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Würzburg vs F95 2:1 – Der gute, alte Fortuna-Frust

Analyse · Liebe Fortuna-Fans, jetzt lasst mal euren Frust stecken, spart euch Dummfloskeln wie „Arbeitsverweigerung“ oder „Lustlosigkeit“ und hört auf, die aktuellen Mitglieder des F95-Kaders zu beleidigen. Konzentriert euch einfach auf das, was gestern wirklich war. Euer höchst ergebener Berichterstatter will es euch erzählen. Und, ja, er ist genauso angepisst wie ihr und hat nach dem Schlusspfiff kurz darüber nachgedacht sich zu besaufen und irgendetwas kaputtzuschlagen. [Lesezeit ca. 6 min]

Zwischendurch musste er per WhatsApp noch einen Kollegen zurechtweisen, der von der „dämlichen Diva“ schrieb. Auch wenn das Wort „dämlich“ auf den Auftritt der Männer in Schwarz in der zweiten Halbzeit zutrifft, so darf niemand die Diva so beleidigen, denn die ist mehr als die jeweilige Mannschaft, die ist ewig und: LAUNISCH. Immer wieder wird klar, dass niemand das typische Fortuna-Feeling nachvollziehen kann, der mit dem Erfolg zu uns stieß, der nicht schon zwanzig, dreißig oder mehr Jahre F95-Leben hinter sich hat. Was da gestern (und im letzten Frühjahr in Saarbrücken sowie im Dezember in Essen) passiert ist, das musst du aushalten, willst du Fortuna-Fan sein. Und zwar ganz unabhängig davon, wie eine derart peinliche Niederlage zustandegekommen ist.

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Würzburg vs F95: Da schwor sich die Truppe noch ein… (Screenshot Sky)

Nicht wenige ältere F95-Hasen dachte noch mit Schaudern an die 3:2-Niederlage gegen die Kickers im Pokal 2014 als sie die ersten Bilder aus dem hässlichen Würzburger Stadion sahen. Auch der schon vor dem Spiel einer Kuhweide ohne Scheißhaufen ähnelnde Rasen versprach nichts Gutes. Außerdem kam auch einigen Mitglieder der ominösen Expertenrunde die Rösler’sche Startaufstellung nicht mutig genug vor – den dritten Stürmer, der mit Kenan Karaman in der 61. Minute kam, den hätte man gern auch ab Minute 1 gesehen. Und wo wir gerade bei den Wechseln sind: Den überaus blassen Felix Klaus, dem immer noch die Bindung zu den Kollegen abgeht, hätte man auch in der Pause draußen lassen können. Und auch der nicht viel farbigere Eddie Prib hätte sich nicht zwingend bis zur 60. Minute quälen müssen.

Das Positive: Trotz dieser beiden Schwächen war die glorreiche Fortuna in der ersten Halbzeit, ja, insgesamt sogar bis zum 2:1 für Würzburg die überlegene Mannschaft – die statistischen Werte zur Halbzeit zeigten das eindeutig. Eine Passquote von 80 Prozent auf einer solch schwierigen Wiese ist hervorragend. Aber erneut belegte der Verlauf der Statistik den Niedergang des F95-Teams. Die Passquote lag zum Schluss noch bei 76 Prozent. Hatte die Fortuna bei den Zweikämpfen nach 45 Minuten noch mit 55 Prozent die Oberhand, waren es am Ende nurmehr 50 Prozent. Allein beim Ballbesitz änderte sich wenig – klar, die Kickers setzten spätestens nach dem Ausgleich ausschließlich auf Konter.

