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F95 vs Paderborn 2:3 – Schönes Spiel mit schlimmen Fehlern

Analyse · Ja, doch, es war ein gutes, aufregendes Spiel, an dem Paderborner und neutrale Zuschauer:innen ihre Freude hatten. Und eigentlich war alles für einen ersten Heimsieg der glorreichen Fortuna angerichtet. Die Arena war mit knapp 20.000 Anwesenden gut gefüllt, die Süd war besonders voll, DJ Opa legte ein bunt gemischtes Programm auf, und gerade die Menschen auf den Stehplätzen waren so froh, dass sie wieder mit Gleichgesinnten zusammenstehen konnten. Es hätte alles so schön werden können, wären da nicht diese schlimmen Fehler gewesen. Übrigens was die Tore angeht auf beiden Seiten. Blöd nur, dass die Männer in Rot einen solch tödlichen Fehler mehr machten. [Lesezeit ca. 8 min]

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F95 vs SCP: Das Publikum in froher Erwartung (Foto: TD)

Nun ist Fußball, das hat Ihr unwahrscheinlich ergebener Berichterstatter ja schon tausend Mal geschrieben, ein Fehlervermeidungssport. Fehler führen immer zu Misserfolgen. Letztlich beruht die Philosophie von der Null, die stehen muss, auf dieser Erkenntnis. Problem dabei: Fußballer sind Menschen, Menschen machen Fehler. Es geht darum a) die Menge an Fehlern zu minimieren und b) die tödliche Wirkung von Fehlern zu reduzieren. Die Voraussetzungen dafür schaffen die Trainer. Einerseits durch das Training selbst und andererseits durch die Auswahl von taktischer Grundordnung und Startaufstellung. Wenn ein Spiel durch Fehler verloren wird, stellt sich immer auch die Trainerfrage.

F95 vs SCP: DJ Opa und sein buntes Musikprogramm (Foto: TD)

Das erste Tor für den SCP in der 8. Minute war die Folge mehrerer Fehler verschiedener Kicker im Stellungsspiel sowie eines kapitalen Bocks in der Verteidigungsarbeit unseres Jung-IV Chris Klarer. Manche Beobachter meinen eine versuchte Abseitsfalle gesehen zu haben, Ihr Ergebener glaubt das nicht, sondern ist der Ansicht, dass in dieser Situation jedes Mitglied der Viererkette und auch Cello Sobottka völlig falsch gestanden, den Spielzug nicht antizipiert und dementsprechend unangemessen reagiert haben. Klarer erkennt zu spät, was der Paderborner genau vorhat, startet zu spät und steht dann auf der falschen Seite relativ zum Angreifer. Die Bude geht zu, sammerma, 60 Prozent auf seine Kappe.

F95 vs SCP: Gorka im Tor – aber nur beim Warmmachen (Foto: TD)

Aber schon bei dieser Sache konnte man sehen, was diese Buben aus der Paderborner Möbelhalle auszeichnet (siehe Vorbericht): Sie haben nichts anderes im Kopf als schnellstmöglich aufs gegnerische Tor zu schießen. Da wird nicht lange mit elaborierten Spielzügen hantiert, da geht es zackzack; entweder weit und hoch und steil und megaschnell über außen. Das ist schwer zu verteidigen. Besonders, wenn man bei Ballverlust zu spät reagiert. Die SCPler sind enorm torhungrig und brachten es gestern auf sage-und-schreibe 21 Torschüsse, also echte Schüsse aufs Tor.

Die gute Nachricht: Auch die glorreiche Fortuna erzeugte 21 Torschüsse, wobei die Roten nach dem Führungstreffer gut 25 Minuten lang die meisten davon produzierte und das Ei dabei einfach nicht reinbrachte. Überhaupt: Schon in den ersten 45 Minuten sah das Offensivspiel der von Trainer Christian Preußer instruierten Kerle immer wieder mal sehr gut aus. Vor allem viel variabler als in den Partien zuvor. Auch Fernschüsse waren im Repertoire. Wobei wieder Khaled Narey auf der rechten Seite Antreiber Nummer 1 war. Aber, um welchen Preis? Schließlich hatte Preußer dann doch wieder auf die Viererkette gesetzt und den guten Khaled als rechten AV nominiert.

