Analyse · Fortuna Düsseldorf ist in der Zweitligasaison 2020/21 keine Spitzenmannschaft. Punkt. Nimmt man das als Maßstab, geht das Unentschieden gegen „den Jahn“ völlig in Ordnung. Ein Grundproblem besteht darin, dass sich die fürs Sportliche Verantwortlichen von der BILD (und den Journalisten, die meinen sich an das Springer-Kartell anbiedern zu müssen) in das Saisonziel „Wiederaufstieg“ haben reinquatschen lassen. Hätte Klaus Allofs nach seiner Ankunft einfach gesagt: „Ja, komm, lass mal sehen, was nach einem solch extremen Mannschaftsumbruch machbar ist“, als F95-Fans wäre man mit dem Tabellenstand nicht unzufrieden. Zumal Kaderplaner Uwe Klein vorwiegend Wundertüten eingekauft hat. Zum Beispiel einen gewissen Florian Hartherz, der ja angeblich maßgeblich am Aufstieg von Bielefeld beteiligt war. Ernsthaft? [Lesezeit ca. 6 min]
Wäre Ihr maßlos Ergebener boshaft würde er kontern: Trotz Hartherz. Spaß beiseite. Wer die Analysen dieses wunderbaren Online-Magazins kennt, weiß, dass hier keine Spieler geschlachtet werden. Dass sich der Ergebene vehement dagegen wehrt, wenn Kickern „Arbeitsverweigerung“ oder „Lustlosigkeit“ unterstellt wird. So lange ein Bursche das wunderschöne F95-Logo auf dem Jersey trägt, ist er mit Solidarität zu behandeln … und sachlich zu kritisieren, auch hart und heftig. Kein Spieler (Ausnahmen bestätigen die Regel) spielt absichtlich schlecht; es passiert auch den Besten, dass sie in der einen oder anderen Partie ihr Potenzial nicht ausschöpfen. Der im eigenen Herzblut schwimmende Anhänger fordert dann aber zu Recht, dass sich einer, der gerade mal nicht in Form ist, sich wenigstens volle Kanne reinhängt und mangelnde Form durch maximalen Einsatz kompensiert. Dies als Vorrede. Und übergreifend auch als Verteidigungsrede für Toni Pledl.
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Dessen spielerischen Mittel sind ganz offensichtlich begrenzt, dessen Wille, was zu reißen, dagegen immer zu sehen. So auch heute beim gerechten Unentschieden der Rotweißen in Regensburg. Er kam in der 71. Minute für den erneut enttäuschenden Felix Klaus, bei dem die Sache genau umgekehrt liegt. Er zählt definitiv zu den Begabteren im Kader, fand aber auch bei seinem fünften Einsatz für die Fortuna weder zu seinem Spiel als Rechtsaußen, noch in die Bindung zum Rest der Kollegen. Klaus schöpft sein Potenzial momentan nicht aus. Nun ist die grundlegende Frage, woran es liegt, wenn ein nominell guter Kicker nicht gut spielt. In den allermeisten Fällen handelt es sich um ein sogenanntes „mentales“ Problem. Wir wollen nun der handelsüblichen Schmierölpsychologie nicht das Wort reden, mit der Spochtrepochtern, die von der Wissenschaft vom menschlichen Erleben und Verhalten eher nur so mittelviel wissen, uns das Tun von Berufsfußballern erklären wollen.
