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Fans beim Fußball: Es wird nie wieder so sein, wie es mal war

Meinung · Nicht wenige Fortuna-Fans haben gedacht, natürlich würden alle 17.000 Tickets für das Spiel am Samstag gegen Bremen verkauft. Tatsächlich fanden sich aber nur 12.850 Zuschauer in der Arena ein. Das überraschte, vielleicht sogar noch mehr als der magere Besuch beim Saisoneröffnungsspiel gegen Leuven. Interessant zu wissen wäre, ob alle 1.000 Karten, die unter ungeimpften, aber getesteten Bewerber:innen verlost werden sollten, überhaupt abgerufen wurden. Dabei herrschte in den sozialen Medien eine überschäumende Vorfreude darauf, dass man überhaupt wieder ins Stadion käme – nach anderthalb Jahren voller Geisterspiele und der einen Partie vor ein paar Leute gegen Würzburg im September 2020. Es kam nicht so, und die Ursache lässt sich so zusammenfassen: Nach Corona wird es auch beim Fußball nie wieder so sein, wie es mal war. [Lesezeit ca. 4 min]

Für das scheinbar „geringe Interesse“ an der rasanten Begegnung mit den Bremern gibt es einige Thesen; manche auf der Hand liegend, andere erst auf den zweiten Blick akzeptabel. Es geht immer um die Frage, warum sich nicht die Masse an Fortuna-Freunden um die Tickets gekloppt hat. Dass die Ultra-Szene mit rund 2.000 Mitglieder nach dem Motto „Entweder alle oder keiner“ nicht anwesend sein würde, war bekannt. Aber die anderen? In der Erstligasaison lag der Schnitt bei den Heimspielen bei über 30.000; in der letzten Zweitligasaison vor Corona, also 2017/18, waren es rund 28.800. Etwas vereinfacht ausgedrückt: Wo waren ca. 15.000 potenzielle Zuschauer dieses Mal? Ihr Ergebener hat versucht, die verschiedenen Thesen zu nennen und zu bewerten:

Erste These: Die Menschen haben noch Corona-Angst

Tatsächlich hört man von nicht wenigen Leuten, dass sie nach wie vor große Menschenmengen und volle Innenräume mieden, weil ihnen das Infektionsrisiko zu hoch sei. Weil immer wieder Meldungen kursieren, dass sich auch Doppeltgeimpfte anstecken können, betrifft das auch Fans, die den zweiten Pieks hinter sich haben. Nach allem, was man weiß, betrifft dies aber nur auf eine Minderheit Geimpfter zu. Diese These erklärt das Desinteresse also nicht hinreichend.

F95 vs Bremen: Einlasskontrolle für Ungeimpfte (Foto: TD)

Zweite These: Die Menschen hatten keinen Bock auf das Einlassprocedere

Von besonders Besorgten hieß es, man solle gut und gerne drei Stunden vor Anpfiff da sein, denn um in die Arena zu kommen, müsste man eine gute Stunde rechnen. Auch wenn nach einigen Aussagen der Einlass am Samstag noch nicht ganz flüssig lief, war die Abfertigung doch nicht zeitraubender als bei einem ausverkauften Stadion. Aber: Anscheinend zählten diejenigen, die dann tatsächlich kamen, zur entgegengesetzten Zielgruppe. Während der Einlass gegen 19 Uhr, also anderthalb Stunden vor Spielbeginn, noch sehr entspannt verlief, knubbelte es sich gegen 20 Uhr, als die Menge der Ticketbesitzer eintraf, ganz schön. Die Vorahnung dürfte aber nur für wenige Grund für den Verzicht gewesen sein.