F95 vs SCP: Alles offen beim Einlauf der Mannschaften (Foto: TD)

Nur war er auf dieser Position selten zu finden, und es gab gestrichlistet zehn Situationen, in denen er mit maximalem Tempo aus einer Offensivaktion nach hinten sprinten musste, um zumindest alibimäßig seinen eigentlichen Job zu tun. Das kann auf Dauer nicht gutgehen. Wenn Preußer auf Narey setzt (der inzwischen die meisten Torvorbereitungen auf dem Konto hat), dann nicht als Außenverteidiger, sondern entweder als offensiven Mittelläufer oder als echten Außenstürmer. Auf Dauer überfordert sich Khaled selbst beim Versuch überall seine Qualität ins Spiel zu bringen. Wieder bereitete er beide Hütten für F95 vor.

Die Flanke zum 1:0 war aus purem Zucker: genau im richtigen Bogen, exakt in der richtigen Geschwindigkeit und präzise auf den richtigen Punkt. Und da stand Rouwen Hennings, ziemlich ungedeckt, und kann einnicken. Weil es in diesem Bericht um Fehler geht: In diesem Fall waren es drei Paderborner, die sich Fehler leisteten. Zwei Mann lösen sich von Hennings, sodass der frei ist. Und der Keeper klebt an der Linie, anstatt auf den potenziellen Schützen zuzugehen. So wird es einfach Buden zu machen. Zurück zu Narey. Der hatte in dieser Situation eigentlich weder den Raum, noch die Zeit eine Flanke zu zelebrieren, weil er ziemlich bedrängt auf den Sechzehner ging – aus dieser Lage eine solche Flanke zu zaubern bringt eine glatte 1 … mit Sternchen.

F95 vs SCP: Der Jubel nach dem schönen 1:1 (Foto: TD)

Als die Startaufstellung bekannt wurde, ging ein leichtes Stöhnen durch die Reihen: wieder Viererkette, wieder mit Hartherz und Narey als AV, wieder mit Hennings statt Bozenik als Spitze, wieder mit Sobottka und Tanaka als Sechser, wieder ohne Appelkamp. Immerhin wurde Kuba Piotrowski für seine grandiose Leistung in Ingolstadt belohnt und gab den… ja, was eigentlich? Von der Staffelung her sah es so aus, dass Cello immer am weitesten zurückgezogen antrat, Ao davor und ständig in horizontaler Bewegung Kuba davor. Beim Pressing stand Kuba dann auf einer Höhe mit Rouwen. Offensiv ergab das schon eine schöne Konstruktion, die aber ohne einen offensiven Narey nicht funktioniert hätte. Und dass, obwohl die Achse Hartherz-Peterson dieses Mal wieder etwas besser funktionierte.

In der 58. hatte Hennings einen Elfmeter zum 2:1 mit minimalem Humor versenkt. Der Strafstoß war das Ergebnis offener Blödheit eines SCP-Mannes, der sich im Sechzehner beim Versuch, Narey zu stoppen, maximal ungeschickt anstellte. Sagen wir so: Es wird auch Schiris geben, die diesen Elfer nicht pfeifen, eine klare Fehlentscheidung war es nicht, die Kölner Grotte blieb stumm. Wir konstatieren: Auch dieses Tor war das Ergebnis eines (individuellen) Fehlers.

Eigentlich (wie Ihr Ergebener dieses Wort hasst!) hätte das Trainergespann nun auf Stabilität setzen müssen. Eigentlich wäre nun der Zeitpunkt gewesen, die Defensivsschwächen durch Wechsel zu dämpfen. Eigentlich hätte Preußer nun zum Beispiel Chris Klarer vom Rasen holen und durch Dragos Nedelcu oder Adam Bodzek ersetzen müssen. Eigentlich hätte er auch Felix Klaus erlösen müssen, der bis dahin gar nichts auf die Kette bekommen hatte. Stattdessen brachte er in der 60. Minute Robert Bozenik als zweite Spitze und nahm ausgerechnet Kuba runter. Das Hauptproblem, das sich Cheftrainer Preußer gerade selbst bastelt, heißt Shinta Appelkamp. Der kam nun auch anstelle von Ao Tanaka. Nur wird der den guten Shinta auf Dauer sauerfahren, wenn er ihm so wenig Spielminuten gibt. Und wertvoll genug, dass der Verein Appelkamp sinnvollerweise verkaufen kann, wird Shinta auch nicht, wenn er dauernd die Bank drückt.

