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Sandhausen vs F95 0:2 – Miese Leistung, sicher gewonnen

Analyse · Alte Regel: Schärfer kritisieren nach einem Sieg als nach einer Niederlage. Danach kann man die erste fortunistische Halbzeit nur als Katastrophe bezeichnen. In der Statistik nach 45 Minuten finden wir eine jämmerliche Passquote von 71 Prozent, eine unterirdische Zweikampfquote von 34 Prozent und nur 40 Prozent Ballbesitz. Weil die roten Buben aber rasante erste acht Minuten auf die Wiese legten und bis zur 15. Minute gut aussahen, fiel diese miese Leistung nicht sehr auf. In der Kabine dürfte Neu-Trainer Christian Preußer den scharfen Tonfall angeworfen haben, den man bisweilen auf dem Trainingsplatz von ihm hört – immer nur lieb und nett ist der nämlich nicht. Kann gut sein, dass er ein paar Kollegen, die in Hälfte Eins völlig neben sich herliefen, so aufweckte – zum Beispiel Leon Koutris (der sich bis dahin eine schwache 5 verdient hatte) und Shinta Appelkamp, der einfach nicht stattfand. [Lesezeit ca. 6 min]

Dass sich die glorreiche Fortuna beim sich gerade heftig umbrechenden SVS erstmal keinen fing, hing mit der nicht sehr gefährlichen Offensive der Sandhäuser zusammen. Erschreckend war aber vor allem, dass zwischen Minute 18, 19 und dem Pausenpfiff nichts, null, niente von dem umgesetzt wurde, was Preußer den Jungs in der Vorbereitung eingebläut hat. Nein, da wurden die ballführenden Verteidiger nicht angelaufen. Nein, da machte die Mittelfeldkette nicht das tiefe Drittel dicht. Nein, Diagonalpässe gab’s nicht. Und so weiter.

SVS vs F95: Preußer coacht Nedelcu (Screenshot Sky)

SVS vs F95: Die schlimme Halbzeitstatistik (Screenshot: kicker.de)
Tatsächlich ließen sich die Fortunen zwischenzeitlich von der körperlich, ähem, äußerst präsenten, wenn auch leicht überalterten SVS-Truppe in die Defensive drängen. Altgediente Anhänger der Diva sahen das 1:0 für die Platzbesitzer förmlich vor sich. Da muss Flo Kastenmeier einmal richtig ran, dann kommt ein Fernschuss, der abgefälscht ins Aus geht, und dann in der 37. klingelt’s im Fortuna-Kasten. Allerdings stand der Schütze so klar im Abseits, dass nicht mal der kölsche Keller ranmusste. Immerhin: Peterson mehr diagonal als quer auf Klaus, der abzieht, dessen Schuss aber geblockt wird.

Viel mehr gäbe es über die erste Hälfte kaum zu berichten, wäre der arme Felix Klaus nach einem wirklich heftigen Zusammenprall mit einer dieser Sandhäuser Kanten (den Ihr Ergebener übrigens als klares Foul an der Grenze zu Rot gesehen hat – aber das ist eine Minderheitsmeinung) benommen liegen. Drei Minuten lang kümmerten sich die Mediziner um ihn und signalisierten dann, dass der Außenläufer ausgewechselt werden müsste. Gut, dass bei potenziellen Kopfverletzungen inzwischen so reagiert wird, und als Klaus später mal im Bild war, konnte man sehen, dass er ordentliche einen abgekriegt hatte. Für ihn kam Niklas “Shippi” Shipnoski, was ziemlich genau dem entspricht, was mit “positionsgetreuer Wechsel” genannt wird. Und der Mann, der aus Saarbrücken kam, gefiel mindestens genauso gut wie der Felix.

