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Heidenheim vs F95 3:2 – Fehler killen die Wirkung des Siegeswillens

Analyse · Der große Dichter Bertolt Brecht schrieb in seiner „Ballade von der Unzulänglichkeit menschlichen Planens“ folgendes: „Ja, mach nur einen Plan! / Sei nur ein großes Licht! / Und mach dann noch’nen zweiten Plan / Gehn tun sie beide nicht.“ Vielleicht sollte man diese vier Zeilen ausdrucken und an die Tür des Trainerbüros heften, damit die Coaches immer vor Augen haben, dass der schönste Matchplan nicht taugt, wenn a) der Gegner was dagegen hat und b) die Spieler mit ihren Fehlern den Plan zunichtemachen. Ja, vielleicht sollten Uwe Rösler & Co. es einfach lassen mit diesen Plänen und es mit Beckenbauer halten: Geht’s naus und spuit’s![Lesezeit ca. 7 min]

Oder aber mal in sich gehen und sich fragen, ob vielleicht was an den Spielplänen falsch ist. Ob diese vielleicht zu theoretisch sind oder auf falschen Voraussetzungen aufbauen. Nun ist unser Plätemann zum Glück keiner dieser Notebook-Trainer, die detaillierte Abläufe für das Match als Ganzes und jede Situation im Detail per Maus und Taste durchkomponieren. Bei den Besprechungen vor den Partien wird immer noch mehr gesprochen als dass Präsentationen an die Wand geworfen werden, das ist gut. Also könnten die Pläne, die ja im Falle der Fortuna 20/21 in (nachprüfbar!) 80 Prozent der Fälle nicht aufgehen, viel unschärfer formuliert und den Kickern mehr Spaß am Improvisieren vermittelt werden. Wäre gestern sicher die bessere Lösung gewesen, denn das erste Tor für die Heidenheimer zerstörte die Basis der Planung, die vorsah, die Null sehr, sehr, sehr lange, möglichst bis zum Schluss zu halten.

HDH vs F95: Die Startaufstellung (Screenshot Sky)

Ursache für das 1:0 für die Gastgeber waren kollektive Stellungsfehler. Blöderweise resultierten auch die anderen beiden Treffer für den 1. FC ebenfalls aus Stellungsfehlern. Weil gerade in der ersten Halbzeit auch noch die vielen anderen Fehlermöglichkeiten ausgeschöpft wurden (Fehlpässe, Fehlentscheidungen bei Zweikämpfen etc.) ging das Spiel am Ende verloren. Darüber kann man sich als Fan der glorreichen Fortuna tierisch aufregen, und ein Insasse der legendären, momentan virtuell tagenden Expertenrunde meinte: „Schreib deinen Bericht mit Wut im Bauch!“ Nun war aber gestern Nachmittag das Wetter schön, da lockte die Sonne mehr als die Tastatur, und abends musste Ihr völlig Ergebener ja unbedingt „Kitchen Impossible“ gucken, wie der blöde HSV-Mälzer bei unserem Mile Miletic im Ham-Ham auf der Kurze Straße am Grillen von Schweinshaxen scheiterte.

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Inzwischen sind Wut und Frust abgeflaut, auch weil Ihr Ergebener gar nicht wüsste, auf wen er seine Wut richten sollte. Da machen es sich viele Anhänger der launischen Tante einfacher, sie suchen sich ihren Watschenmann aus und dreschen virtuell und verbal auf ihn ein. Komischerweise ist Cheftrainer Uwe Rösler heute nicht Hauptzielscheibe. Es trifft neben einzelnen Spielern (die der eine oder andere Fan einfach nicht mag) vor allem Sportdirektor Uwe Klein, dem zunehmend verfehlte Kaderpolitik vorgeworfen wird. Nun sind aber Unzulänglichkeiten beim Verpflichten von Kickern nicht die Ursache für deren Fehlerquoten. Wenn’s gestern danach gegangen wäre, hätte man Klein die Leihe von Kevin Danso vorwerfen können, denn dessen Stellungsfehler waren bei zwei der drei Gegentore nicht zu übersehen.

HDH vs F95: Die Schiris (Screenshot Sky)

Ihrem Ergebenen tun ja F95-Jungs eher leid, als dass er sie beschimpfen möchte. Zum Beispiel der supersympathische Eddie Prib, der gestern so dermaßen völlig neben der Spur lief, dass man ihn gern erlöst gesehen hätte. Den hatten die Coaches überraschend (und unsinnigerweise?) auf Linksaußen beordert, wo er auf die schärfsten HDH-Verteidiger stieß, sich – weil dorthin die Sonne schien – beinahe einen Sonnenbrand geholt hätte und mit hochrotem Kopf herumhechelte. Das war schon nach 10 Minuten deutlich zu sehen, da hätte der Cheftrainer eingreifen MÜSSEN. Der Plan (siehe oben) war ja gar nicht so blöd, auf ein kreatives Mittelfeld komplett zu verzichten und zu versuchen, offensive Bemühungen komplett über außen zu fahren.

