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Aue vs F95 0:1 – Drei Punkte und 18,95 Euro ins Phrasenschwein

Analyse · Manchmal würde Ihr Ergebener seine Spielberichte auch gern von der Fußballphrasendreschmaschine schreiben lassen. Besonders nach Partien wie der gestern in Aue, die geradezu nach Floskeln schreien. Also nicht wundern, wenn sich der folgende Text stellenweise anhört als habe ihn ein Sky-Kommentator verzapft … oder einer dieser gewissen Fußballjournalisten oder gar ein Spieler oder Trainer. Von Torsten Mattuschka, dem Sky-Zweitliga-Experten ganz zu schweigen, der dem Vernehmen nach auch im wahren Leben so daherredet. Tatsächlich aber sind manche dieser Phrasen in Wahrheit entweder schöne Wörter oder gute Metaphern, die also im Folgenden mit voller Absicht vorkommen werden – von der Schrecksekunde über den Weckruf bis zum Arbeitssieg. [Lesezeit ca. 7 min]

Also: Nach einer Schrecksekunde kurz nach Anpfiff geriet die Fortuna unter Druck, und es bedurfte eines Weckrufs durch das zu Recht nicht gegebene Tor von Ao Tanaka in der 25. Minute. Danach traten die Gäste konsequenter auf und gingen durch einen Strafstoß in der 29. Minute mit 1:0 in Führung. Den Elfer verwandelte Schlitzohr Hennings und hatte Glück, dass Schlussmann Männel ihn nicht noch abwehrte. Nun kamen die in Rot antretenden Düsseldorfer besser ins Spiel. Vor und nach der Pause plätscherte die Partie hin und her. Echte Torchancen waren Mangelware. So fuhren die Schützlinge von Trainer Christian Preußer am Ende einen durchaus verdienten Arbeitssieg ein.

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Es begann alles mit dieser Schrecksekunde ungefähr 16 Klicks nach dem Anpfiff. Die Fortunen zelebrierten vom Anstoß aus einen druckvollen Angriff, der rasch abgefangen wurde. Die Auer leiteten rasant weiter, und plötzlich läuft ein Veilchen mit dem Ball am Fuß frei auf unseren Kasten zu. Hätte Flo Kastenmeier in dieser Sekunde nicht alles richtig gemacht, was ein Tormann in einer solchen Situation richtig machen kann, hätte es in der F95-Hütte geklingelt. Wer weiß wie sich die Begegnung dann entwickelt hätte. Womit wir auch schon bei der allfälligen Schmierölpsychologie rund um unseren Stammkeeper wären. Der, so die These, sei auf einmal so gut, weil Raphael Wolf sich fit zeige, was einen Leistungsdruck auf ihn ausübe. Mit Verlaub, das ist bescheuert, denn der umgedrehte Schuh sagt, dass Flo so gedacht hat: Pöh, wenn der Raffa schlapp ist, kann mir keiner, muss ich mich nicht anstrengen. Jau, genau so ticken Fußballprofis. Nein, liebe Leute, nicht mal unbewusst.

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Denn die konkrete Leistung eines Torhüters in einem Spiel leitet sich von ganz anderen Faktoren ab. In diesem Punkt unterscheiden sich die Bekloppten in der Hütte deutlich von den Feldspielern. Bei denen funktioniert das mit der Motivation durch Druck in aller Regel. Nehmen wir Kuba Piotrowski. Der ist momentan Trainingskaiser und will unbedingt spielen. Ihn in die Startelf zu beordern und durchspielen zu lassen darf man auch als Belohnung empfinden. Bei den Keepern läuft es eher andersherum: Wird eine nominelle Nummer Eins auf die Bank gesetzt, kann der Kollege das nur als Strafe empfinden – manche stachelt das an, andere deprimiert es. Auch deshalb gibt es Torwarttrainer, die idealerweise selbst mal im Kasten standen und den Burschen beistehen können.

Aue vs F95: Cello als Kapitän beim Auslosen (Screenshot Sky)

Übrigens: Der immer so grimmig guckende Flo rettete noch einmal in schwieriger Lage als er in der 54. Minute einen hochgefährlichen Kopfball eines Auers, der halbhoch neben dem Pfosten hätte reingehen können, mit einer Glanzparade entschärfte. Und dann war da noch der Kastenmeier-Moment (im positiven Sinne) Mitte der zweiten Halbzeit als er einen potenziellen Konter der Hausherren mit einem Kopfball ungefähr 30 Meter vor dem Tor klärte. Der Rest war saubere Arbeit plus einiger Versuche am Spielaufbau teilzunehmen.