SVS vs F95: Dem armen Felix Klaus brummte der Schädel (Screenshot Sky)

Den Experten, die sich nach mehr als neun Monaten mal wieder vollzählig an der Retematäng versammelt hatten, war klar: Diese Pause und das, was sich danach ändern würde oder nicht, waren eine erste Bewährungsprobe für den jungen Chefcoach. Man diskutierte eine Systemumstellung hin zur Dreierkette und einige Auswechselmöglichkeiten. Gern genannt wurden der Austausch von Leon Koutris durch Flo Hartherz und der Wechsel von Eddie Prib zu Käpt’n Bodze; ersterer würde weiter für die Viererkette sorgen, bei letzterem wäre eine Umstellung auf drei auf einer Linie möglich. Dass es dann erstmal ohne Wechsel und Umstellung weiterging und die Roten doch ganz anders auftraten als in den ersten 45 Minuten, spricht sehr für die Motivationskünste des Christian Preußer.

SVS vs F95: Getümmel im SVS-Strafraum (Screenshot Sky)

Okay, wie Rouwen Hennings nach der Partie zugab, drehte man in der Pause doch ein bisschen an den Schräubchen. Die taktische Aufstellung wurde den Medien ja als ein 4-1-4-1 verkauft mit Prib zwischen den Viererketten. In der Realität sah die Sache viel banaler nach 4-3-3 aus; auch, weil der gute Rouwen nie die einsame Spitze spielte, sondern sich mit den beiden Außen synchronisiert bewegte. Käpt’n Cello und Shinta Appelkamp traten deutlich gestaffelt auf, und der Eddie oszillierte um dieses Gebilde herum. Nach der Pause aber entstand eine echte Dreierkette im Mittelfeld, die den Shinta ein bisschen von der Verantwortung als Achter entlastete und Sobottka und Prib quasi zu Vorstoppern machte. Das waren alles keine dramatischen Umstellungen, aber doch sichtbare.

SVS vs F95: Gefährliche Situation für die Fortuna (Screenshot Sky)

Zudem wird Preußer den Burschen einen guten Schuss Hallo-Wach ins isotonische Pausengetränke gemischt haben. Das betraf vor allem Leonardo, der plötzlich geistig anwesend war, aber auch Chris Klarer, der bis dahin ordentlich, aber ein bisschen uninspiriert wirkte, sowie auch Dragos Nedelcu, der sich nun mehr zutraute. Immer noch stand die Truppe nach Ansicht Ihres Ergebenen nicht hoch genug, und immer noch wurden die ballführenden Gegner nicht aggressiv genug angelaufen. Überhaupt: Den Herren mit dem F95 auf dem Hemd fehlte bis zum Schluss diese Bissigkeit, die sie teilweise bei den Testspielen gezeigt und damit prima Zweikampfquoten erreichte hatten. Immerhin konnten sie diesen Wert von 34 Prozent in der ersten Hälfte auf 42 Prozent steigern – wobei Quoten unter 50 Prozent problematisch sind und bleiben werden. Auch Pass- und Ballbesitzquote konnten gesteigert werden – ein gutes Beispiel dafür, dass eine Statistik das Spiel nicht beschreibt, aber den optischen Eindruck ganz gut belegen kann.

Spieler des Tages war, nein, nicht Doppeltorschütze Rouwen Hennings, sondern Kris Peterson, der Einzige auf dem Platz, der durchgehend das auf den Rasen brachte, was er kann. Kein Wunder das – ob mit oder ohne sein Zutun – alle erfolgversprechenden Kombinationen über links kamen. Wobei: Was die Jungs klasse umsetzten, war die ausdrücklich erlaubte Flexibilität. So sah man Felix Klaus nicht selten auf links, während Peterson zentral agierte. Selbst Zimbo Zimmermann, der eine solide Partie bot, fand sich etliche Mal ganz auf links. Nach der Halbzeitpause ging der Trend dann sowieso sehr nach links. Sehenswert die Flanke vom Schweden in den Sechzehner, die der einlaufende Shippy gern hätte versenken können.

