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HSV vs F95 1:1 – Unentschieden erspielt, nicht erkämpft

Analyse · Ja, liebe Ahnungslose, hackt ruhig weiter auf Uwe Klein ein, wenn’s euch denn Spaß macht. Aber ein Sportvorstand, der einen Khaled Narey und einen Robert Boženík geholt hat, kann so schlecht nicht sein. Der gute Khaled war erneut Mann des Spiels und hätte sich ein Sternchen zur glatten Note 1 verdient, hätte er in der 60. Minute den Ball rechts am HSV-Torwart vorbeigelegt und dann eingenetzt. Es wäre der frühe Ausgleich mit einem Mann weniger gewesen. Und dass der HSV, der auch in der Saison 2021/22 keine Zweitligaspitzenmannschaft darstellt, sich dann auch noch einen weiteren gefangen hätte, hätte im Bereich des Möglichen gelegen. [Lesezeit ca. 7 min]

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HSV vs F95: Eddie Prib, der Sünder (Screenshot Sky)

Hört sich jetzt brutal an, ist aber so: Den überaus sympathischen Eddie Prib als zentralen Mittelfeldmann, ja, quasi als Achter aufzustellen, war ein Preußer’scher Griff ins Klo. Weshalb er ihn anstelle von Kuba Piotrowski gebracht hat, der ja in aufsteigender Form ist und genau auf dieser Position aufblüht, wird wohl sein Geheimnis bleiben. Denn solche spitzen Personalfragen von Journalisten beantwortet unser Cheftrainer entweder gar nicht, mit Material aus der Floskelkiste oder in Form allgemeiner Aussagen. Es war ja nicht nur dieses völlig sinnlose, bescheuerte und blöde Foul in der 25. Minute, sondern schon sein misslungener Torschuss in der 7. und der völlige Mangel als Spielgestaltung. Über die gesamte Zeit gerechnet, die Herr Prib nun schon sein Gehalt von Fortuna Düsseldorf bezieht, ist dieser Mann eine Enttäuschung. Man sollte seine Personalakte einfach schließen.

HSV vs F95: Flo Kastenmeier, unsere Nummer 1 (Screenshot Sky)

Ansonsten entsprach die Startaufstellung ja den Erwartungen, leider aber nicht den Hoffnungen Ihres ergebenen F95-Liebhabers. Denn der hatte sich – siehe oben – Kuba als Achter und Robert Boženík als Spitze gewünscht. Immerhin – aber, gut, das liegt auf der Hand – hat Preußer Khaled Narey nach vorne beordert und Zimbo Zimmermann als seinen stützenden AV nominiert. Das ist eine ziemlich perfekte Lösung für die rechte Seite. Wobei: Khaled war überall, ja, er war es auch, der die zwischenzeitliche Rochade mit Kris Peterson vorschlug, die zwar weniger Verwirrung bei den Rauten auslöste als gewünscht, aber Zukunftsmöglichkeiten aufzeigte. Das Wunderbare an diesem Burschen aus Neuwied, der bei Bayer ausgebildet wurde, ist, dass er endlich angekommen ist nach denn teilweise bösartigen Erfahrungen, die er bei anderen Vereinen (Dortmund, Paderborn, Fürth, HSV) machen musste.

Weil sich Andre Hoffmann als Impfverweigerer den Covid eingefangen hatte und in Quarantäne musste, stellte Preußer wie erwartet Dragos Nedelcu neben Chris Klarer in die Innenverteidigung. Okay, der gute Dragos hatte das zu Zeiten von Hoffmanns Verletzung ganz ordentlich gemacht, gestern aber verdiente er sich eine deutliche Note 5. Und nicht nur, weil das Tor für die Rothosen zu 80 bis 90 Prozent auf seine Kappe ging, sondern weil er die deutlich sichtbare Schwachstelle der Viererkette bildete. Und wäre der HSV auf der linken Offensivseite nicht so schwach aufgetreten, wer weiß… Es ist ja nicht nur nicht Nedelcus Lieblingsposition, ihm fehlen auch die speziellen Fähigkeiten, die einen modernen Innenverteidiger ausmachen. Das kann er bei schwächeren Gegnern durch seine absolut vorhandenen fußballerischen Qualitäten ausgleichen, aber, wenn es hart auf hart kommt, wird er zum Unsicherheitsfaktor.