Kein Balltreter steht morgens auf und sagt: „So, heute spiele ich mal scheiße.“ Wir MÜSSEN es den Kicker, die für ihren Herzensport Geld beziehen, einfach abnehmen, dass sie den Fußball lieben und heilfroh sind, ihn zu ihrem Beruf gemacht haben zu können. Punkt. Und damit auch genug zu diesem Thema, denn es erklärt das Erleben und Verhalten der Männer in den schwarzen Klamotten mit den Tarnfleckchen in der ersten Halbzeit nur unzureichend. Schauen wir lieber mal, was der Cheftrainer so im Sinn hatte (Übrigens ebenfalls ein Mensch, der den Fußball liebt und sich glücklich schätzt in diesem Sport hauptberuflich tätig sein zu dürfen). Er selbst bezeichnete die taktische Grundordnung als 4-3-3, am Bildschirm sah es eher nach einem 4-3-2-1 aus – mit Karaman als einziger Spitze, Klaus und Dawid Kownacki auf außen und einer dreieckigen Mittefeldformation, bei der ausgerechnet Alfie Morales die er Viererkette zugewandte Ecke darstellte. Vor ihm sollten Eddie Prib und Cello Sobottka den Spielaufbau besorgen. Und das ging in der ersten Halbzeit völlig in die Hose.
Dazu gab es ungewohnte Probleme in der Abwehrkette. Wie zu Beginn der Saison kam es zu leichten Abstimmungsproblemen zwischen Andre Hoffmann und Kevin Danso, außerdem hatte Matthias Zimmermann einen seiner eher nicht so guten Tage, wobei erschwerend hinzukam, dass er vor sich eben Klaus hatte, mit dem ein Zusammenspiel wie gesagt nicht so einfach ist. Hartzherz hatte Uwe Rösler vermutlich deswegen in die Startelf gesteckt, weil er ihm im Gegensatz zu Luka Krajnc mehr offensive Beteiligung zutraute. Hat er auch versucht, der gute Florian, und, ja, zwei-, dreimal gelangen ihm die weiten Flanken, für die er berühmt ist. Sein Zweikampfverhalten (Quote 83 Prozent) war weitgehend gut, aber mit der Konzentration haperte es bei ihm. Der Treffer für die Gastgeber resultierte nämlich aus seinem mehr als dämlichen Fehlpass, und anstatt zu versuchen diesen Fehler auszubügeln, trabte er eher vorsichtig nach hinten, wo der spätere Torschütze dann auf eine desorientierte Kette traf, der genau der linke Außenverteidiger fehlte.
Bis dahin hatten sich die Fortunen im Prinzip ganz richtig verhalten, indem sie leicht zurückgezogen agierten und die Gegner erst an der Mittellinie anliefen – wenn überhaupt. Angesichts des Regenburger Rezepts, mit weiten hohen Bällen in die Spitze, gern auch mal diagonal, war das eine prima Idee Überrumpelungen zu vermeiden. Nachteil: Um selbst irgendwie in die Nähe des gegnerischen Sechzehners zu kommen, musste immer umständlich von hinten aufgebaut werden. Weil das Dreiermittelfeld aber in fast jeder Situation zu langsam oder zu ideenlos hantierte, war es mit Chancen so gut wie Essig. Flach ging vor dem Jahn-Tor eh wenig; der Rasen dort sah nach Eisbahn mit Grasinseln aus. Zum Glück ist nach dem Spiel niemand auf die Idee gekommen, die schlechte Leistung der ersten Hälfte auf die vom Wetter gebeutelte Wiese zu schieben. Im Gegenteil: Kann gut sein, dass die Coaches den Katastrophenrasen im Strafraum vor der Südtribüne in ihr taktisches Kalkül gezogen haben.
Lobend erwähnen kann man Schiri Timo Gerach, der die Hektik der ersten halben Stunde mit großer Zurückhaltung in vernünftige Bahnen lenkte. Ob er und sein VAR in Kölle beim Ausgleich in der 52. Minute wirklich ganz richtig lagen, wird sich hundertprozentig nicht klären lassen. Selbst der Kamerablick auf die ominöse „kalibrierte Linie“ ließ es erscheinen als habe Karaman vor dem einnetzenden Kopfball doch im Abseits gestanden. Nehmen wir einfach an, dass diejenigen, die entscheiden, wer auf- und wer absteigen soll, die Linie heute mal zu Fortunas Gunsten kalibirert haben. Im Ernst: Den Videoaffen in der Grotte stehen einfach mehr Perspektiven zur Verfügung. Und beschweren wollen wir uns ja schließlich nicht. Zumal der Ausgleich in dieser Phase durchaus verdient war. Die Buben unter der Fuchtel von Uwe Rösler kamen nämlich deutlich weniger lethargisch aus der Kabine als sie hineingegangen waren.
