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F95 vs Bochum 0:3 – Geschwindigkeit ist keine Hexerei

Analyse · Nachdem dritten Tor rastete der Kommentator, der Bochum mit seiner Reportage versorgte, völlig aus. Mit Sprüchen, die mit „Wie einst…“ begannen und sich überschlagender Stimme beschallte er die gesamte Pressetribüne. Und seine Begeisterung kann man verstehen: Da huschte keine graue Maus über den frühlingsfrischen Rasen, sondern das Spitzenteam der Zweitligasaison 2020/21. Es war Expertenrundeninsasse und Stadion-DJ Opa, der zuerst den Unterschied festmachte: „Wir müssen für die nächste Saison an unserer Schnelligkeit arbeiten.“ warf er lakonisch in das WhatsApp-Gespräch. Ja, die Bochumer waren einfach schneller. [Lesezeit ca. 6 min]

Und das bezieht sich gar nicht einmal auf die Sprinterqualitäten der Vfl-Stürmer oder das Tempo beim One-Touch-Spiel, sondern vor allem auf die mentale Geschwindigkeit. So schön viele fortunistische Spielzüge auch aussahen und so viele Torchancen dabei auch rauskamen; manchmal konnte man die Denkblasen über dem Kopf des gerade ballführenden Fortuna-Kickers förmlich sehen: „So, was mach ich jetzt?“ Da waren die Gegner denktechnisch schon einen Schritt weiter. Umso erfreulicher der offensive Druck, den die Schützlinge von Uwe Rösler und seinen Kompagnons über weite Strecken der Partie entfalteten. Das hat Potenzial – und eine wesentliche Zukunftsfrage, die sich stellt, lautet: Ist Mister R. der richtige Trainer, um in der kommenden Saison Erfolg aus diesen Möglichkeiten zu schlagen?

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Dabei hatte das Trainer-Team eine deftige Überraschung parat, die von den meisten schreibenden und sprechenden Kollegen nicht entschlüsselt wurde: Kuba Piotrowski spielte die meiste Zeit als zweite, wenn auch hängende Spitze, neben Rouwen Hennings, und bei Licht betrachtet war er der beste Fortune an diesem Frühlingsabend in der immer noch durchgefrorenen Arena. Überhaupt hatte Rösler eine durchaus spannende Grundordnung gewählt, eine Art 4-2-2-2, denn hinter den beiden ganz vorne hatten sich Dawid Kownacki auf rechts und Kris Peterson auf links einsortiert, während das defensive Mittelfeld mit Käpt’n Bodze und Cello Sobottka gebildet wurde; dahinter dann die momentan standardisierte Viererkette mit Zimbo Zimmermann und Leon Koutris außen sowie Andre Hoffmann und Kevin Danso innen.

F95 vs Bochum: Der ungeheuer souveräne Schiri Aytekin (Foto: TD)

Tatsächlich ließen sich Dawid und Kris je nach Lage der Dinge sogar um jeweils einen Zacken zurückfallen, um defensiv mitzuhelfen. Das klappte über die 90 Minuten eigentlich auch ganz prima. Erstens weil das Duo Leon-Kris ein ums andere Mal zauberte, zweitens weil die Kombi von Dawid und Kuba in der Mitte einigen Druck erzeugten. Rein statistisch standen so 18 Torschüsse für die Roten auf dem Zettel, wobei Ihr ergebenster Analysediener insgesamt ACHT echte Torchancen verzeichnete, davon DREI Hundertprozenter. Von denen ausgerechnet Knipser Rouwen kurz nach der Pause frei vorm Tor die hundertprozentigste versiebte.

Auf links ging der Standardspielzug ungefähr so: Kris führt den Ball, zieht ein bisschen in die Mitte, während Leon mit Fullspeed außen an ihm vorbeisprintet und das Ei aus vollem Lauf in den Sechzehner flankt. Ja, Fullspeed, denn an der puren Renngeschwindigkeit hat es meistens nicht gefehlt. Schön auch die Aktionen von Peterson beim Eindringen in den gegnerischen Strafraum. Die kalte Schnauze dann so richtig draufzuhalten, geht ihm aber noch ab – mit Betonung auf „noch“. Dagegen sah es auf der anderen Seite nicht ganz so gut aus. Zimbo Zimmermann hatte einen wirklich schlechten Tag, kam nie auf Geschwindigkeit, erreichte so nur selten seine typische Flankenposition und harmonierte nicht sehr gut mit Kownacki.