F95 vs SCP: Der Jubel nach Hennings‘ versenktem Elfer (Foto: TD)

Offensiv veränderte das die Energie Richtung Paderborner Tor. Defensiv aber brachen jetzt die Probleme, die sich über eine Stunde abgezeichnet hatten, auf. Klaus leistet sich in der 61. Minute einen katastrophalen Ballverlust, der den dynamischen Paderbornern in die Karten spielt. Über zwei Stationen landet die Pille bei deren Tagesknipser, der genau in die (viel zu große Schnittstelle) zwischen Klarer und Hoffmann läuft und satt vollstreckt. Der auslösende Fehler gehört Felix Klaus, aber auch die Innenverteidiger bekommen je 20 Prozent davon ab. Noch einmal: Die Schwächen von Klaus und Klarer hatten sich abgezeichnet, sie weiterwurschteln zu lassen, hatte dann den Ausgleich als Konsequenz.

Um es ganz klar zu sagen: Eine Doppelspitze mit Hennings und Bozenik funktioniert gar nicht, obwohl es sich um zwei völlig gegensätzliche Spielertypen handelt. Entweder sie stehen sich im Weg oder einer weicht auf einen Flügel aus. Und weil die anderen Offensiven so sehr auf Hennings gepolt sind, übersehen sie den Robo mit Methode. Der regte sich dann später auch ein paar Mal auf und zeigte seinen Kollegen, welchen Laufweg er genommen hätte, wäre er Zielspieler gewesen. Das zweite Problem, das sich Christian Preußer gerade selbst bastelt, heißt Bozenik. Denn wenn der ausreichend frustriert wird, ist der schneller wieder weg als er gekommen ist.

F95 vs SCP: Der SCP – immer gefährlich (Foto: TD)

Wobei das eigentliche Problem Rouwen Hennings ist. Wenn der gute Rouwen versucht sich ins Spiel einzumischen, kommt teilweise Slapstick dabei heraus, besonders, wenn er versucht, einen Gegner zu umspielen, und seine Passquote liegt bei gefühlten 15 Prozent. Aber, er ist eben einer, der die Tore macht. Nicht mehr so viele und so schöne wie früher, aber immer noch mehr als die anderen Fortunen. Ihn gar nicht aufzustellen, würde einen Proteststurm aus Fankreisen auslösen, ihn als Joker zu nutzen, wäre vielleicht die beste Lösung für alle Beteiligten. Ohnehin ist es gefährlich, auf den einen Knipser zu setzen, das stellen ja aktuell einige Konkurrenten fest. Besser ist es, wenn neben den bewährten Torschützen andere Kicker zeigen können, dass sie die Pille ins Netz kriegen.

So wie Shinta Appelkamp in der 63. Minute, der ja eh kein Problem hat, zentral in den Sechzehner zu gehen, also dahin, wo sich Knipser aufhalten. Verrückt genug ist es Rouwen, der eine feine Flanke von Links in den Strafraum bringt. Shinta nimmt das Ding volley mit links, trifft nicht ganz hundertprozentig, was aber zu einer fiesen Flugkurve führt, die dem SCP-Tormann keine Chance gegeben hätte. Nun leider, leider, leider trifft das Ei die Unterkante der Latte und prallt zurück ins Feld. Ihr Ergebener ist sich sicher: Das wäre der Siegtreffer gewesen, ein schöner dazu.