SVS vs F95: Endlich das 1:0 durch Rouwen Hennings (Screenshot Sky)

Das war in der 54. Minute. Die Fortunen hatten nun Druck aufgebaut, und der SVS wirkte leicht gestresst. Dann wieder eine feine Kombination auf dem aktuellen Lieblingsflügel; beteiligt: Appelkamp, Peterson, Koutris. Dann rein mit dem Ding in den Strafraum. Sah schon aus als würde das nichts. Aber dann berührt Niklas Shipnoski das Ei, das so rüber zu Rouwen Hennings springt, der ausnahmsweise seine rechte Klebe ansetzt und ins lange Eck versenkt – ein sauberes Tor als Ergebnis spielerischen Glanzes. Zu diesem Zeitpunkt war die Führung dann auch verdient. Fünf Minuten später: Wieder leichtes Getümmel im SVS-Sechzehner. Peterson wir gelegt – das sah sehr nach elferwürdigem Foul aus. Shinta kommt reingerauscht, nimmt den Ball und will nach außen. Da holt ihn ein Sandhäuser von den Socken. Jetzt aber Strafstoß!

SVS vs F95: Die Situation, die zum Elfer führte (Screenshot Sky)

Unser Rouwen, das alte Schlachtross – Wer sonst? – tritt an, verlädt den Keeper ohne all diese neumodischen Mätzchen und haut die Pille rechts halbhoch rein. 2:0 für unsere Farben. Und womit? Genau, mit Recht! Das war in der 62. Minute, und spätestens ab der 70. zeigten die SVSler schon erhebliche Verschleißerscheinungen, während unsere noch erstaunlich frisch wirkten. Überhaupt: Wenn man manchen dieser fußballgöttlichen Körper betrachtete, sah man viel Muskelaufbau und Fitness. Da hat das Coaching-Team in der Vorbereitung offensichtlich gute Arbeit geleistet. Die Auswechslung von Dragos Nedelcu, für den Käpt’n Bodze kam, war dann auch eher keine aus Konditionsgründen, sondern eher der gelben Karte geschuldet, die der Rumäne (nach Meinung des Ergebenen zu Unrecht) direkt nach Wiederanpfiff bezogen hatte.

SVS vs F95: Der große Torjubel (Screenshot Sky)

Die letzten 20 Minuten taten die Rotweißen dann nicht viel mehr als nötig. Man hatte, wie ein Mitexperte meinte, aber auch nie den Eindruck, dass die gewinnen wollten oder dass die das Spiel noch drehen wollten. Wenn der SV Sandhausen so weitermacht, wird er absteigen. Das wär schade, da würde der zweiten Liga wirklich etwas fehlen. Tatsächlich hatten die Sandhäuser um die 75. herum noch eine Chance, sodass sie insgesamt auf nur vier Torschüsse, davon drei in Hälfte Eins kamen.

In der 78. Minute dann zwei interessante Wechsel auf Düsseldorfer Seite. Für Peterson kam (Überraschung!) Khaled Narey, der ja eher auf den anderen Flügel gehört. Schön, dass Dawid Kownacki für Rouwen Hennings ran durfte. Auch der sieht ausgesprochen fit aus und spielte eine frei flottierende Spitze, bekam aber in diesen restlichen zwölf Minuten nur anderthalb Pässe zur Verwertung, wobei die Flanke von Shipnoski in der 87. Minute gut und gern zu einem Tor hätte führen können. Und dann trudelte das Spiel aus. Die glorreiche Fortuna heimste die erhofften drei Auswärtspunkte ein, ohne sich gleich zu sehr als Auf…, als Oben-Mitspiel-Favorit zu outen. Vermutlich war die schwache erste Halbzeit nur dazu gedacht, die ganzen Aufstiegsaspiranten in Sicherheit zu wiegen.

So richtig spannend wird’s am kommenden Samstag beim Flutlichtspiel gegen Bremen. Und wer noch keine Karte hat, aber die Fortuna liebt, der sollte sich schleunigst um ein Ticket kümmern. Denn wie viele Zuschauer überhaupt reindürfen, hängt vom Inzidenzwert ab…

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