Website-Icon Fortuna-Punkte

KSC vs F95 2:2 – Ein Jordy-Klopper und der Kipppunkt einer eigentlich schon gewonnenen Partie

Eine Halbzeit Hui, 25 Minuten pfui – dann reicht’s eben nur für einen Punkt…

Analyse · In den ersten 45 Minuten hatte ein grandioses F95-Team alles unter Kontrolle, von den vergebenen vier, fünf Torchancen über die beiden Treffer hinaus mal abgesehen. Der KSC kam hektisch aus der Kabine, die Fortunen ließen sich anstecken. Und trotzdem sah es bis zur 65 Minute beim Stand von 0:2 nicht nach einer Wende aus. Dafür gelang den Karlsruhern offensiv einfach zu wenig. Nun schlägt einer von denen ein Langholz, und Jordy de Wijs will das Ding berührungslos über die Torauslinie dümpeln lassen, damit Flo Kastenmeier abschlagen kann. Aber, da ist ein KSCler dagegen, versucht den Ball zu erfummeln, und schafft das auch. Hat einen Schritt Vorsprung vor Jordy und steuert maximal steil das kurze Eck an, das der Flo aber völlig im Griff hat. Da kommt unser blonde Hüne und haut den Typen in Blau, der nicht wirklich eine Torchance vor sich hat, von hinten weg. Klarer Elfer. [Lesezeit ca. 6 min]

Na, schon gespannt auf den Spielbericht? Nach einer kurzen Werbeunterbrechung geht’s weiter. Denn The Düsseldorfer versteckt sich nicht hinter einer Paywall. Alles, was du hier findest, ist gratis, also frei wie Freibier. Wenn dir aber gefällt, was du liest, dann kannst du uns finanziell unterstützen. Durch ein Fan-Abo oder den Kauf einer einmaligen Lesebeteiligung. Wir würden uns sehr freuen.

Kurz keimt unter den Fortuna-Fans in der Retematäng die Hoffnung auf, unser Herr Kastenmeier könne den Strafstoß halten. Aber, Pustekuchen! Es steht 1:2, und alterfahrene Liebhaber der Diva ahnen, was kommt. Selten hat man einen solchen Kipppunkt einer Partie, die ein Gästeteam eigentlich im Griff hatte, so aus der Nähe erlebt. Weil die Gastgeber aber außer hektischer Aktionen ohne Sinn und Verstand weitermachten, hätte die Sache immer noch gut gehen können. In der 83. Minute haute der KSC-Knipser dann aber doch die Kugel in die fortunistischen Maschen. Ein Sonntagsschuss, gegen den weder die Abwehr, noch der Keeper viel machen konnte.

Der Ausgleich – ein wahrer Sonntagsschuss (Screenshot Sky)

Und trotzdem: Dieses Mal machen wir in der Nachspielzeit die entscheidende Hütte, hieß es unter den optimistischen Anwesenden. Allerdings schien es, als seien beide Mannschaften einigermaßen platt – besonders übrigens die Düsseldorfer. Dass nachlassende Kondition auf die Konzentration durchschlägt, ist ein alter Hut. So konnten die Fortunen am Ende noch froh sein, das Remis gehalten und einen Punkt aus der Wildpark-Baustelle mitgenommen zu haben.

Ja, der Jordy… Zum ersten Mal in seiner Zeit bei uns hatte er einen weniger guten Tag, was sich schon in der ersten Hälfte durch ein paar schlechte Entscheidungen und Nachlässigkeiten zeigte. Die konnte der Rest der Viererkette – with a little help from the Mittelfeldler – immer ausbügeln. Zumal die Fortuna unter Thioune durchweg in Sachen Balleroberung und Passquote glänzte. So entstanden außer den Toren mindestens drei weitere Gelegenheiten deutlich über der 90-Prozentmarke. Und was für wunderschöne Tore das waren!

