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F95 vs Limassol 2:2 – Christian P. und sein Experimentierbaukasten

Meinung · Das Lustigste an der gestrigen Live-Übertragung auf F95tv war die Chat-Leiste. Da prollten griechische und zyprische Tastatur-Hooligans herum, da mischten sich (wie üblich) Fans anderer Vereine beleidigend ein, und dann verbreiteten Fortuna-Anhänger ganz viel Meinung bei ganz wenig Ahnung. Besonders während der zweiten 45 Minuten konnte man da mehr Spaß haben als am Spiel. Aber, Ihr Ergebener muss wieder das alte Lied singen: Ergebnisse von Testspielen im Trainingslager sind keine Glaskugeln für Saisonprognosen. Ganz, ganz besonders nicht dieses doofe Unentschieden, dass durch einen Elfer in der letzten Minute zustande kam. Denn unser neuer Chefcoach Christian P. öffnete seinen Experimentierbaukasten und überraschte… [Lesezeit ca. 4 min]

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…mit neuen Systemen und Kickern auf sehr ungewöhnlichen Positionen. So fand sich Zimbo Zimmermann in Halbzeit 1 auf der offensiven Sechserposition wieder und hatte sichtlich Spaß daran. Noch bekloppter: Kuba Piotrowski als mittlere IV in der Dreierkette. Und unser Kelvin Ofori beackerte ausnahmsweise mal die linke Seite. Augenreiben war zu Spielbeginn angesagt, denn da bildeten – aufgepasst! – Flo Hartherz, Adam Bodze und Chris Klarer das Defensivtrio. Und das ging gar nicht mal schlecht. Wobei der junge Herr Klarer doch einigermaßen übermotiviert erschien und, kantig wie er ist, öfters hart dazwischenging. Dass er in der 40. Minuten einen Strafstoß für den AEL verursachte, war nicht Ergebnis von Härte, sondern Ungeschicklichkeit.

Da stand es bereits 2:0 für die Burschen in den roten Heimtrikots. Schon in der 2. Minute stochert Cello Sobottka das Ei ins Gehäuse. Auslöser war Niklas „Shippi“ Shipnoski, der einen verunglückten Rückpass gefangen hatte, in den Sechzehner kam und dann auf Cello ablegte. Weil sich der Limassol-Keeper und ein Kollege gegenseitig im Wege standen, gab’s dann eben die Bude. Mit einem Treffer führte sich auch gleich Khaled Narey ein. Die Lobeshymne gehört beim 2:0 aber nicht so sehr ihm, sondern Flo Hartherz, der einen präzisen Diagonalball aus der eigenen Hälfte exakt in des Khaleds Laufbahn schlug. Der kriegt das Ei sofort unter Kontrolle, geht in den Strafraum und versenkt humorlos.

Nun muss man aber zugeben, dass der gelbschwarze Haufen aus Zypern auch ziemlich aus dem Leim war und bis um die 30. Minute brauchte, um einigermaßen in den Quark zu kommen. Übrigens: AEL ist ähnlich wie AEK Larnaka und auch APOEL Nikosia eine Söldnertruppe im wahrsten Sinn des Wortes. Während die drei genannten das schon seit einigen Jahren sind, poppt immer mal wieder ein anderer Club auf, wird rasch Meister, um dann wieder in der Versenkung zu verschwinden. Das hat seine Ursache im vielen Geld, dass russische, ukrainische und chinesische Oligarchen auf die Insel bringen – denn wer mindestens zwei Mio Euro investiert, bekommt auf Wunsch einen EU-Pass. Darauf sind eben viele Russen und Chinesen scharf, und sagen sich: Warum nicht in einen Fußballklub investieren? Da es zudem de facto keine Begrenzung der Zahl an Nicht-EU-Ausländern in den Teams gibt, tummeln sich Dutzende Brasilianer, Kollegen aus Afrika, Serben, Ukrainer und so weiter in der zyprischen First Division.

AEL ist de jure ein Traditionsclub (gegründet 1930) und hat auch einen einheimischen Präsidenten namens Andreas Sofocleous. Der ist allerdings Rechtsvertreter des ukrainischen Oligarchen Oleksandr Onyshchenko, der mal Ministerpräsident der Ukraine war und das Land als Springreiter bei Olympia vertreten hat. Im Zuge der Korruptionsunruhen vor einigen Jahren musste er fliehen und hat einen offiziellen Wohnsitz auf Zypern. Seine Kohle hat er mit Öl und Gas gemacht und ist über Mittelsmänner immer noch Besitzer des größten ukrainischen Unternehmens dieser Branche. Mit einem 36er-Kader, in dem nur 12 Zyprioten Dienst tun, wurde AEL übrigens zuletzt Vizemeister und wird Zypern in dieser UEFA-Loser-Liga vertreten.

