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F95 vs Heidenheim 0:1 – …und dann noch nicht mal Glühwein da…

Analyse · Okay, das Wetter war scheiße, es war Black Friday und die Weihnachtsmärkte hatten auf. Da war der Besuch in der Merkur-Tiefkühl-Arena in der Hitliste der Freitagabendevents eher nicht unter den Top 5 – zumal es im Stadion keinen Glühwein gab, jedenfalls so weit Ihr Ergebener dies kontrolliert hat. Die Zahl des Abends lautete also 13.873. So viele Eintrittskarten hatte der Verein offiziell verkauft, aber ein Rundblick zeigte deutlich, dass sich vielleicht 10.000 Zuschauende auf die Ränge verwirrt hatten. Respekt an den jungen Mob im 38er, der wirklich unentwegt versuchte Stümmung zu machen. Und gäbe es eine Fußballgöttin, hätte sie diese wunderbaren Menschen mit einem Fortuna-Sieg belohnt. Stattdessen aber servierte irgendeine andere Soccer-Instanz uns eine Niederlage. [Lesezeit ca. 8 min]

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Es war die 92. Minute und das aktuelle F95-Team machte mächtig Druck. Alle, auch Käpt’n Bodze, Leonardo Koutris und Tim Oberdorf waren weit aufgerückt, Zimbo Zimmermann sowieso, und Chris Klarer turnte im Sechzehner rum in der Hoffnung ein Ei mit seinem kantigen Schädel in die Hütte zu zimmern. Kleiner Ballverlust wie er einfach mal passiert. Zwei Heidenheimer eröffnen das Umschaltspiel, die aufgerückten kommen nicht mit. Immerhin können sie den einen noch nach außen abdrängen, aber der flitscht das Ding parallel zur Linie, und – zack – der andere netzt ein.

Jede:r, der:die schon etliche Dutzend Spiele der launischen Diva gesehen hat, hat das Gegentor kommen sehen. Wie ein unausweichliches Schicksal, eine rasende Lok, die einem entgegenkommt. Ihr in Ehren ergrauter Ergebene erinnert sich an mindestens zwanzig, wenn nicht dreißig solcher Tore, bei denen man den Spielern schon ein, zwei Minuten vorher zurufen möchte: “Ey, Jungs, passt auf, gleich fangt ihr euch einen…” Die schlimmsten dieser Sorte sind diejenigen, die in der Nachspielzeit fallen und ein Spiel entscheiden.

F95 vs Heidenheim: Rouwen Hennungs erklärt den Kollegen die Welt (Foto: TD)

Im Gegensatz zu den jämmerlichen Niederlagen gegen Rostock und Dresden ist diese zutiefst ungerecht, denn alles in allem handelte es sich um eine ausgeglichene Partie, ein typisches Unentschieden. Ungerecht, aber vollkommen verständlich dann das Pfeifkonzert gegen die Spieler, die unschlüssig vor der Süd herumlungerten und nicht wussten, wo sie ihr Ei legen sollten. Ihrem Ergebenen taten die Männer in den roten Klamotten in diesem Moment unendlich leid, denn die Pfiffe, fliegenden Bierbecher, Beschimpfungen und Flüche trafen die Falschen, eindeutig die Falschen. Die Mannschaft hat durchweg Einsatz gezeigt und ab der 70. Minuten sogar einen Siegeswillen, den man lange nicht gesehen hat.

Nur – und damit sind wir bei den Preußer-raus-Rufen – fehlen die Bedingungen, die es ihnen ermöglichen, solche Spiele zu gewinnen. Das begann gestern mit der Frage: Warum hat Preußer nur einmal gewechselt? Wo doch spätestens ab der 80. Minute bei Bodzek, Koutris, aber auch bei Narey und Iyoha deutliche Ermüdungserscheinungen zu sehen waren. Und weshalb, in drei Fußballteufelsnamens, wechselt er mit Peterson einen Stürmer aus, der für viel Aktion auf seinem Flügel gesorgt hat? Und dann gegen Felix Klaus, der momentan nicht gerade auf der Höhe seiner Möglichkeiten spielt und auf der linken Seite auch eher nicht top ist.

