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Magdeburg vs F95 1:2 – Ballbesitz schießt keine Tore, Abgeklärtheit gewinnt

Dank großer Routine, Effizienz und Abgeklärtheit gewinnt die glorreiche Fortuna das Auftaktspiel in Magdeburg.

Analyse · Möglicherweise wird man am Ende der Hinrunde unter Fortunen sagen, die Partie in Magdeburg sei das schwerste Auswärtsspiel gewesen. Und vielleicht wird man dann auch erkannt haben, dass mit dem FCM und dem 1. FCK zwei Aufsteiger gekommen sind, die das Zeug haben, oben mitzuspielen. Nach der Partie gestern aber sollten alle Fortunen, die seit Wochen nach Verstärkungen schreien, erkannt haben, dass ein Kader ordentlicher Gesamtqualität, der zusammengeblieben ist, mehr wiegt als irgendwelche namhafte Neuzugänge. [Lesezeit ca. 7 min]

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Denn gewonnen hat gestern eine Abgeklärtheit wie sie schon lange kein F95-Kader mehr präsentiert hat. Nach den wilden ersten zwanzig Minuten mit einigen heftigen Chancen für die Hausherren und ziemlichem Chaos in der Defensive – die Innenverteidiger ausdrücklich ausgenommen – rüttelte sich das rotweiße Team ein, und in der zweiten Halbzeit waren die Burschen von Trainer Thioune jederzeit Herren der Lage. So gesehen geht der Auswärtssieg absolut in Ordnung.

Da konnte der FCM-Käpt’n noch so brennen, irgendwann hatten die Fortunen dem noch nicht fitten Baris Atik mit herzhaften Attacken die Kerze zum Flackern gebracht, und in den zweiten 45 Minuten war vom Topstürmer der Magdeburger nichts mehr zu sehen. Dem irrsinnig quirligen FCM-Ito zeigte Tim Oberdorf nach einigen Anfangsschwierigkeiten, wo der Hammer hängt. Bezeichnend für dessen Seelenzustand die Auseinandersetzung mit Ao Tanaka in der zweiten Halbzeit, bei der die beiden japanische Höflichkeiten austauschten, die der überaus gute Schiri Aarnink zum Glück nicht verstand. Diese beiden Spieler weitestgehend auszuschalten, war ein Schlüssel zum Erfolg der glorreichen Fortuna.

Magdeburg vs F95: Im ständigen Kontakt mit der Kölner Gruft (Screenshot Sky)

Der zweite Erfolgsfaktor trug die Namen Hoffmann und Klarer. Denn gerade als Tim Oberdorf und besonders Nicolas Gavory, aber auch Cello Sobottka einigermaßen ins Schwimmen geraten waren, blieben die beiden Innenverteidiger so stabil, dass sich die Zahl der FCM-Chancen in Grenzen hielt. Dabei war die von Trainer Thioune gewählte taktische Grundordnung, ein 4-2-2-2, im Prinzip gut gewählt, und über alles gerechnet konnte Oberdorf den verletzten Zimbo Zimmermann gut ersetzen; auch wenn sein Zusammenspiel mit dem vor ihm postierten Felix Klaus nicht wirklich funktionierte. Schon gar nicht gemessen an dem, was in der vergangenen Saison Zimbo und Khaled Narey auf dieser Seite geleistet haben.

Magdeburg vs F95: Felix Klaus, der meistgefoulte (Screenshot Sky)

Könnte sein, dass mit den beiden Spitzen Rouwen Hennings und Dawid Kownacki ein neues Traumduo geboren wurde und dass es Daniel Ginczek sehr, sehr schwer haben wird, wieder in die Stammelf zu kommen, zumal seine Vorstellungen in der Vorbereitungen eher suboptimal waren. Beten wir Fortuna-Fans, dass Kownacki unverletzt bleibt und uns auch nicht durch irgendeinen Transfer abhandenkommt. Das Tolle an diesem Duo ist, dass sie sich in ihrer Auffassung von der jeweiligen Rolle prima ergänzen. Der Rouwen kann jetzt horizontal herum marodieren und den Gegner stören, während Dawid vertikal mit seiner Geschwindigkeit die gegnerischen Verteidiger ins Zentrum zieht.

Magdeburg vs F95: Die Leiden des jungen Klarer (Screenshot Sky)

Und, ja, diese Vorlage auf Felix Klaus, die zum 2:0 führte, die hat unser junger Pole gewollt, genau so – da ist sich euer ergebener F95-Analyst ganz sicher. War sowieso eine schicke Hütte, weil die Flanke auf Kowa ausgerechnet von Rouwen kam, der Treffer also ein Gemeinschaftsprodukt dreier Stürmer war. Dass die Gastgeber sich das Ding nur 15 Sekunden nach Wiederanpfiff einfingen, brach denen schon ein bisschen das Motivationsrückgrat. Immerhin kamen sie nur vier Minuten später nach einem feinen Angriffszug samt toller Vollstreckung zum Anschlusstreffer … der aber bei ihnen nichts weiter bewirkte.