Im Sinne der stehenden Null sollten nämlich Käpt’n Bodze und Cello Sobottka die Mitte vor der Viererkette dichtmachen, wobei Cello sich je nach Situation auch mal nach vorne bewegen sollte … was er im Übrigen drei- oder viermal tat, was zu seinem feinen Tor und einer fetten Chance führte. Links in der Kette kam dankenswerter Weise Leonardo K. zum Einsatz, der ja auch versuchte als Flügelstürmer zu agieren, aber am durchhängenden Prib scheiterte. Die Idee, einen AV bei Vorstößen ganz nach vorne zu ziehen, wo er dann Flanken schlagen kann, funktioniert nur, wenn beide Außen auf ähnlichem Niveau arbeiten und harmonieren. Weil der Eddie gestern nicht konnte, war dieser Teilplan Essig.

HDH vs F95: Das erste Tor für HDH (Screenshot Sky)

Ein mutiger Trainer hätte spätestens nach dem 0:1 in der 20. Minute Kristoffer Peterson für Prib gebracht; der Mentaltrainer hätte den so gedemütigten Eddie über die Woche halt wieder aufbauen müssen. Als dann der Schwede tatsächlich kam, ging auf links plötzlich die Post ab – Kristoffer und Leonardo kooperierten prächtig und generierten gleich mal Chancen. Dass die F95-Tore dann von der anderen Seite aus in Gang gesetzt wurden, hat viel damit zu tun, dass der Wirbel auf links die HDH-Defensive so auseinanderzog, dass rechts mehr Raum entstand. So geht das nämlich, wenn man ohne kreatives Mittelfeld über die Flügel kommen will!

Natürlich war es eine sehr bittere Pille, dass es dem guten Felix Klaus nach einem Zweikampf am Oberschenkel zwickte und er schon nach einer halben Stunde raus musste. Muskulär nicht voll fit war der Felix ja schon in der Woche, und es war bis spät am Freitag unklar, ob er überhaupt mitfahren, geschweige denn mitspielen würde. Ihn zu bringen war ein Risiko, und wie das mit Risiken so ist: manchmal gehen sie halt schief – kein Vorwurf an die Coaches und den medizinischen Stab. Bis dahin hatte Klaus schon gezeigt, was er kann, wobei leider auch auf der rechten Seite die Harmonie zwischen den beiden Läufern dort nicht wirklich berauschend war. Zimbo Zimmermann hatte nicht seinen besten Tag und wirkt inzwischen ein bisschen überspielt.

HDH vs F95: Der arme Klaus muss raus (Screenshot Sky)

Also kam Toni Pledl, auf dem auch dauernd irgendwelche Fans rumhacken. Dabei sollte man ihn loben, ja, feiern für seinen starken Einsatzwillen. Alle wissen ja jetzt, dass seine fußballerischen Mittel, auch im Vergleich mit dem Rest des Kaders, eher begrenzt sind, aber die Geschichte des Fußballs ist voll von Typen, die mangelnde Technik durch starkes Wollen ersetzt haben und dafür gefeiert wurden – man denke nicht nur an Katsche Schwarzenbeck. Allerdings änderte Pledls fleißiges Tun zunächst wenig, weil der Rest der Truppe mehr oder weniger lethargisch vor sich hinspielte. Selbst das sattsam bekannte Vorpressing der Herren Hennings und Karaman wirkte seltsam unentschlossen und zeigte NULL Wirkung. Wie leider auch der gute Rouwen erneut NULL Wirkung zeigte.

Nein, der macht das nicht, weil er doof ist oder keinen Bock hat. Bei einem Spielplan, der auf null Gegentore spekuliert, kann Rouwen Hennigs keine Wirkung entfalten, weil er so gut wie nie als Knipser, der er ist, angespielt wird. Unser Rouwen, dem wir so viel zu verdanken haben, ist dann am besten, wenn das Offensivspiel auf ihn zugeschnitten wird, und dazu braucht es dann leider doch einen Dirigenten im Mittelfeld à la Stöger. Es wird zunehmen deutlich, dass er als Teil einer Doppelspitze so gut wie vergeudet ist, weil er sich viel zu oft zurückfallen lassen muss. Und wenn er dann im Mittelfeld an den Ball kommt, dann verliert er ihn in vielen Fällen, weil er eben weder der begnadete Dribbler noch der große Techniker vor dem Herrn ist.