F95 vs Bremen: Einlass auf dem Südplateau , Situation gegen 19 Uhr (Foto: TD)

Dritte These: Der Ticketverkauf war zu kompliziert und ungerecht

Ja, das könnte ein ganz realer Grund gewesen sein, denn in den sozialen Medien und Diskussionsforen häufte sich in dern letzten zehn Tagen vor der Partie die Aussagen à la „Ne, dann bleib ich weg“ von Leuten, die auf die eine oder andere Weise am Online-Ticketverkauf gescheitert waren. Zudem beschwerten sich recht viele Besitzer des Support-Passes im vorauseilenden Gehorsam, dass sie vielleicht gar keine Karte bekämen. Wirklich ernstzunehmen aber der Ärger mancher Eltern, deren Kinder, weil ungeimpft, nicht reindurften. Und dann noch der Frust von Zuschauergruppen, die seit Jahren zusammen in denselben Blocks saßen und standen und nun wegen der Hygienemaßnahmen nicht beieinander sein könnten. Und, ja, es gab auch Fans, die verzichteten, weil kein alkoholhaltiges Bier ausgeschenkt wurde. Tatsächlich könnte diese These die Abwesenheit von, sagen wir, 1.000 bis 2.000 möglichen Zuschauern erklären.

F95 vs Bremen: Blick auf die Gegentribüne ca. eine Stunde vor Spielbeginn (Foto: TD)

Vierte These: Fußball ist nicht mehr so wichtig

Die erschreckendste These ist diejenigen, die die höchste Allgemeingültigkeit in Anspruch nehmen kann. Und, fürchtet Ihr herzlich ergebener Fußballbeobachter, leider zurecht. Zieht man die verfügbaren Werte und Quoten für das Interesse an den Sky-Übertragungen der Vorsaison und der EM heran, könnte es wirklich sein, dass sich die Fußballbegeisterung halbiert hat. Das hat weniger oder nicht allein mit der Pandemie zu tun, sondern mit der dramatischen Veränderung des Fußballs in den vergangenen drei, vier Jahren.

Eine in keinster Weise repräsentative Umfrage unter Freunden, Bekannten und Leser:innen lässt darauf schließen. Ausgesagt wurde unter anderem: „Bis vor zwei Jahren sind wir natürlich zu jedem Heimspiel gegangen, hatte selbstverständlich Dauerkarten, aber für Saison 2020/21 haben wir keine mehr gekauft – nicht nur wegen Corona; wir wollten nur noch zu bestimmten Spielen gehen und auch nur dann, wenn unser Freundeskreis im Block da wäre.“ Übersetzt heißt das: War der zweiwöchentliche Stadionbesuch früher noch Teil einer Routine wie der wöchentliche Stammtisch im Brauhaus, sollte es nun nur noch um die „wichtigen“ Spiele gehen. Folge der Überfütterung mit Fußball im TV?

Trifft diese vierte These zu (und das wird man spätestens nach den ersten zwei Spieltagen der ersten Liga sehen können), wird es die Zuschauerschnitte, die vor vier Jahren noch normal waren, nicht mehr oder vielleicht sogar nie wieder erreichen.

Waren nur die wahren Fans da?

Eine heikle Frage, weil damit der alte Streit „Fans vs Eventies“ aufgemacht würde. Es spricht allerdings viel dafür, dass es vor allem die „Kund:innen“ früherer Jahre waren, die wegblieben. Also diejenigen, denen der Besuch eines Fortuna-Spiel gleichwertig mit einer Stippvisite im Krefelder Zoo oder einem anderen Wochenendausflug war. Denen war die Verfahren rund um den Ticketerwerb und den Einlass sicher zu unbequem. Dafür, dass (fast) nur „wahre Fans“ anwesend waren, spricht die enorme Stümmung mit den lauten Anfeuerungen und dem freundlichen Abschiedsapplaus. Das war mehr als man – ohne die aktiven Supporter – erwarten konnte.

Rechnet man das alles in Zahlen um, dann darf die Fortuna auch bei den nächsten Heimspielen mit allerhöchstens 15.000 Kartenbewerber:innen rechnen.

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