F95 vs Heidenheim: Lächelte auf der PK ein bisschen weniger als sonst (Foto: TD)

Weiter: Wann hört Preußer endlich mit diesen Zwei-Mann-Standards auf? Wenn zwei Fortunen bei einem Eckball an der Fahne stehen, dann hat die Mannschaft genau einen Spieler weniger im Zentrum. Soll so der Gegner verwirrt werden, oder was? Sind Fernschüsse verboten oder werden sie einfach nicht trainiert? Denn wenn Koutris oder Peterson mal aus der Distanz draufhielten, dann sah das nicht so dolle aus – Cello Sobottka, der früher auch ab und an mal fernschoss, probiert es gar nicht mehr.

Schließlich: Was ist das eigentlich für eine Kindergartentaktik, offensiv IMMER NUR über die Flügel zu kommen? Selbst steile Bälle, die oft auf der Brust vom Rouwen Hennings landen, werden prinzipiell auf die Außen abgelegt, die dann runter zur Linie dribbeln und flanken. Klar, dass F95 in der Tabelle der meisten Flanken auf Platz 1 steht. Aber wir wissen: Es gibt auch andere Möglichkeiten, ein Tor zu erzielen. Zum Beispiel nach dem Muster der 42. Minute, in der Emma einen waschechten Hundertprozenter vergeigte – der aus einem Steilpass entstanden war. Steilpass, Herr Preußer!

F95 vs Heidenheim: Es war kein schlechtes Fußballspiel und insgesamt ausgeglichen (Foto: TD)

Es war übrigens kein schlechtes Fußballspiel, zwar eine eher kampfbetonte, aber insgesamt recht interessante Partie zweier ziemlich diszipliniert auftretender Mannschaften. Von den Presseplätzen aus weit oben auf der Tribüne konnte man sehr gut sehen, dass gerade die Fortuna zum Beginn einer neuen Situation immer fein in die 4-4-2-Grundordnung zurückkehrte. Die Heidenheimer dagegen glänzten mit einem schwer knackbaren Defensivverbund, der sich keine Stellungsfehler leistete. Das ist auch daran ablesbar, dass Ihr Ergebener in der zweiten Halbzeit insgesamt 12(!) im HDH-Sechzehner geblockte Schüsse strichlistete.

Die offizielle Statistik erfasst so etwas nicht, ergab aber zur Halbzeit wieder einmal eher deprimierende Zahlen für die Fortuna. Kurz gesagt waren die Gäste zur Pause in jedem einzelnen Wert besser. Dass die Jungs in Rot es in den zweiten 45 Minuten besser machen wollten und es ihnen auch gelang, belegt, dass die Statistik am Ende annähernd ausgeglichen war – mit leichtem Plus für F95. Wieder aber blieben die Fortunen bei der Laufleistung und der Anzahl der Sprints deutlich hinter dem Gegner zurück. Und dennoch: In Hälfte Zwo hätte die Mannschaft mindestens ein Tor verdient, mindestens…

Dass dies nicht gelang, hat übrigens nichts mit der konfusen Arbeit von Schiri Bacher zu tun, der bei jeder Fifty-Fifty-Entscheidung falsch lag, bei jeder einzelnen. Und davon gab es zulasten der Fortunen leider mehr. Man fragt sich bei einem solchen Schwarzmann manchmal, was in dessen Hirn vorgeht, wenn er Adam Bodzek nach einem Allerweltsfoul in der 12. Minute schon die gelbe Pappe zeigt, einem HDHler nach einem beinahe identischen Foul acht Minuten später aber nicht. Bacher war bemüht, die Partie flüssig zu halten, pfiff dann aber Rangeleien im Rahmen des Regelwerks ab, während er bei rüde unterbundenen Dribblings nicht zur Pfeife griff.