F95 vs SCP: Hennings versucht die Kollegen zu ordnen (Foto: TD)

Vom Ausgleich an zählte der Ergebene – wie bereits erwähnt – zwölf Torschüsse der Roten, vier bis fünf davon würde er als Chancen bezeichnen. Wobei diese Gelegenheiten alle mehr oder weniger unterschiedlich entstanden und unterschiedlich ausgewertet wurden. Also vom Fernschuss über die klassische Flanke bis hin zu Grundlinienläufen bis fast an den Pfosten. Das volle Programm, also. Und das ist die eigentlich erfreulichste Nachricht des Tages, dass die Fortuna der Saison 2021/22 sowas kann … wenn die richtigen Leute an den richtigen Positionen aufgestellt werden und wenn die, die schwächeln, rechtzeitig ausgewechselt werden. Denn: Spiele gewinnt man nicht durch Chancen, aber man verliert sie durch Fehler.

Und den tödlichsten davon produzierte leider erneut Felix Klaus in Form eines katastrophalen Fehlpasses im rechten Quadranten ungefähr 30 Meter vom Tor entfernt, also genau da, wo solche Fehlpässe bei schneller Reaktion des Gegners zu kaum noch zu verteidigenden Situationen führen. Das war in der 83. Minute in einer Phase, in der sich die Chancen für die Fortuna häuften. Okay, die Umschaltaktionen der Paderborner waren auch ausgesprochen gefährlich, konnten aber weitestgehend entschärft werden – auch, weil sich Chris Klarer ein bisschen gefangen hatte. Nach diesem vermeidbaren Führungstreffer waren die Männer mit dem F95 auf der Brust dem Ausgleich bis in die Nachspielzeit näher als die Gäste einem weiteren Tor.

F95 vs SCP: Enttäuschung auch bei der Mannschaft (Foto: TD)

Zurück zu Preußer: Erst in der 86. Minute erlöste er Klaus und brachte Nedelcu. Gute Trainer machen so etwas nicht, einen Spieler nach seinem schwersten Fehler auswechseln, weil sich das für die immer wie eine Strafe anfühlt. Es liegt in der Verantwortung eines Coaches, einen Kicker, der von der Rolle ist, rechtezeitig runterzuholen, um ihn so vor sich selbst zu schützen. Und weil wir bei den Fehlern als Leitthema sind: Dies war der schwerste Fehler von Christian Preußer. Was genau der Wechsel von Tyger Lobinger für Cello sollte, wird sich wohl auch nicht mehr klären lassen. Einfach, um noch einen Stürmer mehr auf der Wiese zu haben? Wo sich die anderen doch schon auf den Füßen standen, keine gute Idee.

Das dicke Kompliment gehört den Gästen aus dem unschönen Ostwestfalen, die mit einer Dynamik antreten, gegen die kaum anzukommen ist. Die werden auf diese Weise noch weit kommen, weiter jedenfalls als man es ihnen vor Saisonbeginn zugetraut hat, und vielleicht auch weiter als die designierten Wiederaufsteiger. Nur: Ohne drei haarsträubende Fehler der Schützlinge von Preußer wäre es den SCPlern nicht leichtgefallen, die Punkte mitzunehmen. Gut, dass vor dem Auswärtsspiel beim HSV die Länderspielpause angesagt ist, wobei die Abstellungen von F95-Kickern zu den verschiedenen Nationalteams inzwischen bisschen wehtun. Die Trainerdiskussion ist nun nicht mehr nur hier auf The Düsseldorfer eröffnet, sondern auch andernorts und im Kreise der fürs Sportliche verantwortlichen Herren im Verein.

F95 vs SCP: Raffa Wolf redet Klartext im TV (Foto: TD)

Wollte man dem strunznetten und sicher auch kompetenten Christian Preußer etwas raten, dann zu mehr Mut, dazu sich zu trauen, noch einmal radikale Änderungen vorzunehmen, auch wenn schon ein knappes Drittel der Saison vorbei ist. Einfach so mit Viererkette, Narey als Verteidiger und ohne Appelkamp weiterzumachen, würde Fortuna Düsseldorf in der Tabelle auf lange Sicht im unteren Tabellendrittel festnageln. Und das kann ja nun wirklich niemand wollen.

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