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Mitgliederversammlung 2020: Fortuna bundesligareif, mindestens…

Bericht · Veteranen erinnern sich vielleicht noch an völlig chaotische Mitgliederversammlungen vor 300 Leuten in der Aula der Heinrich-Heine-Gesamtschule. Zeitreisende aus jener Zeit hätten gestern den Mund vor Staunen nicht mehr zugekriegt: Was hätte besser beweisen können, welche Riesenschritte die Fortuna organisatorisch in den letzten rund 12 Jahren gemacht hat, als diese (fast) perfekte Mitgliederversammlung im virtuellen Raum? Technisch war die Veranstaltung optimal, die Organisation war klasse und die Leitung (über mehr als 7 Stunden) durch den Aufsichtsratsvorsitzenden Björn Borgerding mindestens bundesligareif. Lediglich die „Große Aussprache“ zu den Berichten Vorstände und des Aufsichtsrats geriet quälend lang, weil wirklich jede eingereichte Frage vorgelesen und oft ausführlich beantwortet wurde. Das angekündigte „Clustern“, also Zusammenfassen identischer oder ähnlicher Fragen, klappte nicht; die Pause von 15 Minute zuvor war einfach zu kurz. [Lesezeit ca. 5 min]

So musste sich Vorstandsvorsitzender Thomas Röttgermann wieder und wieder nach den Details von Benito Raman an Schalke äußern, tat das geduldig, obwohl viele Fragesteller sich ihre spezielle Frage schon allein dadurch hätten sparen können, dass sie sich vorab aus frei verfügbaren Quellen informiert hätten. Das galt leider für gut ein Drittel der Fragen. Zum Leidwesen der Gelangweilten an den digitalen Empfängern wurden zwei Fragen sogar doppelt vorgelesen und beantwortet. Die gute Nachricht: Offensichtlich trauen sich viel mehr Mitglieder Fragen schriftlich einzureichen als während einer Präsenzveranstaltung an ein Mikro zu gehen und sie mündlich zu stellen. Mehr Fragen bringen mehr Transparenz – im Prinzip und bei Fragen, die noch niemand gestellt hat. Überhaupt: Während sich zu den MVs der letzten Jahre meist weniger als 1.000 Mitglieder an trüben Sonntagvormittagen in die Arena bewegten, waren gestern in der Spitze fast 2.500 F95-Mitglieder online. Das ist erfreulich und ermutigend.

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Dabei begann die digitale Veranstaltung mit einem Rumms. Zu den Formalien einer MV zählt es, die Stimmberechtigten zu befragen, ob sie der Anwesenheit von Medienvertretern zustimmen. Das ist schon früher nicht immer eine Formalie gewesen, aber gestern brachte ein Dringlichkeitsantrag Feuer in die Sache. Ein Mitglied beantragte, über die Anwesenheit der BILD-Vertreter separat zu entscheiden; der Antrag wurde zugelassen, und eine überwältigende Mehrheit der Fortunen an den Schirmen stimmte dafür, die BILD mit allen ihren per Streaming zugeschalteten Leute von der Versammlung auszuschließen. Daraufhin wurden die digitalen Zugänge für die betroffenen Schreiber gesperrt. Draußen im Land, vor allem bei passionierten BILD-Lesern und bei Journalisten stieß die Sache auf teils scharfe Kritik. Der RP-Chefredakteur Moritz Döbler verstieg sich zu einem Kommentar, in dem er diesen Ausschluss einem Verfassungsbruch gleichstellte – dies in völliger Unkenntnis oder absichtlicher Fehlinterpretation der juristischen Lage.

Externe Aufregung wegen des Auschlusses der BILD-Vertreter

Denn bei der Mitgliederversammlung eines eingetragenen Vereins handelt es sich um eine nicht-öffentliche, quasi private Veranstaltung. Die anwesenden Stimmberechtigen als Souverän des Vereins haben jedes Recht, ALLE Gäste, also Nichtmitglieder, so auch Medienvertreter auszuschließen. Deshalb wird – und das gilt nicht nur für eine Fortuna-MV – zu Beginn IMMER gefragt, ob irgendeine stimmberechtigte Person Einwände gegen die Anwesenheit von Gästen und Pressemenschen hat. Ist das der Fall, kommt es zur Abstimmung. Das Novum in der F95-Historie war gestern bloß, dass Einwände gegen die Anwesenheit der Mitarbeiter einer bestimmten Mediengruppe beantragt wurde. Das weiß Döbler alles nicht und munkelt munter davon, dass die Mitglieder mit ihrer Maßnahme eine Berichterstattung, die ihnen nicht passt, unterdrücken wollen. Auch da geht der RP-Vorturner fehl: Konkret ging es um eine mit besonders widerlichen Methoden angesetzte Schmutzkampagne der BILD gegen den Aufsichtsratsvorsitzenden bzw. gegen das ganze Gremium. An irgendeiner „kritischen Berichterstattung“ stören sich Fortuna-Mitglieder schon lange nicht mehr; sie ignorieren sie weiträumig.

