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F95 vs Kiel und Schalke: 3:5 – ein völlig unmöglicher Doppelspielbericht

Analyse · Ja, sagte einer, wie willst du denn einen Spielbericht schreiben, wenn du nicht eine Sekunde live gesehen hast? Muss, sagte Ihr genesener Ergebener und machte sich an eine Lösung. Nun gibt es ja Dutzende mehr oder weniger inspirierte Spielberichte in den Medien und Kurzausschnitte im TV zuhauf. Das würde nicht reichen, aber das erreichte den Ergebenen ein Angebot, das er nicht ausschlagen konnte. Ein freundlicher Mensch (Danke, Alex!) hatte Ihrem ergebenen F95-Berichterstatter zweimal 30 Minuten Bildmaterial zusammengestellt und zukommen lassen – ohne Kommentatorenqequatsche, übrigens. Das war ja fast besser als in echt dabeigewesen zu sein. [Lesezeit ca. 4 min]

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Die Partie gegen Kiel, auf die sich der Ergebene besonders gefreut hatte, verbrachte er vollständig im Halbkoma in der Notaufnahme; das Ergebnis erfuhr er irgendwann am Sonntag. Am Freitag dann schon fast wieder auf dem Damm, gelang es ihm, die ersten 20 Minuten im Sport1-Stream zu verfolgen, denn den Sender selbst hatte man im Fernseher in unserem Zimmer leider nicht programmiert. Und gegen 21 Uhr ging dann das krankenhäusliche WLan in die Knie und dank schlechtem Empfang brach auch bald der Ticker zusammen. Wie’s ausgegangen war, berichtete mir die Nachtschwester gegen Mitternacht. So kann’s manchmal gehen, und irgendwie bringt das auch ein Stück Demut der Zeiten zurück, in denen noch nicht mal der Kicker von jeder Partie einen Ticker brachte.

Jedenfalls entzieht das den Versuchen, Spielberichte zu verzapfen, jeden Boden. Da bleiben nur Eindrücke. Gegen Kiel war’s wild, und wer weiß, wie’s ausgegangen wäre, hätte sich die Fortuna nicht dieses frühe Gegentor gefangen. Das übrigens perfekt – und eigentlich so wie sich Preußer das für seine Burschen wünscht – herausgespielt war. Über weite Strecke machte F95 das Spiel, und die Störche konterten geschickt. Womit wir wieder mal beim Thema Videoanalyse sind. Denn alle Trainer, die ihren Job nicht allein aus dem Bauch heraus praktizieren, schauen sich Stunden um Stunden Partien der Gegner an, um deren Schwachstellen herauszuarbeiten. Offensichtlich ist das Verhalten nach Umschaltungen eine erhebliche Schwachstelle der Fortuna.

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Anscheinend hat der Kiel-Coach eine weitere Schwäche gesehen, und wenn diese eine ist, dann haben wir ein Problem, Houston. Es wäre die Schwäche der Außenverteidigung, die man dergestalt ausnutzt, dass man einen offensiven Mittelfeldler nicht die Linie lang rennen, sondern die Ecke des Sechzehners ansteuern lässt. Das funktioniert nur, wenn der zuständige AV das zulässt – oder nach eigenem Angriffsbemühungen zu spät zurückkehrt. Das 2:1 für Kiel entstand nach dem Muster. Was nun in beinahe jedem Spiel aufgefallen ist: Die Buben in Rot geben nie auf, ziehen bis zum Ende durch, lassen sich nicht hängen und zeigen (noch) keine mentalen Schwächen. Soweit Ihr Ergebener es aus den Ausschnitten ablesen konnte, war das 2:2 gegen die Störche, die er ja ohnehin höher als ihren Tabellenplatz eingeschätzt hatte, ein gerechtes Ergebnis.

Sagen wir so: Bis zur 15. Minute sahen die Anhänger der glorreichen Diva einen Auswärtsauftritt, wie er nach dem Lehrbuch des Christian Preußers ablaufen sollte. Hohes, aber nicht zu hohes Pressing, högdsche Positionsdiszplin und ein Schuss Aggressivität. Auch wenn das 1:0 für Unseren aus einem Schalker Fehler entstand, die Fortsetzung über Narey und Appelkamp war perfekt! Den schnellen Gegenschlag betrachtet der Ergebene aber als Schlüsselszene der Partie und als Ausgangspunkt für tiefergehende Diskussionen über Preußers Konzept und die Frage, ob er es mit dem richtigen Personal umsetzt. Im Ticker hieß es ja so schön „Missverständnis zwischen Prib und Klarer“. Sagen wir es klar: Solche Missverständnisse zwischen einem Innenverteidiger und dem defensiven Sechser DARF es nicht geben! Bei einer Viererkette mit hochstehenden Außenverteidigern sind diese Fehler tödlich.