Magdeburg vs F95: Jordy kommt (Screenshot Sky)

Hatten die FCMler vor der Pause noch mit 6:2 Torschüssen die Nase vorn, stand es in dieser Disziplin am Ende 16:13 für unsere Jungs. Dass es so viel mehr Gelegenheiten für die Roten gab, lag vor allem im drastisch verbesserten Spielaufbau, an dem besonders Ao Tanaka einen Riesenanteil hatte. Auch dadurch befördert, dass Cello Sobottka ihn nun mehr als seinen Sechser-Kumpel erkannte. Um den vielleicht schwächsten Fortunen der Begegnung an dieser Stelle zu erwähnen: Von Nicolas Gavory kam in dieser Hinsicht so gut wie nichts, und manchmal fragt man sich ohnehin, wie er seine Rolle als Außenverteidiger überhaupt interpretiert. Könnte sein, dass der F95-Kader exakt an dieser Stelle neben dem noch sehr unerfahrenen Benjamin Böckle eine Alternative braucht.

Magdeburg vs F95: Zwei stabile Innenverteidiger (Screenshot Sky)

Das ganz große Erfolgsgeheimnis, mit dem die zweite Hälfte und damit das Spiel gewonnen wurde, haben die vom dümmlichen Sky-Hempel und dem sich gern selbst labernd hörenden Matuschka interviewten Fortuna-Kicker selbst ganz gut beschrieben: Es war dieses ständige und aggressive Anlaufen der Gegner. Das, so Rouwen Hennings, hatte Thioune in der Pause wohl angeordnet. Und so funktionierte dann auch das Mittelfeld-Pressing, das in Hälfte 1 so ein bisschen die Achillesferse der Gäste darstellte. Den FCM-Keeper Reimann eines besonderen Pressings zu unterziehen, erwies sich rasch als sinnlos, denn der ist mit dem Fuß am Ball mindestens so gut wie unser Flo Kastenmeier, der sich zweimal auszeichnen konnte, dann aber eine recht ruhige Halbzeit verlebte.

Magdeburg vs F95: Minimales Handspiel bringt den Elfer (Screenshot Sky)

Früher als geplant (wenn es denn überhaupt geplant war) musste Jordy de Wijs, unsere holländische Kante, ins Spiel. Chris Klarer hatte sich gleich zweimal ohne gegnerische Einwirkung an der Hüfte wehgetan und musste raus. So ergab sich eine gute Gelegenheit, die beiden Innenverteidiger einmal zu vergleichen. Kompromisslos ist der Begriff, der am häufigsten auf Jordys Spielweise angewandt wird. Das bedeutet aber meistens, dass er die eroberten Bälle wegschlägt. Chris sucht dagegen jederzeit nach einer Chance, die Pille ins eigene Umschaltspiel zu bringen. Zusammen mit dem stabilen und intelligente Spiel von Hoffi Hoffmann stellt sich vor dem geistigen Auge des Ergebene eine fast ideale Dreierkette auf. Man wird sehen…

Magdeburg vs F95: Große Chance in Hälfte 1 (Screenshot Sky)

Denn zu einer Dreierkette gehören zwei Außenläufer, die in der Offensive und in der Defensive gleich gut sind, also die Drei zu einer Fünferkette ergänzen können, aber auch zur Grundlinie durchgehend und flanken können. Narey war so einer, Gavory ist es nicht. Kris Peterson, der spät noch reinkam, hat Schwächen in der Abwehr, Klaus müht sich defensiv mit Engagement, aber nicht immer auch Erfolg. Und trotzdem zeigt der gute Felix nun, dass und wie er der Mannschaft weiterhelfen kann – eine schöne Überraschung, ähnlich der, die uns Kownacki bereitet.

Magdeburg vs F95: Jubeltraube nach dem zweiten Tor (Screenshot Sky)

Den Schiri, der die von der DFL für die Liga neu verordnete Linie bestens vertrat, hat der Ergebene schon gelobt. Besonders gut, dass der Schwarzmann nicht auf die Kulisse hörte, denn die Magdeburger Anhänger sind berühmt dafür, immer lauthals Freistöße zu fordern, wenn einer der ihren irgendwie hinfällt. Das weiß auch Baris Atick, der in der 16. Minute versuchte einen Elfer zu ziehen und froh sein konnte, keine gelbe Karte wegen Schwalbe zu bekommen. Besser aber, dass Aarnink die Situation einfach weiterlaufen ließ. Insgesamt viermal musste er sich mit den Grottenolmen im Kölner Keller abstimmen. Beim nicht gegebenen Tor für F95 in der 26. Minute brauchte er deren Hilfe nicht, denn der gute Schuss von Felix Klaus wurde von Chris Klarer tatsächlich mit der Hand abgefälscht, bevor er in die Maschen rauschte.