Der Ausschluss der BILD-Vertreter durch die Mitglieder sorgte für externe Aufregung (Screenshot)

Die Berichte vom Vorstandsvorsitzenden Thomas Röttgermann, Marketing-Vorstand Christian Kloke und den beiden Sportvorständen Uwe Klein und Klaus Allofs waren von unterschiedlicher rhetorischer Qualität, aber durchgehend informativ und leerreich. Röttgermann strich zu recht heraus, dass der Verein trotz der Corona-Krise mit ihren Geisterspielen im Geschäftsjahr 2019/20, das vom 1. Juli bis zum 30. Juni reicht, eine „schwarze Null“ schreiben konnte und lieferte gleich eine Grafik mit, aus der deutlich wurde, wie wenigen Vereinen national und international das gelungen ist. Zwei Faktoren führten zu diesem erfreulichen Ergebnis: Die umsatzstärkste Saison aller Zeiten (erste Liga und TV-Kohle sei dank) und ein sehr frühzeitig entworfener und in die Tat umgesetzter Sparplan. Koke sprach dann ausführlich und überzeugend über die Vorteile der Eigenvermarktung der Fortuna, die sich bereits in den ersten Monaten nach dem Ende der Zusammenarbeit mit Infront gezeigt haben.

Uwe Klein: Beeindruckende Präsentation zur Kaderplanung

Beeindruckend zeigte sich die Präsentation von Uwe Klein zur Kaderplanung, der anhand dreier Folien vorführte, wie sich die Abgänge nach dem Ende Vorsaison ausgewirkt, welche Lücken entstanden waren und wie er diese zu füllen sich bemüht hatte. Es ist schade, dass vielen von den Wutfans, die immer gern auf Leute wie Klein oder zurvor Pfannenstiel eindreschen, keine Vereinsmitglieder sind und/oder keine Lust haben, sich von Fakten in ihrem Furor bremsen zu lassen. Der Vortrag des Sportvorstands bot jede Menge Details zur Entscheidungsfindung, die jeder, der Uwe Kleins Arbeit kritisiert, kennen und bedenken sollte. Die Rede von Klaus Allofs war im Vergleich eher allgemeiner Natur, war um strategische Weitsicht bemüht, im Detail leider so missverständlich, dass das Kläuschen diese in der Fragerunde gleich mehrfach erklären musste.

Der Bericht von Aufsichtsratsvorsitzenden Björn Borgerding war im selben Maße souverän wie seine Versammlungsleitung, selbst im Fall des ehemaligen AR Christian Veith, der seine Brocken seinerzeit hinschmiss, wurde nicht nachgekartet. Borgerding betonte die tolle Zusammenarbeit im AR seit dem vergangenen Winter, dankte den ausscheidenden Räten Dr. Reinholf Ernst und Ignacio Ordejón Zuckermaier und entwarf dann ein Zukunftsbild der Fortuna als Verein, der seine besondere Verantwortung als gesellschaftliche Institution nicht auf dem Altar unbedingten sportlichen Erfolgs zu opfern bereit sei. Dabei betonte er immer den unmittelbaren Zusammenhang der Fortuna mit der Stadt Düsseldorf und ihren Bürger*innen, der eben weit über Bundesligafußball hinausreicht. Zusammengenommen mit dem, was VV Röttgermann an Zukunftsmusik aufblätterte ergibt sich das Bild eines ganz und gar eigenständigen Fortuna-Wegs – genau das, was eine Mehrheit der Vereinsmitglieder sich wünscht.

Das sind die wieder- bzw. neugewählten Aufsichtsräte: (v. li.): Dirk Böcker, Sebastian Fuchs, Björn Borgerding, Tim Greiner-Mai und Horst Peters (Foto: F95)

So gar nicht den digitalen Umständen angepasst kam dann die Wahl zu den fünf Aufsichtsratsplätzen daher, denn die Kandidaten (allesamt Männer) waren anwesend und durften – wie bei einer Präsenzveranstaltung, Wahlreden halten. Das mag juristische Engstellen umschiffen, wirkt aber unfreiwillig komisch, wenn – wie in einer TV-Show – Umschläge mit den Namen der Kandidaten gezogen werden, um die Reihenfolge der Reden festzulegen. Unfreiwillig komisch gerieten auch manche Vorträge, und bei manchem Bewerber fragte man sich, warum er sich nicht vor seiner Kandidatur mit den real existierenden Zuständen der Fortuna befasst hatte. Die Forderung nach einem Maskottchen und einer von den Toten Hosen zu schreibender Hymne löste genauso digitale Heiterkeit aus wie der Vorschlag, eine Fortuna-Ruhmeshalle als Museum einzurichten. Spannend der Vortrag von Martin Keulertz zum Thema „Nachhaltigkeit„, die gar nicht so sehr als Bewerbungsrede gemeint war.

Ein erfolgversprechender Aufsichtsrat

Die gute Arbeit des Dreigestirns aus Björn Borgerding, Sebastin Fuchs und Dirk Böcker wurde von den Wählern mit hohen Zustimmungswerten belohnt – die Kontinuität bleibt so gewahrt. Im zweiten Anlauf wurde dann auch Tim Greiner Mai in den Aufsichtsrat gewählt, der die zwanzigjährige Geschichte der organisierten Fans repräsentiert und sich in den vergangenen Jahren immer wieder mit Satzungsanträgen ausgezeichnet hatten, die für den Bestand der Fortuna-Identität sorgen. Auf dem fünften Platz landete der HSD-Professor Horst Peters, der sich in Bereichen Marketing und Strategie einbringen möchte. Zusammen mit den im AR verbliebenen Personen bilden die drei Wiedergewählten und die zwei Neuen einen interessanten Querschnitt durch das, was diesen Verein ausmacht. Auf diesem Feld sieht die Zukunft der glorreichen Fortuna also ziemlich rosig aus.

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