Nicht nur diese Großchance ließ den Anhängern der glorreichen Diva das Blut in den Adern gefrieren, sondern auch, dass der Tabellenletzte höchst druckvoll aufspielte und dabei auf eine F95-Truppe traf, in der bis zur 20. Minute gar nichts zusammenpasste. Okay, diese Startelf hatte es zuvor noch nie gegeben, und die Buben taten sich schwer miteinander. Die Passquote bewegte sich im ersten Drittel des Spiels bei knapp über 70 Prozent, was man erbärmlich nennen kann. Dass die Laufwege so schnell nicht klappen konnten, nimmt dagegen wenig wunder. Allein die Abwehrzentrale stand sicher. Überhaupt war es eine der erfreulichsten Tatsachen des Spiels, dass Andre Hoffmann nicht nur von Beginn an dabei war, sondern auch bis zum Ende durchspielte.

Aue vs F95: Felix Klaus wird gefällt – Strafstoß (Screenshot Sky)

Für ein erstes Spiel nach so langer Abwesenheit war Andres Leistung grandios. Denn er leitete nicht nur die Viererkette und gab damit dem jungen Kollegen Chris Klarer viel Sicherheit, sondern beteiligte sich gern auch am Spielaufbau. Dabei befleißigte er sich auch noch als großer Kommentator. So wird er – möge er unverletzt bleiben! toi, toi, toi… – wohl Stammspieler, außerdem ist er deutlich auf dem Wege zum Leitwolf, der den Laden zusammenhalten und befeuern kann.

Ao Tanaka durfte also als Sechser spielen, so, so… Das hatte er sich gewünscht, und das sah stellenweise gut aus, manchmal aber auch merkwürdig. Bewundernswert seine Ballbehauptung und seine Fähigkeit zum One-Touch-Pass. Und einen Wumms hat er auch. Der kam in der 25. Minute nach einem ordentlichen Angriffszug zum Tragen als er das Ei zentral nach links versetzt ungefähr bei 18 Metern aufs Tor zirkelte und der Ball neben dem Pfosten einschlug. Allerdings stand Klarer nicht nur im Abseits, sondern versperrte dem Wismut-Tormann die Sicht; außerdem zuckte er mit dem Bein in der Absicht, die Pille durchzulassen. Aber: Dieses Abseitstor wirkte wie ein (ja, genau!) Weckruf.

Aue vs F95: Psychospielchen vor dem Elfer (Screenshot Sky)

Besonders über die rechte Seite entfaltete die glorreiche Fortuna nun mit den Hauptdarstellern Felix Klaus und Khaled Narey ordentlich Druck. Schon die Ecke, die Tanakas Nicht-Tor vorausging, war eine Klaus’sche Tat. Jetzt drehte er mit Speed in den Sechzehner. Sein Auer Gegenspieler stellte sich maximal ungeschickt an und holte den Felix von den Stollen, so gerade eben im Strafraum. Den Elfer musste der nicht immer ordentlich pfeifende Schiri Aarnink geben. Rouwen Hennings trat an, wollte den Torhüter ausgucken, der in seine rechte Ecke flog, während unser Schlitzohr den Ball in die Mitte mehr chippte als schoss. Beinahe wäre der Keeper noch mit dem grätschenden Bein an die Kugel gekommen. So aber: 1:0 für F95 in der 29. Minute.

Nun hatte sich auch das Sechser-Achter-Dreieck halbwegs eingerüttelt. Das setzte sich aus Cello Sobottka als defensivem und Ao Tanaka als offensivem Sechser sowie Kuba Piotrowski als Achter zusammen. Was genau Kuba konzeptionell im Sinn hatte beziehungsweise was ihm Preußer mit auf den Weg gegeben hatte, blieb durchgehend unklar. Nicht dass der blondierte Pole schlecht gespielt oder Fehler gemacht hätte – Ihr Ergebener fand einfach über 90 Minuten nicht heraus, was er vorhatte. Wirklich bemängelnswert die nicht so dolle Kooperation mit Rouwen Hennings, wo es doch zu den Aufgaben eines Achters zählt, die einzige Spitze durch Steilpässe einzusetzen.

Aue vs F95: Schlimmer Zusammenprall (Screenshot Sky)

Überhaupt war das fortunistische Offensivspiel wieder zu sehr auf den Knipser ausgerichtet. Hennings’ Kollegen traf man nur dann chancenhaft nach Standardsituationen im Sechzehner an. Und weil auf der linken Außenachse mit Florian Hartherz und Kris Peterson erschreckend wenig lief, mussten die Jungs auf rechts doppelte Arbeit leisten. Übrigens: Hartherz machte nur einen echten Fehler und stand defensiv ziemlich sicher, obwohl die Erzgebirgler auf seiner Seite mehr Alarm machten als gegenüber. Peterson mühte sich schrecklich, verdribbelte sich aber erneut häufig und blieb bei vielen Versuchen einfach hängen – unser Schwede ist aktuell nicht wirklich in Form.

