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Nürnberg vs F95 2:0 – Viel Sand im Getriebe

Analyse · Die gute Nachricht: Unsere Zwote gewann gegen Lotte nach Pausenrückstand noch mit 2:1. Die schlechte Nachricht: Unsere Erste verlor gegen Nürnberg mit 0:2, wobei der zweite Treffer wieder ein Elfer in der allerletzten Minute der Verlängerung war. Selten hat Ihr in besonderem Maße ergebener Fortuna-Beobachter so wenig Lust darauf gehabt einen Spielbericht zu schreiben. Und das, obwohl die äußeren Bedingungen sehr erfreulich waren. Die Rumpfexpertenrunde tagte dieses Mal im Kreise der Ultras in der Bar95 am Paul-Janes-Stadion, also da, wo das Herz der Fortuna schlägt. Die Bratwurst war lecker, das Uerige aus der Flasche schön kühl und die Leinwand, auf die das Spiel gebeamt wurde, riesig. Aber weder das Ergebnis noch der Gesamteindruck der fortunistischen Leistung konnte so etwas wie gute Laune auslösen. [Lesezeit ca. 6 min]

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Das lag vor allem daran, dass sogar die Atmosphäre im Max-Morlock-Stadion mit anwesenden rund 12.000 Zuschauern merkwürdig emotionsarm war. Trotz deutlich über 30° auf dem Rasen sahen wir aber keinen Sommerkick, sondern ein interessantes Spiel, dessen F95-Anteil aber nach dem 1:0 für die Hausherren aus den Fugen geriet. Dabei waren die Burschen in den Wellen-Trikots motiviert aus der Pause gekommen und dominierten den Gegner ungefähr eine Viertelstunde lang nach Belieben. Das hatten sie in der ersten Halbzeit bis zur Trinkpause in der 25. Minute auch schon mal getan – da aber nur 10 Minuten lang.

Nünrberg vs F95: Experterunde zu Gast bei den Ultras in der Bar95 (Foto: M. Neugebauer)

Natürlich wurde nach dem Schlusspfiff in den sozialen Medien nach dem oder den Schuldigen gesucht, alles schlechtgeredet und vor allem auf einzelne Spieler verbal eingekloppt. Man kennt das ja. Natürlich waren die meisten F95-Akteure gestern nicht auf der Höhe ihres Könnens, aber so richtig schlecht war auch keiner. Will man psychologisch an die Niederlage ran, läge ein Unterschätzen der Nürnberger im Rahmen der Möglichkeiten. Denn die waren phasenweise richtig gut, ja, taktisch besser als unsere Jungs. Vielleicht ist das auch das eigentliche Ergebnis der Begegnung: Das Duell zwischen den beiden jungen Trainern (die eine gemeinsame Zeit in Erfurt verbindet) hat Robert Klauß gewonnen.

Nünrberg vs F95: Vorglühen der Auswärtsfahrer im Biergarten (Foto: H. Kendelbacher)

Wie ähnlich Preußer und Klauß ihre Arbeit auffassen, war jederzeit mit den Händen zu greifen. Die grundsätzliche Spielanlage des FCN und der glorreichen Fortuna in der laufenden Saison ist verblüffend ähnlich, der Hang zur Flexibilität auch. Ja, zwischenzeitlich (ca. Minute 25 bis 40) kopierten die Clubberer praktisch den fortunistischen Ansatz. Damit konnten die Herren um Käpt’n Hennings eigentlich nie so richtig etwas anfangen. Hauptunterschied zwischen den Teams: Während bei F95 fast alle Offensivaktionen über die Flügel liefen, kam der FCN öfter durch die Mitte. Weil die Teams aber schon im Mittelfeld und erst Recht in der jeweiligen Viererkette bombenfest standen, waren Torchancen Mangelware.

Nürnberg vs F95: Noch leer, das Max-Morlock-Stadion (Foto: H. Kendelbacher)

Felix Klaus‘ Idee, in der 21. Minute mal eben so richtig draufzuhalten, war prima und hätte beinahe den Führungstreffer gebracht. Weshalb Preußer Jungs dieses Stilmittel unter den gegebenen taktischen und meteorologischen Bedingungen nicht öfter einsetzen, zählt zu den Rätseln des Spiels. Ob die Hitze auch der Grund dafür war, dass beide Flügel nicht funktionierten, sei dahingestellt. Jedenfalls: Der gute Flo Hartherz hatte einen gebrauchten Tag, weil er sich nicht traute. Wo er üblicherweise an der Linie lang nach vorne dampft, da drehte er gestern lieber bei, wenn ihn zwei, drei Nürnberger anstarrten. Kris Peterson gab relativ früh auf, und verzichtete mehr oder weniger ganz auf seine Dribblings in den Sechzehner.