Magdeburg vs F95: Feines Törchen zum 2:0 (Screenshot Sky)

Apropos Ecken: Da haben die Coaches in der Vorbereitung offensichtlich optimiert, denn alle drei Eckbälle brachten Gefahr für den Gegner. Knifflig für den Referee wurde es 38. Minute. Nachdem er nach einem Foul im Sechzehner an Kownacki auf den ominösen Punkt gezeigt hatte, meldeten sich die VARisten und schlugen vor, er möge doch mal nachschauen, ob es da vorher nicht ein Abseits gegeben hätte. Hatte es, wenn auch hauchdünn durch Tanaka. War also nichts mit einem Strafstoß. In der 42. Minute meldete sich der Keller erneut und machte Aarnink auf das mögliche Handspiel durch einen FCM-Verteidiger aufmerksam, das dieser nicht gesehen hatte. Mal ehrlich: Wer hatte das denn überhaupt gesehen? Der Verursacher, der schon zuvor an so ziemlich jedem Defensivversagen der Hausherren beteiligt war, konnte einem leidtun.

Magdeburg vs F95: Rouwen versenkt den Elfer (Screenshot Sky)

Jedenfalls gibt’s Elfer. Hennings gegen Reimann, also der Typ, der seine letzten elf Elfer immer eingelocht hat und über seine Karriere eine irre Strafstoßquote zu bieten hat. Später sagt Rouwen, dass ihm klargewesen sei, dass er das Ding flach und präzise machen musste. Genauso tut er es. Reimann ahnt die Ecke und fliegt flach nach links, wo Rouwens Schuss Millimeter neben dem Pfosten einschlägt; wäre Reimann zehn Zentimeter größer, er hätte den gehalten. Egal: Es steht überraschend und auch nicht wirklich gerecht 1:0 für die Fortuna. Die Halbzeitstatistik sieht übel aus: Die Passquote unterirdisch, die Zweikampfquote erbärmlich und der Ballbesitz lächerlich. Dafür aber haben die Männer in Rot mehr Kilometer abgespult als die Magdeburger.

Magdeburg vs F95: Gesprächskreise (Screenshot Sky)

Die Statistik wird sich auch zum Ende hin nur wenig, aber entscheidend ändern, denn bei Abpfiff hat F95 besonders bei den Zweikämpfen und – wie erwähnt – bei den Torschüssen massiv aufgeholt. Dass ein Team mit 62 Prozent Ballbesitz nicht automatisch gewinnt, ist inzwischen ein alter Hut, und Ballbesitzfußball ist kein Erfolgsrezept mehr, sondern nur noch ein taktisches Element. Viel wichtiger sind Balleroberungen, und die entstehen durch engagiertes Anlaufen des ballführenden Spielers, gern auch mal mit zwei oder gar drei Spielern. Das hat in den zweiten 45 Minuten ziemlich gut funktioniert. Auch wichtig, und das erfasst keine Statistik so richtig, sind die sogenannten “zweiten Bälle”, also die Bälle, die nach einem Zweikampf frei werden.

Magdeburg vs F95: Unsere Jungs vor dem weißen Block – mit Rot (Screenshot Sky)

Nein, die Art und Weise wie Thiounes Truppe gestern in Magdeburg gespielt und gewonnen hat, kann kein Rezept für den Rest der Saison sein, dafür werden die Partien viel zu unterschiedlich sein. So stellt sich jetzt schon die Frage, wie die Rotweißen am kommenden Freitag im ersten Heimspiel an- und auftreten werden. Wird wohl auch davon abhängen, wie Paderborn sich heute gegen den KSC schlägt.

Den Prognosewettbewerb aus dem Vorbericht hat dieses Mal der Bauch gewonnen, der ein 2:1 für die Rotweißen vorhergesagt hat. Allerdings tippte der auf einen dreckigen Sieg, und davon kann ja nun keine Rede sein. Am ehesten passt der Begriff “souverän”, wenn man von den ersten 20, 25 Minuten einmal absieht. Fortuna hat damit nicht nur drei Punkte eingefahren, sondern gezeigt, wie es in der gerade angefangenen Saison so abgehen wird beim Aufstiegskandidaten. Drei Mitfavoriten (Hannover, Darmstadt und Bielefeld) haben schon ihre Grenzen kennengelernt, und jetzt richtet sich der heutige Blick im Wesentlichen auf den HSV, der aber am Ende sowieso wieder Vierter wird.

 

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