F95 vs Bochum: Das Bekenntnis zum Kampf gegen Rassismus (Foto: TD)

Ebenfalls einen eher schon mal gegessenen Tag hatte auch Kevin Danso gezogen, der zwar immer wieder die defensiven Kopfballduelle gewann, aber in Sachen Stellungsspiel ungewohnt unpräzise wirkte. So hatte er auch einen erheblichen Anteil am 1:0 für die Bochumer. Da hatte sich Zimmermann vom gegnerischen Stürmer abkochen lassen wie ein Amateur und wurde einfach überlaufen. Danso ließ den späteren Torschützen allein, und auch Flo Kastenmeier stand schlicht und einfach falsch. Da hätte es nach einer Großchance und einem Fernschuss an die Latte schon mindestens 1:0 für unsere Jungs stehen müssen.

F95 vs Bochum: Da nützt auch der schönste Stuhlkreis nichts… (Foto: TD)

Bis zur 34. Minute kamen weitere drei prima Tormöglichkeiten hinzu, die aber mehr oder weniger jämmerlich vergeben wurden. Und wenn Schüsse von der Strafraumkante versucht wurden, stand immer ein blockender Bochumer im Weg. So richtig aushebeln ließ sich deren Abwehr sowieso nicht, die Chancen wurden alle auch durch kämpferisches Verhalten der 95er kreiert. Daran hatte der insgesamt unauffällige Cello Sobottka einen Anteil, der immer als verteilende Anspielstation bereit und frei stand, aber in dieser Position viel zu selten eingeschaltet wurde. Dafür ging es bei aller geistigen Langsamkeit erfreulich selten hintenrum. Nur sollte man Andre Hoffmann vielleicht erklären, dass auch ein Innenverteidiger mal nach vorne spielen darf, denn fast jedes Mal, wenn er den Ball bekam und dann von einem Gegner angelaufen wurde, drehte er sich mit dem Ball, um ihn dann auf Kastenmeier oder Danso zu spielen.

F95 vs Bochum: Die Co-Trainer in den kurzen Hosen (Foto: TD)

Adam Bodzek lieferte wieder ein fehlerarmes Spiel, allerdings mit deutlich schlechteren Pass- und Zweikampfquoten zuvor. Ihn in der 59. Minute durch Alfie Morales zu ersetzen, war richtig. Vielleicht hätte man auch den hochverdienten Matthias Zimmermann vom Platz holen sollen, weil er weitestgehend wirkungslos blieb. Da es aber keinen 1:1-Ersatzmann für ihn auf der Bank gab, wäre sein Auswechseln nur mit einem größeren Systemumbau gegangen – und der hätte womöglich das Spiel so kaputtgemacht wie die bescheuerten Wechsel vergangene Woche in Sandhausen. Da stand es aber auch schon 0:2, weil sich die gesamte Abwehr in der 35. Minute hatte abkochen lassen – wieder ausgehend von der Gedankenschnelligkeit der Bochumer. Leider stand Flo Kastenmeier auch dieses Mal nicht optimal und hat einen Anteil am Treffer.

Eine Minute zuvor hatte ebendieser Flo einen gigantischen Diagonalpass von der rechten Kante seines Sechzehners bis gut zwanzig Meter vor das gegnerische Gehäuse auf Peterson geschlagen, auf den mancher Fußballer neidisch werden könnte. Bis dahin war F95 das leicht überlegene Team, führte in der Zweikampfstatistik deutlich, hatte mehr Kilometer auf der Uhr, aber mit 77 Prozent wieder eine eher miese Passquote. Den Ballbesitz teilten sich die Teams in der ersten Halbzeit brüderlich. Und da machte sich auch noch kein Liebhaber der hübschen Diva große Gedanken – einer warf virtuell ein „Das machen die noch“, und dieser Glaube war weiträumig vertreten. Niemand konnte sich vorstellen, dass die Fortuna aus dem Chancenplus nicht mindestens einen Punkt machen würde.