Diese gewürfelte Truppe nahm die Sache ziemlich ernst, reklamierte und verwickelte den einheimischen Schiri bisweilen in minutenlange Debatte. Zugelangt haben sie auch, aber in dieser Hinsicht standen die Fortunen ihnen in nichts nach. Zum Glück gab es keine wirklich üblen Fouls, und keiner wurde verletzt. Mit dem ungewohnten 3-4-3 hatten die Rotweißen in den ersten 45 Minuten wenig Mühe, die Belegschaft für Hälfte 2 hatte dagegen ihre liebe Not damit – besonders weil die Kooperation zwischen Dreierkette und Mittelfeld stockte und das Offensivspiel dadurch langsam wurde. Da die Zyprianer so ab Minute 60 eigene Bemühungen sehr weit zurückschraubten, wurde die Partie auf ihre alten Tage noch zum öden Kick. Der Elfer, den Daniel „Bunki“ Bunk verursacht haben soll, war in etwas so berechtigt wie der Strafstoß für England kürzlich in diesem EM-Halbfinale.

Schwamm drüber, sagt Ihr erstaunlich ergebener Fortuna-Gucker, das Ergebnis ist völlig unwichtig. Wichtiger sind wie immer bei solchen Freundschaftskämpfen während dieser Phase der Saisonvorbereitung die Erkenntnisse. Der junge Herr Preußer hat es im Nachspiel-Interview schlüssig zusammengefasst: Jetzt, wo nicht mehr bloß Fitness gebolzt, sondern inhaltlich gearbeitet wird, sind diese Partien aufschlussreich, weil man im Detail sehen kann, ob das Konzeptionelle begriffen wurde. Dabei hob CP völlig zurecht das 2:0 und dessen Entstehung hervor – so ungefähr stelle er sich das vor. Und damit fährt er eine hochmoderne Schiene, denn die Spielverlagerung durch Diagonalpässe ist eines der giftigsten Mittel im Umschaltspiel überhaupt. Zweitens: Auch ziemlich gut funktionierte schon das Spiel gegen den Ball im Mittelfeld – die Balleroberung dort ist das A und O. Lieber eine Top-Zweikampfquote als irgendeine utopische Passquote.

Geglänzt haben auch wieder die Youngster, allen voran natürlich Bunki Bunk. Wobei Tyger Lobinger bisweilen schon auftritt wie ein Stammspieler. Überraschend gut auch Tim Oberdorf und Phil Sieben, den ja kaum jemand, der sich im Nachwuchs auskennt, auf dem Zettel hatte. Bei Khaled Narey sieht es ein bisschen nach „Football’s coming home“ aus, also in dem Sinne, dass er vielleicht zum ersten Mal in seiner Karriere in einem Team angekommen ist – könnte gut sein, dass wir sehr viel Freude an ihm haben werden. Dass Shippi Shipnoski eine enorme Bereicherung darstellt, ist jetzt schon sicher.

Klasse auch, dass der so lange ins Hintertreffen geratene Raffa Wolf, der in der ersten Halbzeit die Hütte fegte, ganz offensichtlich den Kampf um die Nr. 1 im Tor annimmt; klar, mit 33 ist man als Torhüter ja noch kein alter Sack. Der Druck auf Flo Kastenmeier von Wolf, aber mindestens genauso stark vom hochbegabten Dennis Gorka, kann nur gut sein für die Fortuna. Manche Schludrigkeit von Flo – die sogenannten „Kastenmeier-Momente“ – in der vergangenen Saison dürften auch auf zu geringe Konkurrenz zurückzuführen sein. Und die letzte gute Nachricht vor dem Artikelende lautet: Bei Emma Iyoha scheinen sich langsam alle die Knoten zu lösen, die ihm während seiner Erkrankung und Rekonvaleszenz das Leben schwer gemacht haben; vielleicht wird er zu dem modernen Mittelstürmer, den wir uns alle wünschen.

Hier das komplette Testspiel im YouTube-Kanal von F95tv:

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