Würzburg vs F95: Toni Pledl hätte der Held werden können… (Screenshot Sky)

Die Überlegenheit in den ersten 40 Minuten war so groß, dass unser Düsseldorfer Sky-Kommentator Holger Pfandt meinte, ihm fehle die Fantasie sich vorzustellen, dass die Würzburger an diesem Abend noch irgendetwas reißen könnten. In der Expertenrunde, mit der Euer Ergebener in der Ära der Geisterspiele per WhatsApp konferiert, rührte sich dagegen schon so um die 15. Minute herum Unmut. Erster Anlass: In der 8. Minute kommt eine hohe, weite Flanke (von Zimbo? Oder von Klaus?) auf die linke Seite in den Kickers-Sechzehner, wo Toni Pledl völlig blank reingelaufen ist. Er braucht aber drei Anläufe die Pille unter Kontrolle zu bringen und versiebt damit einen Hundertprozenter. Wenn man doch sieht, dass das Ei nach dem Auftreffen auf dem Acker irgendwo hin springt, dann nimmt man es doch bitteschön aus der Luft!

Wenig später erreicht ein Steilpass (von Cello? von Eddie?) wieder Pledl, wieder im Strafraum, wieder ganz frei. Dieses Mal ist er schlauer und nimmt die Kugel akrobatisch in der Luft an; leider mit der Außenseite seines Fußes. Nur leicht mit dem Innenrist angestoppt und weitergeleitet hätte es im Kickers-Kasten geklingelt. Überhaupt stand dieser Pledl ständig im Zentrum des Geschehens – zum Beispiel auch bei den Ecken. Uwe Rösler hatte ja kürzlich verraten, dass man momentan massiv an den Standards arbeitet und Varianten einstudiert. Neunmal hatte die Truppe Gelegenheit, das Resultat dieser Bemühungen bei Eckbällen zu präsentieren. Kamen die von rechts, stellten sich Pledl und Prib an als wollten sie kurz spielen. Dann lief der Eddie im Bogen Richtung Sechzehner, während der Toni versuchte, die Pille auf den Elferpunkt zu zirkeln.

Würzburg vs F95: Die Ecke vor dem 1:0 (Screenshot Sky)

Im dritten Versuch klappte es schließlich. Kevin Danso, der sich an der gewünschten Position tummelte, leitete den Ball weiter Richtung Tor, wo Rouwen Hennings das Ding mit links über die Linie brachte – endlich das 1:0! Die Gemeinde dacht: Okay, jetzt geht’s los. Aber, nix da. Zwar gab es immer wieder ansehnliche Angriffszüge, und die Buben in Schwarz gewannen im Mittelfeld die Zweikämpfe und eroberten auch zweite Bälle, nur blieb das Treiben nach vorne harmlos. Und je länger sich das hinzog, desto ungenauer arbeiteten die Fortunen im Mittelfeld, desto langsamer reagierten sie und desto mehr Raum ließen sie den Hausherren.

Um die 40. Minute herum knubbelten sich die Jungs dann zu sechst rund um den Mittelkreis und versuchten sich im spielaufbauenden Kurzpassspiel – keine gute Idee auf diesem holprigen Untergrund. Sobottka war es, der so den Ball verlor. Danso und auch Luka Krajnc standen schlecht, der Kickers-Stürmer hatte freie Bahn und ließ Flo Kastenmeier keine Chance. Das war der blöde Ausgleich in der 41. Minute. Und von da an ging’s bergab. Ist ja nicht ungewöhnlich, dass ein Gegentor eine überlegene Mannschaft aus dem Tritt bringt. Die Kreativität im Spielaufbau ließ erschreckend nach, Prib und Klaus gelang fast nichts mehr, Hennings und Dawid Kownacki hingen als Spitzen völlig in der Luft.

Würzburg vs F95: Verzweifeltes Einwechseln von Hartherz und Klarer zur 82. Minute (Screenshot Sky)

Eigentlich, ja, eigentlich setzten die F95-Recken nach der Pause da an, wo sie bis zur 40. Minute agiert hatten. Mit dem Unterschied, dass sie nun – und das war richtig – viel mehr auf hohe und weite Pässe setzten. Leider wurde das Zusammenspiel zwischen Zimmermann und Klaus zunehmend schlechter, Kownacki ließ sich öfter zurückfallen und nur die kämpferische Einstellung von Hennings, der jetzt öfters auf Balleroberung aus war, ließ hoffen. Je mehr sich aber die Viererkette nach vorne schob, desto größer wurde das Risiko sich einen Konter einzufangen. Immer öfter war Flo Kastenmeier derjenige, der Offensivaktionen einleitete, immer öfter ging Danso mit vor. Pledl hatte sich da schon müde gespielt und brachte kaum noch etwas zustande.