Was aber über 90 Minuten überdeutlich wurde: Mit einem anderen Keeper als Flo Kastenmeier könnte es oft aussehen, als stünde das Team mit einem Mann weniger auf dem Platz. Ja, es wirkt manchmal hochriskant, wenn der Flo bis weit über die Grenze seines Sechzehners hinausgeht, um sich am Spiel zu beteiligen. Wir wissen aber, dass er (bis auf wenige Ausnahmen, siehe Hannover in der Hinrunde) immer in der Lage ist fußballerisch einzugreifen. Und zu besonderen Rettungstaten ist er auch jederzeit zu haben – zweimal musste er auf diese Weise ran. Am Tor-des-Monats-Treffer dieses einen Regensburgers konnte er nun wirklich nichts halten.
Übrigens: Wer gedacht hätte, UR würden den – wie er es ausdrückt – „Slot“ in der Halbzeit zum Wechseln nutzen und Eddie Prib und Florian Hartherz von ihren Leiden erlösen, sah sich wieder getäuscht. Es wird immer wieder deutlich, dass unser aktueller Cheftrainer nicht der ganz große Wechsel-Magier ist, um es mal nett auszudrücken. Immerhin kam er nicht auf die kranke Idee Borrello für Klaus zu bringen… In der 71. war es dann so weit. Wie erwähnt kam Pledl für Klaus, was man als „positionsgetreuen Wechsel“ bezeichnen muss. Außerdem Rouwen Hennings für Sobottka, was wiederum eine größere Umstellung zur Folge hatte. Denn nun sollte es mit zwei Spitzen ins Finale gehen, sodass man doch beim 4-4-2 landete.
Klappt es nicht mit den Flanken von außen, muss neuerdings Danso Katemann ran, der ganz offensichtlich viel Zeit damit verbringt, weite Einwürfe im Stil des ewigen Fortuna-Helden zu trainieren. Geht die Pille etwa auf Höhe des Strafraums aus, wirken seine Einwürfe tatsächlich fast wie Ecken. Auch das 1:1 entstand nach einer solchen Handballbombe. Hätte man auch vielleicht eher drauf kommen können, den nicht besonders kopfballstarken Regensburgern auf diese Weise Probleme zu bereiten. Ecken erzwangen die Rotweißen nur einmal, vielversprechende Freistöße insgesamt zweimal. Und hätte sich Kownacki nicht einmal ein Herz gefasst und aus der Ferne geballert, stünde in der Rubrik „Fernschüsse“ eine Null. Rund um den Themenkomplex „Standards und Fernschüsse“ wird ein generelles Problem der Mannschaft in dieser Saison sichtbar, nämlich der vermutlich von den Trainern tief in die Jungs gepflanzte Auftrag, alle Situationen möglichst spielerisch zu meistern.
Das könnte auch die nur scheinbare Formschwäche von Knipser Hennings erklären, der im Gegensatz zu früher selten oder gar nicht einfach mal draufhaut. Wo er doch so mit der linken Quante seine hübschesten Tore gemacht hat. Ein Rezept mit dem guten Rouwen an Bord könnte genau das sein, nicht immer zu versuchen, in „die Box“ einzudringen, sondern Hennings auch mal das Ei außerhalb zu servieren, damit er draufhält. Aber das sind Feinheiten, die weder am Ergebnis der heutigen Partie etwas ändern, noch am zu erwartenden Saisonverlauf. Ihr Ergebener war schon nach der Niederlage gegen Kiel der Ansicht, die Verantwortlichen sollten dieses bekloppte Saisonziel revidieren und auf einen „Aufbau 2022“ setzen. Dann könnten sich auch die Fans ein bisschen zurücklehnen, nicht immer auf drei Punkte geiern, sondern sich am feinen Spiel einer willigen Truppe freuen, die dann gegebenenfalls auch mal in Schönheit stirbt.