Über die zweite Spielhälfte möchte Ihr ziemlich Ergebene eigentlich gar nichts berichten müssen. Es handelte sich um ein Geplänkel wie es zwischen zwei Mannschaften aus dem unteren Tabellendrittel immer wieder mal vorkommt: Die einen konnten nicht, die anderen wollten nicht so richtig. Ab Minute 60 hatte Preußer eh auf Konterfußball umgestellt, der aber auch wenig Zwingendes erzeugte. Am spannendsten waren da noch die Auswechslungen.

Dass Käpt’n Bodze in der 64. Minute den noch nicht auf der Höhe seiner Schaffenskraft segelnden Cello ablöste, war absehbar und sinnvoll. Dass Robert Bozenik, der frisch von Feyenoord ausgeliehene, erst 21-jährige Slowake zur selben Zeit für Hennings kam, ließ die Beobachter die Brillengläser putzen. Und Robo (wie ihn die Kollegen rufen) ordnete sich gleich in der Spitze ein, wo er hingehört. Okay, seine Mitspieler fanden ihn noch nicht wirklich, und wenn Kris Peterson ihn schon gekannt hätte, hätte er in der 66. Minute vielleicht nicht selbst geschossen, sondern auf den Neuling rechts abgelegt. Ohne dass man Bozenik nach diesen 26 Minuten beurteilen könnte, scheint es doch, dass er einen anderen Wind in die Sturmspitze bringen könnte.

Aue vs F95: Erleichterung nach dem Arbeitssieg (Screenshot Sky)

Wie gesagt: Peterson ist noch nicht wieder auf Niveau, seine Auswechslung in der 77. Minute folgerichtig, und Niklas Shipnoski konnte zeigen, dass er auch auf der rechten Seite seine Qualitäten hat. Dass Preußer in der 84. Minute Zimbo Zimmermann für Felix Klaus brachte, kann man natürlich wieder küchenpsychologisch als Aufmunterung verstehen, hat aber auch eine übergeordnete taktische Bedeutung. Wenn Narey als rechter AV begonnen hat und Zimmermann kommt, kann der gute Khaled den möglicherweise ausgelaugten rechten Außenstürmer ersetzen. Apropos: Für Ihren deutlich ergebenen Berichterstatter war dieser Khaled Narey eindeutig Spieler des Spiels und hat sich eine glatte Eins verdient. Der hatte ja nicht nur seine Abwehrseite zu 100 Prozent im Griff, der zelebrierte im Verbund mit Felix Klaus verstörende Angriffszüge. Und wenn er gerade mal nichts zu verteidigen gab und auf recht vorne nichts lief, spielte er halt im Mittelfeld Verteiler. Und das alles jederzeit mit vollem Einsatz und maximaler Übersicht – Chapeau, Khaled!

Der Verlierer der Partie hieß Dawid Kownacki, und als die Kamera nach der Einwechslung von Bozenik ihn im Wechselspielerbereich ein paar Mal einfing, konnte man ihm ansehen, dass er ernsthaft besorgt war. Aber: Vielleicht funktioniert das mit dem Druck durch Konkurrenz bei unserem Dawid ja auch noch. Denn der muss sich inzwischen wirklich Sorgen um seine Karriere machen; wenn er es bei der Fortuna nicht mehr bringt und ihm ein 21-Jähriger vorgezogen wird, kann er sich die Laufbahn langsam abschminken. Und das wäre so, so schade…

Aue vs F95: Große Freude vor allem bei Trainer Preußer (Screenshot Sky)

Rouwen Hennings hat es auf seine gewohnt schnoddrige Art perfekt zusammengefasst. Einen Schönheitspreis gab es mit diesem Auftritt nicht zu gewinnen, die Sache fällt in die Kategorie Arbeitssieg, wobei auch das Attribut “schmutzig” bei einem Erfolg dank eines Elfers angemessen wäre. Dem jungen Cheftrainer ballte es nach dem Abpfiff die Faust, und man konnte ihn deutlich “Yes, yes, yes!” rufen hören. So viel Emotion haben wir von Christian Preußer noch nicht gesehen. Verständlich: Ohne die drei Punkte aus dem Erzgebirge wäre die Gesamtsituation auch für ihn bedrohlich geworden. Ob er bis zum enorm wichtigen Heimspiel gegen den übermächtigen Jahn (Das wollte der Ergebener immer schon mal schreiben…) ein Team formen kann, dass keine 20 Minuten braucht, um in die Partie zu kommen, wird man als ersten Härtetest sehen können.

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