Das wunderschöne 1:0 – Hennings auf Ginczek (Screenshot Sky)

In der 31. Minute erkämpft sich Käpt’n Bodze das Ei und gibt nach links raus, wo Flankengott Hennings den Platz nutzt, um sich eine gute Position zu verschafften. Er legt flach rein, und da kommt Daniel Ginczek angestürmt und haut die Pille in die Hütte. Ein Traumtor geboren aus den Tugenden, die das F95-Team in dieser Halbzeit an den Tag legte. Fast noch schöner das 2:0 in der 38. Minute. Da wird die KSC-Kette überspielt. Khaled Narey – erneut einer der besten Fortuna auf dem Platz – sprintet, kriegt den Ball und legt halbhoch in den Fünfer, wo Rouwen Hennings das Ding auf artistische Weise direkt nimmt und am gegnerischen Tormann vorbei reinlegt. Ein Leser machte uns darauf aufmerksam, dass ja wohl unser Rouwen dieses Mal “Man of the Match” war – dem kann der Ergebene nur zustimmen.

Das fast noch schönere 2:0 durch Rouwen Hennings (Screenshot Sky)

Schauen wir uns die anderen Kollegen an, fällt auf, dass Zimbo Zimmermann so gut wie nichts zur Offensive beitragen konnte, und dass Flo Hartherz ihm in dieser Hinsicht auf der anderen Seite deutlich überlegen war. Überhaupt scheint der so oft gescholtene Ex-Bielefelder momentan tatsächlich die bessere Wahl zu sein als Nicolas Gavory. Einen unerwarteten Frühling erlebt zurzeit Eddie Prib, der gestern eine überzeugende Partie als offensiver Sechser bot und in Sachen Balleroberung und Passgenauigkeit sogar die Statistik anführt. Scheint, als sei das Duo Bodzek-Prib dem Tandem aus Cello Sobottka und Kuba Piotrowksi – wenn auch taktisch völlig anders gepolt – ebenbürtig; das ist eine gute Nachricht für die verbleibenden sechs Partien.

Zurück aus der Pause – da sah es noch nach Sieg aus (Screenshot Sky)

Auch der Verzicht auf einen echten Linksaußen bewährt sich prinzipiell. Denn dass Shinta Appelkamp eher in die Mitte zieht als seinen Flügel zu beackern, ist klar und auch richtig. Wobei der junge Shinta gestern nie so ganz richtig ins Spiel fand. Die rechte Außenbahn gehört natürlich Khaled Narey, der wieder unermüdlich rannte, verloren geglaubte Bälle behauptete und die KSC-Abwehr ein ums andere Mal aus der Fasson brachte. Allerdings: Steht Shinta nominell auf Außen, ergeben sich für Khaled kaum Möglichkeiten zur Rochade, ein Stilmittel, mit dem er ja schon manchen Gegner verwirrt hat.

Khaled Narey ging wieder keinem Zweikampf aus dem Weg (Screenshot Sky)

Zum ersten Mal übten diverse Expert:innen Kritik an der Thioune’schen Wechselpolitik. Erst in der 74. Minute kam Emma Iyoha für den sichtbar erschöpften Daniel Ginczek. Einige Beobachter hatten schon VOR dem Anschlusstreffer vorgeschlagen, Wechsel vorzunehmen, um – wie es im modernen Fußballdeutsch heißt – “einen Impuls zu setzen”. Also: Durch Personalveränderungen die Hektik aus dem fortunistischen Spiel zu nehmen. Auch eine Systemumstellung auf Dreierkette in ein 3-3-2-2 wurde andiskutiert. Alles um dem Spiel einen anderen Twist zu geben, um die KSCler ein bisschen zu verwirren und so die Führung zu verteidigen oder gar auszubauen.

Okay, die taktische Grundordnung im Spiel zu ändern – so weit, das erfolgreich umzusetzen, ist die Mannschaft wohl noch nicht. Aber Kris Peterson und Toni Pledl, die beide im Testspiel gegen Eindhoven so geglänzt hatten, frühzeitig reinzuholen und den glücklosen Shinta Appelkamp durch Ao Tanaka zu ersetzen, wäre schon so um die 60. Minute herum vorstellbar gewesen. Spätestens aber nach dem Anschlusstor hätten Thioune & Co. aber auch auf Ergebnissicherung setzen und das Mittelfeld deutlich defensiver besetzen können. Zum Beispiel: Chris Klarer für Eddie Prib, und Zimbo Zimmermann neben Adam Bodzek als defensive Doppelsechs.

