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Ingolstadt vs F95 1:2 – Die Trainerdiskussion ist eröffnet…

Analyse · Damit wir uns nicht missverstehen: Eine Trainerdiskussion ist nicht dasselbe wie „Trainer raus!“-Rufe. Es geht darum, in welchem Maße Cheftrainer Christian Preußer an der absurd schwachen Vorstellung in der ersten Halbzeit in Ingolstadt die Verantwortung trägt. Und natürlich, woran es gelegen hat. Natürlich kann man sich alles schönreden, aber wenn eine in jeder Hinsicht überlegene Mannschaft gegen ein total verunsichertes, mit sehr begrenzten Mitteln ausgestattetes Team keinen (NULL) Torschuss in 45 Minuten zustandebringt, dann kann das nicht nur an den Unzulänglichkeiten einzelner Spieler liegen, dann steckt der Fehler im System. Ihr Ergebener hat es ja noch nett ausgedrückt, denn nur eine Glanzparade von Florian Kastenmeier verhinderte einen Rückstand vor der Pause. [Lesezeit ca. 7 min]

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Während dieser unterirdischen Halbzeit dachte der Ergebene ein paar Mal: „Das ist keine Systematik, das ist eine Zwangsjacke“, also das, was Preußer den Burschen in den Wellenhemden verordnet hat. Offensiv gab es nur einen Spielzug, mal über rechts, mal über links: Außenverteidiger und Außenläufer gehen gestaffelt an der Linie hoch, der eine hinterläuft die gegnerische Abwehrlinie und kriegt vom anderen den Ball zur Flanke. Immer und immer wieder. So wird die statistische Wahrheit, F95 habe von allen Zweitligisten die meisten Flanken geschlagen, zu einem Armutszeugnis. Zumal, wenn Rouwen Hennings als einzige Spitze im gegnerischen Sechzehner rumturnt und die meisten Flanken für Kopfbälle gedacht sind.

Nun war ja quasi angekündigt, dass Shinta Appelkamp bei nur einer Spitze auf die Außenseite ausweichen sollte. Nur: Mit wem sollte er dort zusammenspielen? Wo doch Florian Hartherz nur mit Kris Peterson kooperieren mochte. So sah man den guten Shinta immer nur gemeinsam im Zweier-Pressing mit Hennings. Spielgestalterische Momente kann er von dieser Position aus in dieser Konstellation beim besten Willen nicht inszenieren. Wobei: Es dürfte nicht am guten Willen gelegen haben, dass er weitgehend unsichtbar blieb.

Ingolstadt vs F95: Der verwirrte Schiri und die Spieler im Tunnel (Screenshot Sky)

Gern würde ihr frustrierter Ergebener wissen, welche Anweisungen genau Chefcoach Preußer eigentlich Ao Tanaka mit auf den Weg gegeben hat. Hat er gesagt: „Ey, Ao, geh bloß nicht vor, wenn sich vor dir freie Räume ergeben.“ Der pilzköpfige Japaner ließ sich oft so weit zurückfallen, dass er zusammen mit Andre Hoffmann und Chris Klarer eine Dreierkette bildete. So ist der Mann mit der perfekten Ballbehauptung, aber leichten Passschwächen völlig verschwendet. Übrigens: Ein Zusammenspiel mit Appelkamp fand überhaupt nicht statt. Oder: Bisweilen waren Rechtecke zwischen der Mittellinie und einer gedachten Linie ca. zwanzig Meter vor dem Tor über eine Breite von mehr als 30 Metern frei, die KEINER der Rotweißen nutzte. Selbst Cello Sobottka legte in solchen Situationen lieber nach außen ab.

Das alles ist selbst für derart schwache Gegner wie Ingolstadt (und zuvor auch schon Aue und Sandhausen) dermaßen berechenbar. Und weil es außer Flanken keine Schüsse Richtung Ingo-Tor gab, war die Bilanz zur Pause erschreckend. Denn zu den wenigen Schüssen aufs Tor kam erneut eine Passquote von knapp über 75 Prozent und ein Manko bei der Zweikampfquote. Außerdem lag die Laufleistung trotz um die 55 Prozent Ballbesitz deutlich unter der des Gegners.

Ingolstadt vs F95: Die nicht ganz unerwartete Startaufstellung (Screenshot Sky)

Über Schiri Siewer wird später noch zu reden sein. Der fand gegen das insgesamt recht harte Spiel keine Linie, dachte wohl, er könne sich mit einer gelben Karte gegen Hartherz in der ersten Spielminute Respekt verschaffen, versäumte es dann aber eine halbe Stunde lang, die knüppelharten Schanzer mit demselben Mittel unter Kontrolle zu bekommen. Am Ende standen dann sieben gelbe und eine rote Karte zu Buche. Zum Glück hatte dieses verwirrte Kartenspiel keinen Einfluss aufs Spielgeschehen.

