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Rostock vs F95 2:1 – Ein Schritt vor, zwei zurück

Analyse · Jede Menge Detaildiskussionen sind spätestens mit diesem Desaster in Rostock obsolet geworden. Also, ob zum Beispiel Ao Tanaka und Shinta Appelkamp von Trainer Preußer zu selten eingesetzt wurden. Oder ob er es mal mit einer Dreierkette hätte versuchen sollen. Wenn das Team nicht einmal mit dem inzwischen hinlänglich eingeübten 4-2-3-1 einen potenziellen Abstiegskandidaten in den Griff kriegt, dann brennt nicht der Baum, sondern der ganze Wald. Was bedeutet, dass die Vereinsverantwortlichen sich spätestens morgen mal ernsthafte Gedanken darüber machen sollten, wie es für die Fortuna in dieser und den folgenden Saisons weitergeht. Der mit der Verpflichtung des jungen Trainers und dem (vielleicht zu vorsichtigen) Auf- und Einbau junger Spieler eingestielte Langzeitplan scheint schon jetzt gescheitert. [Lesezeit ca. 5 min]

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Denn nicht nur das Ausscheiden im Pokal kostet den Verein einen Haufen Geld, der eigentlich in die Zukunft investiert werden sollte, die anhaltende Minderleistung der Mannschaft schlägt sich auch auf mögliche, im Fall von (unter anderem) Shinta Appelkamp sogar fest eingeplante Transfererlöse nieder. Wenn die erste Mannschaft der glorreichen Fortuna in dieser Saison nicht mehr die Kurve kriegt, droht ein langes Dümpeln im unteren Drittel der zweiten Liga, Abstiege in die dritte Etage inklusive. Wohlgemerkt: Es geht hier und jetzt nicht bloß um die Frage, ob man Preußer schassen oder diesen oder jenen Spieler aus dem Kader nehmen sollte – es geht um die Zukunft.

Motivationskreis, folgenlos (Screenshot Sky)

Dies geschrieben habend möchte der ernüchterte Ergebene auf einen Spielfilm der Partie im Ostseestadion verzichten. Es gab ja insgesamt nur eine Handvoll Schlüsselszenen. Zum Beispiel die Paraden von Flo Kastenmeier in der ersten Viertelstunde; ohne die hätte sich F95 vom Aufsteiger auch eine ernste Klatsche holen können. Und dann war da das 1:0 für Hansa – erneut nach einer slapstickartigen Reihe simpelster Verteidigerfehler. Immerhin ein schöner Schuss, an dem Kastenmeier nichts zu halten hatte. Nehmen wir die 57. Minute. Der ALLERERSTE Steilpass der Herren in Rot findet Khaled Narey, der zum völlig unverdienten Ausgleich einlocht. Dann das – sehr milde ausgedrückt – ungeschickte Handspiel von Cello Sobottka, das in der 73. Minute einen berechtigten Elfer und damit den völlig verdienten Führungstreffer für die Rostocker brachte.

Das verdiente 1:0 für Rostock (Screenshot Sky)

Wir wollen auch festhalten, dass der FC Hansa Rostock seine Sache durchgehend ausgesprochen gut machte. Gegen das hohe Pressing hatte Fortuna kein Mittel; im Gegenteil: es löste maximale Unsicherheit in der Viererkette aus, die sich auch durch Käpt’n Bodzes (heute bester Fortune) häufiges Eingreifen nicht legte. Vor allem hatte Hansa offensichtlich eine wesentlich bessere Videoanalyse des Gegners betrieben und das perfekte Rezept gefunden. Sie unterbanden durch das frühe Anlaufen sowie die Doppeldeckung unserer Außenstürmer jegliches Flügelspiel der Roten.

Eine von zwei Ecken, die nichts brachten (Screenshot Sky)

Wo die Hausherren die Räume eng machten und beherzt in die Zweikämpfe gingen, ja, diese jederzeit suchten, versuchten die Gäste von Beginn an verzweifelt ihr Spiel aufzusetzen. Dass dies in den 90 Minuten nicht, gar nicht, überhaupt nicht, null, niente funktionierte, lag natürlich am Gegendruck der Hanseaten, aber vielmehr noch an einer erschreckenden Ideenlosigkeit, zu der sich ab der 60. Minute auch noch Konditionsmängel gesellten.