HSV vs F95: Christian Preußer erläutert seine Startaufstellung (Screenshot Sky)

Okay, Käpt’n Bodze hasst es, als IV aushelfen zu müssen. Aber möglicherweise wäre er da die sicherere Lösung. Nur hätte er gestern an der Stelle gefehlt, die er schon immer am besten ausfüllt: als defensiver Sechser, der sein Amt wie eine Art Libero vor der Viererkette interpretiert. Und gerade nach dem Prib’schen Platzverweis füllte er diese Position nicht nur prima aus, sondern organisierte nebenbei die Mechanik der beiden Viererketten, die im notwendig gewordenen 4-4-1 so hervorragend funktionierte. Ja, was diese Mannschaft in Unterzahl auf die Wiese brachte, war nahe an der Perfektion. Wie gesagt: Nur Rouwen Hennings fuhrwerkte noch an vorderster Front; dahinter zwei Viererketten, die sich ständig vertikal gegeneinander verschoben und so die Räume dichtmachten. Den Hanseaten blieb wenig mehr als über die Flügel zu kommen. Aber das reduzierte die Zahl der Chancen deutlich.

HSV vs F95: CDas bescheuerte Brutalofoul des Eddie Prib (Screenshot Sky)

Bis zur 19. Minute sah die Fortuna als das eindeutig dynamischere Team aus. Bis dahin waren auch alle statistischen Werte ausgeglichen. Und bei einigen Angrifsszügen – natürlich besonders über Narey – konnte man die sich im Tabellenstand widerspiegelnde Defensivschwäche des HSV erkennen. Auffällig in dieser Phase, dass die Rotweißen in den schwarzen Trikots nun endlich den Strafraum mit mehr als einem Hennings befüllen. Man kann auch sagen: Die Fortuna war bis zum 1:0 durch die Gastgeber leicht überlegen. Das Tor fiel aus einer nicht besonders gefährlich wirkenden Situation. Zimbo ließ eine halbhohe Flanke auf den Elferpunkt zu, Nedelcu ist für den späteren Torschützen zuständig, steht falsch und verschätzt sich beim Abwehrversuch. Der HSVler nimmt den Ball fast ungestört an, vollführt eine feine Körperwende und haut das Ding rein. Für Flo Kastenmeier gab es da wenig zu halten.

HSV vs F95: Kastenmeier räumt Zimmermann ab (Screenshot Sky)

Apropos: Ihr durchaus Ergebener begrüßt die Entscheidung, Kastenmeier weiterhin als Nummer 1 zu führen, ausdrücklich. Gestern zeigte Flo sich sicher, spielte wieder gut mit und leitete die Verteidiger vor sich an – okay, meist schrie er sie an, wenn sie in Schwierigkeiten gebracht hatten. Aber so ist er nun mal, das ist das Oliver-Kahn-Gen in ihm. Es gab gestern natürlich auch einen Kastenmeier-Moment, aber nur einen kleinen als er einen Ball einmal nicht wegfaustete, wie sich das gehört, sondern mit der Hand nach vorne schlug. Das war’s dann aber auch schon. Dass er in der 36. Minute seinen Kollegen Zimmermann beim Rauslaufen umnietete, hätte vielleicht nicht sein müssen, aber so ist er nun mal.

Die Expertenrunde in der Retematäng war sich einig: Nach der roten Karte für Prib hätte Preußer sofort Rouwen Hennings auswechseln müssen. Dessen spezifische Spielweise ist in Unterzahl einfach nicht gefragt. Denn wenn das Ziel der Mannschaft mit einem Mann weniger auf dem Platz nicht nur ist, nicht noch mehr einzufangen, muss auf Konter gesetzt werden. Da hätte man gern einen schnelleren Mann vorn. Der saß auf der Bank und hieß Robert Boženík. Der Junge ist so heiß, der glüht regelrecht, der will immer nur spielen, der will immer nur Tore machen, der ist schnell und wach – und wenn Sie den sauer fahren, Herr Preußer, dann wird der Ergebener nicht mehr ihr Freund sein. Es dauerte bis zur 70. Minute bis der Cheftrainer endlich die längst fälligen Wechsel vornahm.

HSV vs F95: Das 1:0 für den HSV geht auf Nedelcus Kappe (Screenshot Sky)

Ihr Ergebener will da nichts hineininterpretieren, aber das Geschehen an der Seitenlinie in diesem Zusammenhang sah so aus, als habe sich Tom Kleine ordentlich eingemischt. Wie der Co-Trainer mit dem Knowhow eines Cheftrainers an diesem Samstag im Hamburg ohnehin mehr Körper- und Stimmeinsatz zeigte als gewöhnlich. In der 74. Minute zog er sich eine gelbe Karte… Thomas Kleine, gelbe Karte, man fasst es nicht! Wie das Binnenverhältnis zwischen den beiden Coaches genau ist, ist schwer einzuschätzen, aber sicher wäre Christian Preußer gut beraten, Kleine stark einzubinden – ein Friedhelm Funkel (der übrigens im Stadion war) hat damit gute Erfahrungen gemacht.