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Bevor wir uns der wilden zweiten Halbzeit widmen, müssen wir über den Fortunen des Spiels reden: Erneut war es Khaled Narey, der immer richtig stand und lief, der die Mitspieler sah und einsetzte, gegen den kein Ingo eine Schnitte kriegte und der beide Hütten für unsere Farben vorbereitete. Vergäbe Ihr Ergebener Schulnoten, bekäme der gute Khaled erneut eine 1. Die Aktion, die in der Nachspielzeit zum Elfer für die Gastgeber führte, kann man ihm nicht ankreiden, denn sein Abwehrversuch war nicht besonders riskant, und am Ende steht die Frage, ob es ohnehin nicht eher ein Stürmerfoul war.

Ingolstadt vs F95: Ecke für die Ingos (Screenshot Sky)

So richtig änderte sich am armen Fortuna-Kick auch nach der Pause nichts. Im Gegenteil: Nun wurde auch noch vermehrt hintenrum gespielt. Und dann der Aufreger: Hoffmann will einen Ball nach vorne dreschen und trifft Sobottka aus weniger als zehn Metern voll am Hinterkopf. Da der hinten keine Augen hat, konnte er den Schuss nicht antizipieren, hatte keine entsprechende Muskelspannung und ging zu Boden. Schnell waren die Mediziner auf dem Platz, und es sah so aus, als sei Cello benommen. Aber auf Nachfrage konnte er noch seinen Namen nennen und berichten, wo er sich gerade aufhalte. So konnte er schnell weitermachen. Irritierend, dass sich Hoffmann keine Sekunde bei seinem Kollegen entschuldigte oder überhaupt hinging, um zu sehen, was er da angerichtet hat. Der tat so, als ginge ihn das nichts an…

Ingolstadt vs F95: Cello nach dem Kopfschuss (Screenshot Sky)

Es plätscherte weiter. Bis Narey die Sache mal wieder in die Hand nahm. Dies in Gestalt eines Freistoßes von halbrechts aus ungefähr 30 Metern. Den legt er sauber in Richtung Elferpunkt. Kein Ingo achtet auch Hoffmann, der reinläuft und mit einem präzisen Kopfball versenkt. Die Fortuna führt mit 1:0, und wer den Torjubel von Christian Preußer gesehen hat, der ein Rumpelstilzchen mit Faust gab, kann sich vorstellen, dass dem angesichts der Vorstellung und der Torlosigkeit schon ein bisschen die Düse ging. Ob er den zunehmend frustrierten Klaus Allofs auf der Tribüne im Blick und ein bisschen Sorge um seinen Job hatte, ist Spekulatius.

Jedenfalls tauschte der Chefcoach kurz darauf gleich drei Mann aus. Kuba Piotrowski kam für den durchweg enttäuschenden Appelkamp. Zimbo Zimmermann ersetzte (nominell) Tanaka. Und der Jungknipser Robert Bozenik durfte anstelle vom ebenfalls und erneut enttäuschenden Peterson ran. Diese Wechselei löste natürlich ganz erheblich Änderungen in der „Systematik“ aus. Nicht nur, weil jetzt zwei Spitzen an Bord waren, sondern weil Narey nun eine Position weiter vorn spielte und der bis dahin fleißige, aber erfolgsarme Felix Klaus auf die linke Seite ging. Die wirklich sehr gute Nachricht ist, dass Kuba vom Auflaufen an genau das tat, was sich Tanaka – aus welchen Gründen auch immer – verkniffen hatte: Er ging in die freien Räume, die von den Ingos geboten wurden, gewann Zweikampf um Zweikampf und leitete Spielzüge jenseits der 08/15-Zwangsjacke ein. Für diese Leistung bekäme Kuba eine 2.

Ingolstadt vs F95: Das schicke 1:0 durch Hoffmann (Screenshot Sky)

Außerdem wertete dieser Auftritt auch noch Nareys Treiben auf, der nun die rechte Seite mit Zimmermann hinter sich beackerte. Dass Zimbo wohl im Training geglänzt hat in letzter Zeit, wurde deutlich. Der war bissig, schnell und kreativ wie einst im Mai. Und dass ausgerechnet er das 2:0 auf Vorlage von Narey mit einem strammen, präzisen Schuss ins lange Eck machte, lässt einen wieder an einen gerechten Fußballgott glauben. Von Bozenik war dagegen nicht besonders viel zu sehen, außer, dass er gern in Zweikämpfe ging und mit dem eroberten Ball deutlich mehr anfangen kann als der gute, alte Rouwen. Vermutlich ist es jetzt schon die bessere Variante mit ihm zu starten, wenn nur eine Spitze aufgeboten wird.