Die Reaktion der Coaches war zwingen: Kenan Karaman kam für Pledl, und Alfie Morales ersetzte Prib, der nach seiner Magen-Darm-Geschichte wohl doch noch nicht wieder auf der Höhe seines Könnens war. Dawid Kownacki rückte auf die linke Außenbahn, während Kenan praktisch einen Achter gab. Mit Morales kam wenigstens ein Hauch mehr Spielaufbau in die Sache – und übrigens auch mehr körperliche Härte, denn an der mangelte es den 95ern über die gesamte Spielzeit auch. Dabei hatte man mit Markus Schmidt einen klasse Referee auf der Wiese, der nicht dazu neigte, harte Zweikämpfe zu früh abzupfeifen. Spätestens jetzt wurde klar, woran es den Insassen des aktuellen Kaders grundsätzlich mangelt: An der Schnelligkeit im Denken und an der Robustheit im Zweikampf.

Würzburg vs F95: Trainer Rösler war nach dem Schlusspfiff total bedient (Screenshot Sky)

Uwe Rösler nannte das Verhalten seiner Schützlinge später dämlich – was ja eine Umschreibung für dumm ist. Recht hat er. Die Idee für die überraschenden Einwechslungen in der 82. Minute kam wohl auch eher nicht von ihm; jetzt mit Flo Hartherz und Christoph Klarer zwei kantige Kämpfer reinzuholen, riecht am meisten nach Axel Bellinghausen. Das hätte man auch früher haben können und nicht erst, nachdem die Würzburger mit einem perfekten Konter in der 67. Minute den Siegtreffer erzielt hatten. Weniger witzig dagegen die Einwechslung von Kelvin Ofori in der 76. Minute, der als in der Wolle gefärbter Dribbler mit Allergie gegen direkte Zweikämpfe kein Bein auf die Erde bekam.

Da war dann nun eine Mannschaft auf dem Acker, die wir alle mit hoher Wahrscheinlichkeit nie wieder in dieser Zusammenstellung sehen werden. Die Ideen waren den Burschen längst ausgegangen, und jeder versuchte auf seine persönliche Weise noch etwas am Ergebnis zu ändern. Karaman setzte auf Balleroberung und Alleingänge, Kownacki versuchte sich als Flankengeber. Fernschüsse, ein probates Mittel auf schlechtem Rasen, fehlten völlig, und aus den Ecken wurde nun gar nichts mehr. Fehlte nur noch, dass Kastenmeier sich wieder mit nach vorne begeben hätte. Nach der Einwechslung von Hartherz und Klarer (der ganz nach vorne beordert worden war), ging die Defensivordnung völlig flöten, und eigentlich kann man als Freund der launischen Diva heilfroh sein, dass nicht noch mehr Konter noch mehr Gegentore gebracht haben.

Diese fürchterliche Niederlage zeigt mehr als deutlich auf, dass die Fortuna in der Saison 2020/21 nicht genug Potenzial für den Aufstieg hat. Muss man jetzt mal so klar sagen. Kann natürlich trotzdem sein, dass es für den Relegationsplatz reicht, wenn die vier Mitbewerber sich Schwächephasen leisten. Nach den Erfahrungen der letzten drei Partien ist sicher, dass der HSV, Fürth und Bochum die deutlich besseren Teams sind – die Unentschieden gegen die Hamburger und Greuther sind auf diesem Hintergrund noch höher einzuschätzen. Ein Sieg gegen Kiel in acht Tagen würde das Tabellenbild für die Fortuna positiv beeinflussen, am Grundproblem jedoch nichts ändern. Käme ein Heimsieg gegen Bochum dazu, könnten die F95-Fans weiter hoffen. Trotzdem könnte die Niederlage in Würzburg in der Rückschau das Spiel gewesen sein, dass den Verlauf der Saison für die Fortuna letztlich bestimmt hat. Da helfen weder Frust noch Wut, sondern nur fröhlicher Optimismus.

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