HSV vs F95: Der entscheidende Dreifachwechsel in der 70. (Screenshot Sky)

Auch wenn einige Kolleg:innen nach der Partie von einer kämpferischen Leistung der Fortuna schwärmen und der altehrwürdige Kicker davon spricht, dass F95 dem HSV einen Punkt „abgerungen“ hat: Nein, euer Ehren, die Männer in Bläck haben den einen Punkt ERSPIELT, nicht erkämpft. War auch gar nicht nötig, denn so richtig wussten die Nordrauten nichts mit der Überzahl anzufangen. Sie spielten die Offensive ausgesprochen schematisch und kamen auf gerade mal 21 Torschüsse (davon sieben wirklich auf den Kasten), was für eine eigentlich offensiv ausgerichtete Mannschaft in Überzahl nicht viel ist. Die sieben Torschüsse der Düsseldorfer fanden übrigens vor der 25. und nach der 55. Minute statt… Ansonsten sollte man die Statistik nicht allzu ernstnehmen, ein Platzverweise verfälscht alle Werte.

Nach viel geduldigem Verteidigen kam er in der 60. Minute endlich, der Umschaltmoment. Über wen? Natürlich über den flotten Khaled. Der erobert gut 20 Meter vor der Mittellinie das Ei und geht allein. Eine Rothose und den Keeper hat er noch vor sich. Links läuft Rouwen mit, und der Verteidiger konzentriert sich mehr auf den Mann ohne Ball als auf Narey. Der Tormann kommt raus. Man sieht, dass Khaled mehr Augen für Rouwen hat als für den Torhüter und das Tor. Also legt er nach links rüber. Weil olle Rouwen aber nicht schnell genug ist, deckt ihn der Verteidiger ab und befördert den Querpass ins Aus. Es wäre so einfach gewesen. Den Torwart ausgucken, die Pille mit dem Außenrist rechts vorbeilegen und dann lässig in die Maschen schieben. Khaled Narey hat eine falsche Entscheidung getroffen. Aber ein schnellerer Stürmer als Hennings hätte den Verteidiger (der ja zwei Gegner im Auge zu halten hatte) überlaufen und die Bude gemacht. Da ist sich der Ergebene ganz sicher.

HSV vs F95: Der wunderbare Ausgleich durch Klaus und Bodzenik (Screenshot Sky)

Es sei dem wie dem sei, denn der real stattgefunden habende Ausgleich war von einiger Schönheit. War es gar ein Doppelpass? Oder spielt Ao Tanaka, einer der drei soeben Eingewechselten, die Kugel einfach nur präzise rüber auf Narey? Der jedenfalls geht tief bis zur Grundlinie und legt die Pille quer an den ersten Pfosten, wo sich Felix Klaus aufhält. Mittig läuft Boženík rein. Und, ja, jetzt, genau, legt Klaus das Ei mit der Hacke nach innen. Mehrere Füße und Beine vor der Torlinie, aber der Robert, der Boženík, der findet das Loch und versenkt das Ding. Ausgleich! Hochverdient! Und danach war die glorreiche Fortuna, diese strahlende Diva, dem Sieg deutlich näher als die Hausherren, deren Anhänger sichtbar unzufrieden aussahen. Zwar versuchte der HSV noch ein bisschen was, aber in der 85. Minute hätte Khaled zum Superhelden werden können mit seinem Schuss aus spitzem Winkel, der dem Hanseaten-Keeper alles abverlangte.

Müssen wir ein Fazit ziehen? Eigentlich nicht, es ist ja im Prinzip alles gesagt. Der Gesamteindruck ist positiv, getrübt nur durch die Blödheit des Rausgeschmissenen. Allerdings muss die Trainerdiskussion (Nein, nein und nochmal nein: Damit ist nicht die Frage gemeint, ob Preußer geschasst werden soll!) weiter geführt werden. Neben der Causa Appelkamp bildet sich ein ähnlicher Fall rund um Robert Boženík heraus. Diese beiden Supertalente müssen spielen, spielen, spielen – bei Chris Klarer funktioniert es doch auch, dass er für ein schwaches Spiel nicht gleich bestraft wird. So leid es einem tut: Eddie Prib hat null Zukunft bei der Fortuna. Erfreulich, dass gestern mit David Savic ein hausgemachtes Talent auf der Bank saß, der sonst in der U17 Dienst tut. Dass Tim Oberdorf dort inzwischen fast einen Stammplatz hat, ist ebenfalls ein gutes Zeichen.

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