Bei einem solchen System, das mit Pressing offensiv ausgerichtet ist, kommt dem Mann vor der Abwehr eine besonders wichtige Rolle zu. Und, sagen wir es ganz offen, es war nicht das erste Mal, dass der gute Eddie Prib diese Rolle nicht ausfüllen konnte. Und, nein, hört auf mit eurem blödflachen „Das is ne Lusche“ oder ähnlichem Dünnpfiff. Die Überlegung dahinter, ihn auf dieser Position einzusetzen besteht zurecht aus dem Hinweis auf seinen langjährige Zweitligapraxis und eine dadurch erworbene Unaufgeregtheit. Schon in der Vorsaison hat man aber gemerkt, dass Prib immer noch ganz gut bei Kräften ist, aber mit den modernen Systemen leicht überfordert. Wir wissen ja alle, dass im aktuellen Kader Cello Sobottka die Idealbesetzung für diesen Sechser darstellt.

Nur wäre der gute Cello unter anderen taktischen Anforderungen hier verschwendet. Eine Alternative ergibt sich, wenn man einen Tacken weiterdenkt. Wir haben es ja schon gesehen. Bei einem sehr offensiven Ansatz, bei dem die beiden Außenverteidiger überhaupt nur in Umschaltsituation an den Enden der Viererkette hängen, ergibt sich immer wieder eine Dreierkette, die dadurch entsteht, dass der defensive Sechser sich zwischen die IVs fallen lässt. Hatten wir schon mit Käpt’n Bodze. Wenn dieser Tage aber endlich, endlich Andre Hoffmann wieder wird antreten können, ergibt sich eine schräge Variante: Dragis Nedelcu, der ja ohnehin mehr spielen kann als nur immer IV, rückt auf die defensive Sechs in einer Raute. Apropos: Nein, auch Drago ist nicht einfach „ne Lusche“, der war auf Schalke gegen Terrodde und Bülter auch mangels kollegialer Unterstützung dauerüberfordert.

Seien wir ehrlich: Der Führungstreffer für S04 war eine Slapstick-Angelegenheit, wie sie einfach manchmal passiert. Knackpunkt war, dass die Flanke von Ouwejan niemals hätte so kommen dürfen. Aber auch das beobachten wir ja schon seit der Partie gegen Bremen: gegnerische Außen dürfen viel zu oft viel zu frei Flanken. Das passiert generell dann, wenn die nominellen Außenverteidiger überlastet werden – wir haben das schon bei Hartherz und Koutris gesehen und neuerdings auch öfters bei Zimmermann. Dass mit Khaled Narey nun einer im Kader steht, der AUCH AV spielen kann, vorne aber aktuell deutlich wertvoller ist, macht die Sache nicht einfacher. Es ist einen Hauch absurd, wenn der nominelle Außenstürmer Felix Klaus gegen Narey ausgewechselt wird. Wie auch immer: Es knarzt im Kader an vielen Stellen, und es gibt für Chefcoach Preußer in der Länderspielpause zwei Möglichkeiten – entweder er überdenkt seinen generellen strategischen Ansatz und passt die Systeme an, oder er nimmt tiefgreifenden Veränderungen an de,nr Zuordnungen der Spieler zu den Positionen vor.

So ungefähr sehen die Erkenntnisse Ihres fast wieder Genesenen nach der reinen Theoriestunde zu den beiden verpassten Begegnungen gegen Kiel und Schalke aus. Irgendeinen Grund zu irgendeiner Form von Panik sieht er nicht, konstruktive Kritik an Preußer dagegen für nötig. Spannend wird es allemal, wenn man mal alle vorliegenden Ergebnisse betrachtet und sich Spielberichtet durchliest. Diese Zweitligasaison verläuft so ganz anders als erwartet. Woran nicht zuletzt diese bescheuerte Verlängerung des Transferfensters bis über den 5. Spieltag hinaus nicht ganz unschuldig ist. Die Begegnungen gegen Aue und Regensburg werden spannend, weil sie in die eine und die andere Richtung neue Erkenntnisse liefern werden. Bis dahin dürfte der Ergebene wieder stadiontauglich sein.

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