F95 vs Bochum: Mann gegen Mann plus Referee (Foto: TD)

Wer weiß, wie die Begegnung ausgegangen wäre, hätte eine der riesigen Einlochmöglichkeiten in der 50. und 52. eingeschlagen. Was wäre passiert nach einem Anschlusstreffer? Offensiv fand der VfL nach der Pause zunächst nicht statt, und man hatte das Gefühl, dass die Hellblauen es einfach nicht für nötig befanden, auf ein weiteres Tor zu gehen. Später, nach dem zweiten Zweierwechsel – Borrello für Peterson, Prib für den etwas müden Piotrowski – in der 71. Minute waren sich nicht wenige F95-Anhänger sogar sicher, dass ihre Lieblinge die Partie noch in ein Remis würden wenden können. Inzwischen hatte sich nämlich die Viererkette eingerüttelt, und Mister B. zeigte, was er könnte, wenn er sich konzentrieren täte. Brandons Schwäche sitzt in seinem Hirnkasten, außerhalb dessen ist er ein schneller, trickreicher Stürmer mit gutem Auge. Das 0:3 war dann die Lebertranpille auf dem Zuckerkuchen: bitter und sinnlos. Es war auch sicher das eine Tor zu viel, also der Treffer, der die Niederlage deutlicher aussehen lässt als sie war.

Es war ein überaus faires Spiel; einmal spielten Unsere sogar den Ball absichtlich ins Aus, weil die Bochumer einen verletzten Spieler auswechseln wollten. Dass kein Gift in das Duell kam, daran hatte aber auch ganz sicher der äußerst souveräne Schiri Aytekin seinen Anteil. Der pfeift klar, pflegt einen freundlichen Umgang mit den Spielern und Betreuern draußen und weiß jederzeit, was läuft – eine bessere Auslegung der Vorteilsregel als bei ihm in zwei Fällen hat Ihr Ergebener ganz selten gesehen.

F95 vs Bochum: Fortunistische Angriffssituation (Foto: TD)

Die Niederlage an sich entspricht dem Qualitätsunterschied zwischen einem kommenden Aufsteiger und einem Team aus dem oberen Drittel der Tabelle. Im Vergleich zu den direkten Konkurrenten um die ersten drei Plätze – also HSV, Kiel und Fürth – haben die Bochumer den sichersten, den abgeklärtesten Eindruck hinterlassen. So gehören sie tatsächlich in die erste Bundesliga. Das sie zuhause mit 0:2 gegen den HSV verloren haben, ist angesichts der gestrigen Leistung schwer zu verstehen. Für die Fortuna geht es nicht einmal mehr um die goldene Ananas, ein einstelliger Tabellenplatz am Ende sollte sicher sein. Gegen Karlsruhe gibt es am übernächsten Spieltag noch einmal ein Traditionsduell, dessen Sieger dann sogar unter die ersten Fünf kommen dürfte. Am 21. April folgt ein ebenfalls geschichtsbelastetes Spiel gegen St. Pauli, und danach ist dann auch egal.

F95 vs Bochum: Und dann war Schluss (Foto: TD)

Da wir ja die restlichen Partien, eigentlich sogar schon seit vier Spieltagen, als Saisonvorbereitung betrachten, kann auch das Fazit zum gestrigen 0:3 nur im Hinblick auf die Zukunft gezogen werden. Die erste Lehre lautet: Wir haben einen Haufen begabter Spieler mit jeder Menge Potenzial im Kader – dabei sollte man zwingend auf Shinta Appelkamp, Emma Iyoha, Kelvin Ofori, Christoph Klarer und Jamil Siebert achten. Zweitens: Wir brauchen mehr und flexiblere Spielsysteme. Drittens: Alles muss schneller werden. Eine wesentliche Überlegung (neben der Trainerfrage) sollte sein, welche erfahrenen Spieler die zwingend notwendige Altersachse bilden könnten, inwiefern also die Kollegen Bodzek und Hennings noch Platz im Kader haben, aber auch Prib und Hartherz. Viertens muss schleunigst eine Nummer 2 im Tor an die erste Mannschaft herangeführt werden, und zwar in Gestalt von Dennis Gorka. Fünftens müssen die Pflichtplätze für Nachwuchsspieler im Kader der ersten Mannschaft sinnvoll besetzt werden – in engster Abstimmung mit dem NLZ-Schaefer und den Trainern der U19 und der Zwoten. Ob man dann überhaupt noch im größeren Maße für die Saison 2021/22 shoppen gehen muss, ist fraglich.

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