Kleine Diskussion zwischen Trainer und Führungsspieler (Screenshot Sky)

Eigentlich muss man über einzelne Kicker in den Farben der Fortuna nicht reden, jedenfalls nicht in dem Sinne, dass der eine oder andere mehr Verantwortung für die Niederlage hatte. Die ominöse Expertenrunde fragte sich aber beinahe durchgehend, was genau Kuba Piotrowski eigentlich spielen sollte. Es ist doch so: Wenn der Gegner das Flügelspiel unterbindet, muss die Offensive zentral agieren und auf Steilpässe in die Schnittstellen setzen. Dazu müssen natürlich Kollegen in diese Gassen gehen. Wenn aber so gut wie nie (Ausnahme Narey beim 1:1) einer der Außenläufer oder einer der Sechser hineinläuft, dann wird sich Rouwen Hennings im Sechzehner wundwühlen, ohne dass Chancen entstehen.

Kuba diskutiert mit dem Schiri (Screenshot Sky)

Noch einmal: Im grandiosen Spiel gegen den KSC waren es die Außenduos, also Hartherz + Peterson und Zimmermann + Narey, die dem Gegner das Kreuz brachen; zentral ging auch vor einer Woche nur wenig. Heute aber kam es nicht einmal zu der Situation, dass Hartherz auf Peterson gibt, an dem vorbei hinter die Reihe läuft, um den Kollegen dann per Doppelpass zur Flanke zu verhelfen. Noch trüber sah es rechts aus, weil dies zu allem Überfluss auch noch die starke Seite der Rostocker war, sodass Zimbo und Khaled alle Hände mit Defensivaufgaben voll hatten.

Hinzu kamen beinahe unerklärliche Unsicherheiten bei Andre Hoffmann, der ohne Bodzeks Hilfe oft aufgeschmissen gewesen wäre. Chris Klarer zeigte immerhin einen starken Willen, seinen Anteil am Führungstor des FCH durch robustes Einschalten in den Angriff wettzumachen. Aber: Warum auch immer brach er regelmäßig kurz hinter der Mittellinie ab und legte quer oder gab zurück. Da fragt man sich doch, ob er dies auf Basis einer Preußer’schen Anweisung tat. Der sich übrigens wie am Mittwoch mehrfach Spieler (Bodzek und Hennings vor allem) an die Linie holte, um ihnen das Konzept zu erläutern.

Ein Freistoß, der nichts einbrachte (Screenshot Sky)

Womit wir beim Anteil des Trainers an dieser Katastrophe sind. Die Expertenrunde fasste es so zusammen: Preußer hat keinen Plan B. Wenn er als Coach sieht, dass die eigene Mannschaft mit dem Spielplan des Gegners nicht klarkommt, dann muss er doch was ändern! Aber, er ändert nichts. Ein mutiger Trainer hätte spätestens nach einer halben Stunde die Umstellung der Taktik angeordnet – so wie es Vorgänger Rösler in der vergangenen Saison mehrfach (erfolgreich) getan hat. Es muss ja nicht immer gleich eine Auswechselei noch vor der Pause sein, es reicht doch auch – nur als Beispiel – eine zweite, hängende Spitze zu installieren und zwei Mann in die Ballverteilung zu stellen, um so die Offensive zentraler auszurichten.

Auch die Einwechslung von Tanaka nützte nichts (Screenshot Sky)

Der offensichtliche Anteil der Mannschaft bestand wieder in vielen kleinen Fehlern und einem teilweise unterirdischen Zweikampfverhalten. Wer so mutlos auftritt, gewinnt eben keine zweiten Bälle, sondern verliert die Pille regelmäßig im Mittelfeld. Immerhin besserte sich die Fortuna in der zweiten Halbzeit – von einer Note 5 auf eine 4-. Und wenn man es spielerisch nicht richten kann, dann muss man es kämpferisch versuchen. Leider scheint es keinen Kicker mit dem F95 auf der Brust zu geben, der seinen Kollegen tief genug in den Arsch treten kann, damit sie aufwachen und sich reinwerfen.

Lassen wir es dabei bewenden. Klar scheint, dass Christian Preußer nur noch ein Spiel hat, also die Revanche gegen Hannover kommenden Samstag. Es wird dabei weniger um die Aufstellung und um die Systematik gehen, sondern um die Frage, ob er die Burschen auf der Wiese ausreichend motivieren und ob er flexibel genug ist, auf das nicht vorhergesehene Treiben des Gegners zu reagieren. Ende der Durchsage. Und jetzt zurück zum Sport.

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