganz zu schweigen. Und da kommen Held Dawid und der Pledl Toni ins Spiel, die beide sofort versuchten, sich selbst in Positionen zu bringen, dass sich ein Torschuss lohnt. So kann’s gehen.

Womit wir endlich bei diesem merkwürdigen Mittelfeldduo aus Cello Sobottka und Adam Bodzek sind. Während Bodze klar auf Sicherung gepolt war und deshalb eben manchmal in einer Dreierkette ging, muss Sobottka einfach wesentlich flexibler antreten, einfach mehr für die Spieleröffnung tun, einfach mehr Ideen entwickeln und vor allem öfter die Kollegen auf außen einsetzen. Ihr Ergebener hatte Shinta Appelkamp in der Startelf erwartet, aber er kam dann in der 62. Minute als Ersatz für Sobottka und legte seine Rolle gleich deutlich offensiver an. Ja, der Junge hat Ideen, scheint aber noch nicht robust genug, sie gegen eine harte Band durchzusetzen. Übrigens: Das er in der Nachspielzeit ausgewechselt wurde, war ganz sicher keine Strafe, sondern der Tatsache geschuldet, dass mit Jamil Siebert noch ein kräftiger Defensivmann zur Ergebnissicherung drauf sollte.

Gut gearbeitet ist halb gewonnen

Gut gearbeitet haben alle, nicht durchweg erfolgreich. Wobei man an dieser Stelle einmal den letztens heftig gescholtenen Florian Hartherz hernehmen muss, der gestern die erste Chance der Partie kreierte, immer in Bewegung war, vorne wie hinten sauber agierte, aber eben nur selten inspiriert wirkte. Ob das mit seinem kommenden Positionskontrahenten, dem Griechenbrasilianer Leonardo Koutris anders wird, der also quasi als Motivation dient, kann man bezweifeln. Hartherz ist ein fleißiger Arbeiter, so wie auch Andre Hoffmann, Kevin Danso, Matthias Zimmermann, natürlich Bodze und auch Rouwen Hennings es sind. Man stelle sich mal ein Team aus lauter Kreativen vor, das gäbe ein Chaos. Erfolgreiche Mannschaften brauchen eben Helden, Sieger und Arbeiter.

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