Nürnberg vs F95: Der Einmarsch in die Hitze (Screenshot Sky)

Die Kombi aus Zimbo Zimmermann und Felix Klaus auf rechts krankte, genau: wieder an einem nicht so dollen Tag vom lieben Matthias. Der war natürlich häufig ins Abwehrgeschehen verstrickt, verzichtete aber weitestgehend auf seine Ausflüge bis an die gegnerische Grundlinie und die zugehörigen Flanken. Einen ideenlosen Tag hatte auch Shinta Appelkamp, der eigentlich immer nur so alle Viertelstunde sichtbar wurde, ohne irgendeine Wirkung zu entfalten. Und der Eddie Prib, der leistete sich nicht nur eine unnötige gelbe Karte in der 5. Minute, sondern sprühte auch nicht gerade vor Spielphantasie. Vielleicht, vielleicht hätte Christian Preußer ihn noch in der ersten Halbzeit durch Adam Bodzek ersetzen sollen, denn wenn der defensive Sechser so früh Gelb sieht, wird er nur noch ins reduzierte Risiko gehen.

Unser neues Innenverteidiger-Traumduo, Chris Klarer und Dragos Nedelcu ließ zunächst gar nichts anbrennen – wie es in der 59. Minute zum Freistoßtor der Nürnberger kam, wird noch zu besprechen sein. Den Zorn der Glubb-Gemeinde zog sich Chris nach einem robusten Check gegen einen FCNler zu, bei dem das Opfer unsanft auf der Laufbahn direkt vor seinen Trainern landete. Das geschah in der 62. Minute, führte zu einer Rudelbildung, heftigen Wortgefechten zwischen Käpt’n Rouwen und Club-Betreuern und brachte Herrn Klarer eine (verdiente) gelbe Karte ein. Überhaupt: Am Ende standen 18 Fouls für Rotweiß an der Tafel, wobei viele davon unnötig waren, was auf einen Hauch Übermotivation schließen lässt. Trainer Preußer kritisierte das auch in der Pressekonferenz nach dem Spiel.

Nürnberg vs F95: Die dringend notwendige Trinkpause in der 25. Minute (Screenshot Sky)

Wie das so seine Art ist, verpackte er die restliche Kritik hinter einem Lächeln in eine nüchterne Analyse. Diese PK war eh sehenswert, denn auch hier zeigte sich, dass Preußer und Klauß Brüder im Geiste, wenn nicht gar Zwillinge sind. In ihrem ganzen Auftreten, in ihrer Sprechweise, bei der Verwendung der Fachbegriffe markieren sie absolut den modernen Stil des Trainerwesens. Dem einen oder anderen in Ehren ergrauten Fußballfanatiker wird das alles einfach zu gefühlsarm, zu geschäftsmäßig sein. Da fehlen die Ecken und Kanten, die unsere großen Trainertypen früherer Jahre immer hatten. Von Preußer wissen wir inzwischen (mitgeteilt von ungenannten Kaderinsassen), dass in ihm ein Vulkan brodelt, er aber die Lava seines Ärgers nicht einfach rauslässt – das fällt wohl unter den Begriff „professionell“.

Nürnberg vs F95: Zweikampf im FCN-Strafraum – zu Recht kein Elfer (Screenshot Sky)

Schön, dass Ihr Ergebener erneut nichts über Flo Kastenmeier schreiben muss – es gab ihn wieder nicht, den berüchtigten Kastenmeier-Moment. Was bedeutet: Der Mann ist lernfähig, enorm lernfähig. Obwohl er gestern nicht wirklich viel zu tun hatte und keinen so richtig gefährlichen Ball entschärfen musste, gebührt ihm eine gute Note als solider Rückhalt für die Mannschaft. Bleiben noch die beiden Spitzen. Auf dem Taktikbrett, das zu Beginn ein 4-4-2 anbot, konnte Dawid Kownacki gleich einen halben Tacken nach hinten verschoben werden, weil er in der Regel eine hängende Spitze gab. Wenn aber Angriffe zentraler als üblich kamen, war er dann doch direkt vorm gegnerischen Keeper zu finden.