Viel zu spät die Einwechslung von Kris Peterson (Screenshot Sky)

Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Spielentscheidend waren die Wechsel beziehungsweise die nicht stattgefundenen Wechsel nicht. Es besteht jedoch der Verdacht, dass die Trainer den Zustand des Teams in der Phase zwischen der 55. und 65. Minute nicht oder nicht richtig wahrgenommen haben. Übrigens: Ganz ähnlich lautete der Vorwurf an Thioune vor seinem Rausschmiss beim Zweitliga-Dino HSV; nicht dass da eine seiner grundlegenden Schwächen ans Licht gekommen ist…

Einer der wenigen KSC-Konter (Screenshot Sky)

Seien wir ehrlich: Dieses Unentschieden war mindestens so blöd wie die beiden Remis’ gegen Paderborn und den HSV. Immerhin konnten die Buben den schlimmsten Fall abwenden, denn mit einer Niederlage wäre die Fortuna sicher in den Sog des ungeliebten Relegationsplatzes geraten. Das hätte den Druck maximal erhöht, zumal es nächste Woche zuhause gegen Rostock geht, ein Team im Höhenflug, das offensichtlich vor nichts und niemand Angst hat. Seien wir noch ehrlicher: Noch ein Unentschieden können sich Daniel Thioune, sein Trainerteam und die Mannschaft nicht erlauben – es MUSS gewonnen werden.

Das bedeutet eine Menge Arbeit für die Coaches, denn es wurde deutlich, dass die Truppe nach den Corona-Fällen und trotz (oder wegen?) der Länderspielpause Konditionsprobleme hat. Das ist die eine Baustelle. Die andere heißt nach wie vor “Chancenverwertung”. Schon gut, dass die beiden nominellen Knipser gestern getroffen haben. Schön auch, dass die anderen hin und wieder Distanzschüsse wagten. Wenn solche Fernschüsse nicht einmal als Chancen zu werten sind, da muss beim Schusstraining die Schraube angezogen werden. Spieler wie Andre Hoffmann, Shinta Appelkamp und, ja, auch Eddie Prib haben es im Prinzip drauf. Und wenn – Fußballgott sei Dank – mehr durch die Mitte gespielt wird, können aus der Ferne öfter mal Tore fallen.

Alarm in Kastenmeiers Sechzehner (Screenshot Sky)

Immerhin haben sich unter Daniel Thioune, Manfred Stefes und Jan Hoepner die Ecken verbessert, und auch bei Freistößen ist eine Optimierung festzustellen. Was aber auch fehlt ist ein Plan B für die Spitze, wenn zunächst Hennings und Ginczek vorne spielten und einer von ihnen (oder beide) ausgewechselt werden muss. Einfach Emma Iyoha als Ersatz reinzuholen, bringt nichts, wenn nicht gleichzeitig die Offensivmechanik neu justiert wird – speziell im Zusammenspiel der Flügel mit der Spitze. Das haben die Auswechslungen gestern ziemlich deutlich nachgewiesen. Aber auch in der Defensive gibt es Verbesserungsbedarf. Wenn man führt und der Gegner aufdreht, kommen Spielchen wie das vom Jordy (oder die Aktionen in der Nachspielzeit gegen Paderborn und den HSV) nicht mehr in Frage. Da muss der Ball eher aus der Gefahrenzone nach vorne oder ins Seitenaus gepöllt werden.

Dass dieser Kader spätestens seit der Ankunft der drei Neuen (Gavory, Ginczek und de Wijs) tabellarisch deutlich unter seiner Qualität angesiedelt ist, fällt inzwischen auch den diversen Kommentatoren und den gegnerischen Trainern auf. Es kommt jetzt darauf an, aus dieser Qualität MEHR zu machen. Dann klappt’s auch mit dem relegationsfreien Klassenerhalt.

Die mobile Version verlassen