HDH vs F95: Eine Ecke, die nichts brachte (Screenshot Sky)

Immerhin bekam er exakt dreimal die Chance, das Ei auf die Kiste zu hauen, wobei ihm einmal sein begnadetes linkes Füßchen einen Streich spielte, denn hätte er den Ball richtig getroffen, er hätte das Tornetz zerfetzt. Genau wie in Cellos Fall: Hätte der Heidenheimer dessen Bombe zum 1:1 nicht abgefälscht, hätte auch dieses Ding die Maschen einem Belastungstest unterzogen. Überhaupt häuften sich sofort nach Wiederanpfiff die guten Szenen. Wie schon erwähnt ging der Qualitätssprung vom Duo Peterson – Kourtris aus, einem Tandem mit Zukunft. Ihr Ergebener hat ja ein paar Mal auf den Kristoffer geschimpft, weil er ihm ein bisschen zu hampelig ist, aber gestern hat er eindrucksvoll gezeigt, dass er nicht bloß ein Talent ist.

Dass ihm das 2:2 gelang, ist der verdiente Lohn für seinen Auftritt; den bekam er vom HDH-Keeper geschenkt, denn Petersons Schuss war sowas von haltbar. Zuvor waren die Ostälbler erneut in Führung gegangen. Ausgangspunkt war ein misslungener Klärungsversuch von Kevin Danso, dessen Tritt den Ball hoch und schräg nach innen brachte, wo Cello ihn nicht unter Kontrolle brachte und beim Versuch, dies zu tun, unfreiwillig auf einen HDH-Stürmer vorlegte. Weil der Rest der Viererkette mit dieser Entwicklung nicht gerechnet hatte, standen die Kollegen ungünstig und konnten den späteren Torschützen nicht am Einlochen hindern. Dies ein geradezu prototypischer Fall für eine Fehlerkette, die harmlos beginnt und tödlich endet.

HDH vs F95: Ein Zweikampf beim Ablaufen (Screenshot Sky)

Fußball – das stand hier schon so oft – ist ein Fehlervermeidungssport. Damit Kicker Fehler machen können, hat der liebe Fußballgott den Ball ja rund gestaltet, damit er rollt, wohin er will. Weil das Ding rund ist, kann es der Ballführende nie zu 100 Prozent kontrollieren, und die Chance, dass die Pille beim Pass bei einem Mitspieler landet, liegt eben nicht bei 100 Prozente. Zu allem Überfluss ist Fußball auch noch ein Laufspiel, die Akteure kleben also nicht statisch am Rasen, sondern sind dynamisch unterwegs. Manchmal steht man richtig, manchmal falsch. Und so bietet der Fußball jede Menge Fehlerquellen. Warum aber machen die Spieler Fehler? Weil sie Menschen sind wie du und ich, und Menschen machen dauernd Fehler, treffen Fehlentscheidungen, verlieren mal eben die Konzentration oder haben keine Kontrolle über ihre Knochen.

Vielleicht hat es schon irgendein Fußballphilosoph gesagt, aber Ihrem maßlos ergebenen Analysten erscheint es, als ob in JEDEM Spiel das Team gewinnt, dessen Insassen weniger Fehler machen – ganz unabhängig vom Spielplan (sowieso! siehe oben…), sogar von der Summe der technischen Fertigkeiten einer Mannschaft und selbst dann, wenn die Kicker den großen Willen haben, das Spiel zu gewinnen. Denn Fehler killen die Auswirkungen des Siegeswillens.

Und dann muss man ja immer noch spielübergreifend denken, also auf das Geschehen der Liga schauen und auf die eigenen Ziele. Ähnlich wie beim Planen ist auch das Zielen bisweilen sinnlos, weil es zu viele Faktoren gibt, die den Treffer ins Schwarze verhindern. Im Falle unserer von Herzen geliebten Fortuna heißt das hier und jetzt: Lasst euch nicht mehr einreden, es ginge noch um den Aufstieg. Ist ja auch nicht schlimm, im Spätsommer beginnt ja wieder eine Saison. Ihr lieben Verantwortlichen alle, richtet eure Energien nun wirklich nur noch auf die Vorbereitung dieser kommenden Saison. Denkt darüber nach, welche Personen auf welchen Positionen richtig und wichtig sind. Entscheidet, ob Uwe Rösler tatsächlich unser Perspektivtrainer ist. Denkt auch über die Rolle von Uwe Klein nach. Macht ein Konzept für den kommenden Kader, überlegt schonmal, welche Spieler passen werden, welche nicht. Die Ruhe habt ihr, denn mit dem Abstieg wird F95 in der Saison 2020/21 nichts zu tun haben.

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