Also schien der Fisch in der 74. Minute geschuppt. Nichts, aber auch gar nichts deutete daraufhin, dass die Ingolstädter noch irgendetwas reißen könnten, egal, wenn sie noch einwechselten. Im Gegenteil: In den kommenden zehn Minuten lag mehrfach das 3:0 in der Luft – übrigens entstand keine dieser Chancen durch Flanken von außen, auch das gibt zu denken. Und dann kam er, der Kastenmeier-Moment, ja, vielleicht der kastenmeierigsten aller Kastenmeier-Momente. Es ist die 84. Minute. Die Fortuna hat eine Ecke getreten, die Schanzer wehren ab und spielen nach vorn. Herr Kastenmeier ist weit aus seinem Gehäuse heraus, wie er das gern tut, wenn seine Kollegen offensiv zugange sind. Er steht also ungefähr 25 Meter von seiner Kiste. Das Ei kommt in seine Richtung, er läuft ihm entgegen. Genau auf Flo Hartherz zu, der sich dort zum Zwecke der Abwehr des langen Balls aufhält.

Ingolstadt vs F95: Der Kastenmeier-Moment in der 84. Minute (Screenshot Sky)

Fast rennt Kastenmeier seinen Mitspieler um. Der Ball trudelt hüfthoch, und weil sich unser Tormann nicht zu helfen weiß, schlägt er die Pille mit der flachen rechten Hand nach vorne. Der Referee steht in der Nähe, pfeift ab und zeigt Herrn Kastenmeier die rote Karte. Hinterher entspinnt sich eine Regeldiskussion. Bis zur letzten Fifa-Regeländerung galt, dass der Torhüter IMMER mit einem Platzverweis zu strafen ist, wenn er den Ball außerhalb des Sechzehners mit der Hand spielt. Nun heißt es: „Für den Torhüter gelten beim Handspiel außerhalb des eigenen Strafraums die gleichen Regeln wie für alle übrigen Spieler.“ [Quelle: DFB] Das bedeutet: Rot muss der Schiri nur dann zeigen, wenn durch das Handspiel eine klare Torchance verhindert wurde. Tja, leider war das so; nicht, weil Kastenmeier letzter Mann war, sondern weil zwei Gegner in der Nähe standen und das Tor leer war.

Ingolstadt vs F95: Das Ende ohne Schrecken (Screenshot Sky)

Der Platzverweis geht also in Ordnung. Die Frage bleibt, was Kastenmeier dazu bewogen hat, nach dem Befreiungsschlag der Ingolstädter nicht wieder brav zurück in sein Revier zu traben, sondern sogar noch weiter nach vorne zu gehen. Kann es sein, dass die vom Boulevard angezettelte Torhüterdiskussion den guten Flo nun doch verunsichert hat? Darüber wird zu reden sein. Jedenfalls: Hennings verließ den Platz, Raffa Wolf ging zwischen die Pfosten. In der 88. Minute bewies Spielleiter Siewers erneut, dass er nicht Herr der Lage war. Ein Schanzer säbelt Zimmermann mit brutalster Härte weg. Der zieht sich dabei eine böse Fleischwunde am Fuß zu. Wenn ein solches Foul nicht zum Rausschmiss führt, was dann? Aber, nein, der Killer kriegt nur Gelb. Paar Minuten später kommt dann Niklas Shipnoski für Zimbo.

Immer noch sieht es nicht unbedingt nach einem Ingo-Tor aus. Deren Anrennen wirkt nicht wirklich gefährlich. Dann ein abprallender Ball im Sechzehner. Narey hinter dem Gegner, der das Ei kriegen will. Khaled geht von hinten nach der Pille, der Gegner fällt halb auf ihn. Der merkwürdige Schiri entscheidet auf Strafstoß. Ihr Ergebener hat da eher ein Stürmerfoul gesehen. Offensichtlich war die Entscheidung nicht völlig falsch, den die Kölner Grotte blieb stumm. Der verwandelte Elfer führt zum 1:2 in der 93. Minute. Nominell sind noch zwei Minuten zu spielen, es werden drei darauf, aber den Hausherren gelingt kein weiterer Torschuss und schon gar keine Bude.

Übergeordnet sieht es so aus, dass F95 nun 11 Punkte hat und auf Platz 10 steht. 9 Punkte resultieren aus Auswärtssiegen bei den mit Abstand schwächsten Teams der Liga, zwei weitere Pünktchen aus den beiden Unentschieden in den Heimspielen gegen Kiel und Regensburg. Das liest sich nicht gut. Das gibt wenig Anlass zu Optimismus. Besonders, wenn sich an der systematischen Verkrampftheit nicht schnell etwas ändert. Da spielt die hochgespielte Torwartfrage nur eine Nebenrolle. Das Heimspiel gegen Paderborn wird der echte erste Prüfstein für Trainer Preußer und seinen konzeptionellen Ansatz. Sollte es ein glanzvoller Auftritt werden, kann er die Herzen der Fans gewinnen, wird es eine Quälerei samt Remis oder Niederlage, wackelt sein Stuhl ganz erheblich.

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