F95 vs Heidenheim: Raffa Wolf hatte alles im Griff, vor allem seinen Sechzehner (Foto: TD)

Kommen wir zu den Akteuren, zuerst zu Raffa Wolf, der für Kastenmeier ranmusste. Unser Aufstiegstormann ist immer noch ein sehr solider Keeper mit klasse Reflexen, die er in der ersten halben Stunde in brandheißen Situationen gleich dreimal vorführte. Natürlich ist er ein eher altmodischer Torhüter, nicht ganz so altmodisch wie Michael Rensing seinerzeit, aber im Vergleich zu Kastenmeier doch eine Generation davor. Das bedeutet: Prima auf der Linie, gut in der Strafraumbeherrschung, aber nicht so dolle im Spielaufbau. Es ist nur ein Eindruck, den der Ergebene äußern möchte, aber Wolf hilft der Defensivkette durch die Ruhe, die er ausstrahlt.

F95 vs Heidenheim: Und wieder zwei Mann beim Eckstoß – warum nur? (Foto: TD)

Die Überraschung des Tages für Ihren erstaunlich Ergebenen stellte Leonardo Koutris dar. Nicht nur, dass er über weite Strecken der aktivste Fortune war, auch sein Zusammenspiel mit Peterson – wo die beiden doch noch nicht allzu oft kooperieren durften – sah überwiegend prima aus. Man hatte ihm einst Defensivschwäche vorgeworfen, davon gestern keine Spur. Dafür war die Kopfballstärke des 170-Zentimeter-Burschen ebenfalls eine Überraschung. Vermutlich hat Leon – so er denn im Training fleißig bleibt – sich so in die Startelf gespielt. Allerdings: Ab etwa Minute 70 lief ihm langsam der Akku leer – er hätte ausgewechselt werden sollen, natürlich gegen Flo Hartherz, der ja seine Sachen in letzter Seite ganz gut gemacht hat.

Chris Klarer, immer noch erst 21 Jahre alt, wird langsam zu einem Phänomen. Der spielt jetzt schon seit vier Wochen mit einem noch nicht ganz verheilten Handbruch; das heißt: er spielt ja nicht nur, sondern trainiert Tag für Tag mit der geknacksten Gräte. Dann haut’s ihn kurz vor Schluss um, er wird behandelt, ihm wird was wehgetan haben, aber wo finden wir ihn: ganz vorn im gegnerischen Sechzehner. Und dann ist er es, der in 88. Minute den Siegtreffer auf der Birne hat, aber mit viel Pech noch daneben köpft. Chapeau, Chris! Nicht ganz so auffällig, aber von Spiel zu Spiel souveräner agiert Tim Oberdorf, denn es ab der 80. Minute auch nach vorne zog.

F95 vs Heidenheim: Ohne verlängerten Arm muss Preußer die Spieler ab und an an die Linie holen (Foto: TD)

Allerdings waren die Aktionen BEIDER Innenverteidiger wohl doch ein bisschen zu viel des Risikos, denn zur Absicherung blieb dann eben nur noch Käpt’n Bodze im Verbund mit einem der Außenverteidiger; und auch die Bodzek-Batterie leerte sich zunehmend. Ansonsten war der Adam das Spiel über wieder überall und nirgends, ganz groß in der Balleroberung, schwach wie oft in der Ballbehauptung und mit nur gelegentlichen Highlights im Spielaufbau. Da hätte Cello Sobottka theoretisch mehr leisten können, aber bis auf ein paar sauber gewonnenen Zweikämpfe war von ihm eher wenig zu sehen.

Zimbo Zimmermann war gestern defensiv eine Bank, ließ sich nur ein einziges Mal so richtig abkochen, hatte ansonsten seine Seite im Griff. Offensiv wirkte er ziemlich gebremst, und das Zusammenspiel mit Khaled Narey, das ja einige Male schon ganz zauberhaft aussah, fand kaum statt. Überhaupt: Während Koutris und Peterson ein ums andere Mal per Doppelpass vorankamen, blieb es beim rechten Duo eher bei einfachen Zuspielen. Bei Peterson fällt immer wieder auf, dass er bei aller Spielfreude und allem technischen Geschick die Bälle oft leicht verliert, sich die Pille zu weit vorlegt oder sich einfach verdribbelt. Gestern hat er anscheinend auch den so brillanten Khaled Narey damit angesteckt, denn auch der lief sich ungewohnt häufig fest.