Und: In der 49. Minute hätte unser Millionenmann das Tor machen MÜSSEN! Wenn ein Spitzenstürmer so ein Ding nicht reinmacht, ist ihm auch nicht mehr zu helfen. Ja, auch das Mitleid mit dem armen, armen Dawid hilft nicht mehr weiter. Je doller er es will, je mehr verkrampft er. Ja, manchmal sieht man ihm an, dass er sogar eine Schwalbe in Erwägung zieht – nicht gut! Dass Käpt’n Rouwen gestern nicht eingelocht hat, lag daran, dass er viel zu wenig serviert bekam. Sorgen um die F95-Offensive muss man sich aber angesichts des Sturmlaufs gegen Ende – also bis in die Nachspielzeit hinein -, der letztlich nichts brachte, nicht grundsätzlich machen. Da spielte Chris Klarer praktisch einen dritten Mittelstürmer. Da war das Team auf Befehl ihres Trainers All-in gegangen, nahm Konter in Kauf und fing sich auch einen, der aber eigentlich harmlos war. Wie Eddie Prib das Ding so doof verdaddelte, dass es Strafstoß für den FCN gab, war irgendwie ein Spiegelbild der ganzen Partie.

Nürnberg vs F95: Den hätte Kownacki reinmachen MÜSSEN! (Screenshot Sky)

Der Killer aber war das erste Tor für die Hausherren. Ein ungedeckter Club-Kicker verlängerte einen Freistoß mit dem Hinterkopf in die Hütte; Flo Kastenmeier hatte da nichts zu halten. Alles an diesem Treffer wäre zu verhindern gewesen. So hätte Flo Hartherz sehen müssen, dass er mit seiner Bewegung das Abseits aufhebt, was das Tor erst ermöglichte. Und wenn dem späteren Schützen ein Bewacher zugeordnet war, dann Dawid Kownacki, denn der Kopfball kam von einem Innenverteidiger. Aber, der auslösende Freistoß selbst war leicht zu verhindern. Preußer meinte sogar, es sei dem gar kein Foul vorausgegangen, aber das irrte er. Felix Klaus hätte einfach nicht so draufgehen dürfen.

Überraschend, dass die statistischen Daten für die Fortuna gar nicht so schlecht aussehen. Hervorragend eine Passquote von 86 Prozent zur Halbzeit, vor der am Ende immer noch 82 Prozent übrigblieben. Aber obwohl die Rotweißen so häufig Foul spielten, konnten sie am Ende nur eine eher miese Zweikampfquote von 40 Prozent verbuchen. Zur Pause lagen sie da noch vorne, beim Ballbesitz sowieso, bei der Laufleistung blieben die Teams gleichauf. Und natürlich war ja auch nicht alles schlecht. Man sah schon, dass die Laufwege ganz gut sitzen, dass Ballstaffetten funktionieren, das die Kollegen taktisch diszipliniert auftreten. Offensichtlich reicht das gegen einen, was die individuellen Fähigkeiten angeht, fast gleichwertigen Gegner, der dasselbe taktische Grundkonzept fährt, nicht aus. Gegen Bremen war die Mannschaft in jeder Hinsicht besser, dieses verlorene Heimspiel lässt mehr Hoffnung auf einen Spitzenplatz aufkeimen als die huddelige Vorstellung im Max-Morlock-Stadion in Nürnberg.

Nürnberg vs F95: Stadionsprecher Andre Scheidt und sein erschöpfter Spross (Foto: H. Kendelbacher)

Auch wenn saisontechnisch natürlich noch nichts angebrannt ist, dürften die kommenden beiden Partien Aufschluss darüber geben, wo die Fortuna der Spielzeit 2021/22 wirklich steht. Ein Heimsieg gegen die tief in der Krise steckenden Kieler Störche nächste Woche ist Pflicht, und mit dem Grundkonzept von Trainer Christian Preußer sollten die F95-Kicker den Schalkern auswärts deren Grenzen aufzeigen können. Würden beide Partien verloren, wäre die Krise dann in Düsseldorf eingezogen. Muss man auch mal realistisch sehen.

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