F95 vs Heidenheim: Zusammenprall im Fortuna-Strafraum – zum Glück ohne Folgen für die Beteiligten (Foto: TD)

Bleiben noch die beiden Spitzen. Ihr einigermaßen Ergebener hat schon so oft geschrieben: Rouwen Hennings spielte, was Rouwen Hennings eben so spielt. Ein Maradonna wird aus ihm nicht mehr, wobei er gestern laut Strichliste volle drei Mal durch feine Pässe und Flanken glänzte. Und Emma Iyoha? Dem fehlt eindeutig Spielpraxis. Ein Magier war er nie und wird er auch nicht werden; es bleibt zu hoffen, dass er mit jeder Partie, bei der über lange Zeit mittun darf, eventuell doch noch so etwas wie Torgefahr entwickelt. Sein Schicksal ist es, immer ein wenig zu lässig zu wirken, sodass es schwierig ist, seine Effizienz objektiv zu messen.

Der Ergebene hat ja hier kürzlich schon einmal über das Thema “Führungsspieler” meditiert, also über den Kickertypus, den man oft mit dem blöden Begriff “Leitwolf” oder – schlimmer noch – “emotionaler Leader” etikettiert. Gestern zeigte sich wieder, dass der Kader 2021/22 keinen hat. Okay, Käpt’n Bodze geht mit seinem steten Einsatz voran, hat aber kein Mittel, das Team mal so richtig auzuputschen. Rouwen Hennings, von der Erfahrung her ein weiterer Kandidat für diesen Posten, ist einfach zu konziliant. Am ehesten auf dem Weg, seinen Kollegen mal zu zeigen, wo der Hammer hängt, ist da noch Chris Klarer. Dem Team fehlen einfach Leute wie weiland Sascha Rösler, der Rotzlöffel, oder Kaan Ayhan oder – auf seine Weise – Oliver Fink. Der Trainer hat einfach keinen “verlängerten Arm” auf dem Spielfeld … und muss deshalb die Leute in Unterbrechungspausen an die Linie holen, um ihnen klarzumachen, was er will.

F95 vs Heidenheim: Emotionen kamen aus dem 38er, nicht vom Rasen oder von der Linie (Foto: TD)

13.873 ist schon eine erschreckende Zahl. Dass aber gut ein Viertel der Karteninhaber:innen gar nicht erst erschienen ist, erschreckt noch mehr. Geradezu panikmachend aber das Ergebnis einer kleinen Umfrage und belauschter Gespräche. Oft gehört: “Das geb ich mit nicht nochmal.” Oder: “Stadion? Da hab ich nächstes Mal was Besseres vor.” Okay, man kennt es ja von den Düsseldorfer:innen, dass sie ihre Fortuna in Misserfolgsphasen gern im Stich lassen. Dass es nun aber VOR ALLEM die immertreuen Bewohner der Südtribüne sind, die sich abwenden, ist bedrohlich. Ihr deprimierter Ergebener wiederholt sich: Es ist nicht der Misserfolg, der die Leute aus dem Stadion treibt, sondern die fehlenden Emotionen – bei den Spielern, beim Trainer-Gespann und auch im Vorstand. Fußball ist ein von starken, wilden Gefühlen getriebener Sport. Es sind die Schreie auf den Rängen, das Sich-in-die-Arme-fallen im Block, die Wut auf Schiris, der Hass auf die Erzfeinde, das Miterleben von Heldentaten, dieses ganz Konglomerat aus unvernüftigem Verhalten, das es ausmacht – und das entsteht nur, wenn Trainer, Mannschaft und Verein es auf diese oder jene Weise entzünden.

F95 vs Heidenheim: Das ungerechte Pfeifkonzert gegen die Spieler (Foto: TD)

Ändert sich das beim TSV Fortuna Düsseldorf nicht schleunigst, könnte uns allen eine Talfahrt wie Ende der Neunzigerjahre bevorstehen. Was die Fußballgöttin, so es sie denn gibt, verhindern möge.

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