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Los, DFL, Fangeld jetzt! Honorar für aktive Supporter gehört zum Geschäft

Ohne die Fans, die im Stadion für Stümmung sorgen, wäre der Fußball nicht mal halb so viel wert. Deshalb sollte die DFL endlich das Fangeld einführen.

Glosse · Jetzt mal Butter bei die Fische. Denken wir das Geschäftsmodell des Soccer Entertainment Business endlich richtig durch. Das Produkt der Branche ist das Fußballspiel, sofern eine Partie im TV oder Streaming publiziert wird. Denn der Zweck eines Fußballspiels ist es, Werbetreibenden Raum für ihre Reklame zu bieten. Schließlich lebt die Soccer-Industrie zu einem wesentlichen Teil davon. [Lesezeit ca. 5 min]

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Das Produkt “Fußballspiel” besteht aber nicht nur aus dem, was die Kicker auf dem Rasen treiben, sondern von dem, was Spochtrepochter gern abwertend “Kulisse” nennen. Richtig müsste es heißen: Zuschauende, bestenfalls noch Publikum. Und das ist in drei Gruppen unterteilt: Den Eventies, die einfach dabei sein wollen, weil es sich um ein Ereignis (Event) handelt, und Unterhaltung suchen, den Fußballfreund:innen, die Freude am Sport haben und unterschiedslos Partie verschiedenster Teams anschauen, sowie den Fans, die strikt zu einer Mannschaft halten und diese mit allerlei Aktionen unterstützen.

Herzerwärmende Pyro (Foto: TD)

Die Eventies sind die einzige Zielgruppe der Branche, die zu Recht dafür zu zahlen haben, dabei zu sein, schließlich sind sie eine Sonderform der Soccer-Konsumenten. Zum Produkt “Fußballspiel” tragen die Sportsfreunde ebenfalls wenig bei, sie füllen hat die Arena und stören nicht weiter. Weil sie aber auch kommen würden, wenn kein “Spektakel” (Achtung! TV-Kommentatorensprech!) droht, der Unterhaltungswert möglicherweise gering ist, sollten sie freien Eintritt haben.

Das sieht bei den aktiven Supportern, also den Menschen, die immer zu ihrem Club halten und sogar Auswärtsspiele besuchen, ganz anders aus. Ihre Rolle innerhalb des Produkts “Fußballspiel” ist es, für “Stümmung” zu sorgen, für die “Atmosphäre”, wie es die Sprechpuppen im Fernsehen nennen.

Exkurs: Reklame in Stadien
Man hat sich längst an die Werbebanden in den Stadien gewöhnt, und keiner fragt sich, wie es dazu gekommen ist. Angefangen mit Reklametafeln beim Sport hat es in der Formel Eins der Dreißiger Jahre, als an jeder Rennstrecke Automobilhersteller und Produzenten autobezogener Produkte (Reifen, Motorenöl, Benzin) für sich warben. Im Fußball gab es bis in die Nachkriegszeit nur sehr zarte Ansätze. Die Stadien in Rom, Mailand und Neapel waren die ersten, in denen Werbung für alkoholische Getränke, Zigaretten und andere Konsumprodukte zu sehen war, die richtete sich an die Anwesenden. In Deutschland wurde bis zum Start der Bundesliga – wenn überhaupt – für lokale oder regionale Firmen und ihre Produkte Reklame am Fußballplatz gemacht.

Wir haben es alle während der corona-bedingten Geisterspiele erlebt: Ohne aktive Fans funktionieren Fußballspiele nicht als Events – auch und besonders im TV nicht. Immer, wenn das Fernsehen unterhalten will, muss es Emotionen schüren. Das läuft über Bilder und Töne. Die müssen interessant und am besten aufregend wirken. Denn emotionalisierte Glotzer sind wehrloser gegen die Werbespots als solche, die das Ganze stoisch über sich ergehen lassen. Das wissen übrigens auch diese Menschen, die uns während einer Live-Übertragung ständig belabern – manchmal loben sie selbst die “schönen Bilder”, die bei einer Partie entstehen. Und wer erzeugt die? Genau… Gegen die authentische Stümmung kann der ganze Kommerzscheiß, der vor und nach dem Spiel im Stadion auf die Anwesenden ausgekippt wird, nicht anstinken.

Zwischen Mannschaft und Fans passt kein Blatt Papier

Die Freund:innen des getretenen Rundballs stört die Abwesenheit von Stümmung nicht weiter, die Eventies aber hält diese Tatsache ab. Die gucken sich so etwas nicht im TV an. Und langsam wird ein Schuh daraus. Soccer ist ein Teil der Unterhaltungsindustrie, und Unterhaltung dient dazu, eine Plattform für Reklame zu bieten. Gucken die Eventies nicht, fällt ein großer Teil der Werbezielgruppe weg. Fällt die weg, verkaufen die TV-Versender weniger Werbeplätze, und irgendwann können sie sich die absurd hohen Kosten für die Senderechte nicht mehr leisten, was dazu führt, dass die Soccer-Investoren weniger Umsätze machen und weniger Rendite realisieren – Soccer-Business kaputt.

F95 vs S04 – Aber die Choreo war Weltklasse…

Dass es schon durchschlägt, wenn die Fans wie während der Aktion 12:12 damals anno 2012 nur etwas mehr als zehn Minuten den bunten und lautstarken Support verweigern, haben die Werbefuzzis seinerzeit auch genau registriert. Die Anwesenheit engagierter Fans mit allem Drum und Dran ist also von immenser Bedeutung für das Überleben der Soccer-Industrie. Ja, die aktiven Supporter sind definitiv ein Teil der Wertschöpfungskette dieser Branche. Verrückt aber, dass die Teams diesen Menschen, ohne die der Fußball nicht wäre, was er ist, auch noch Geld dafür abknöpfen, dass sie kommen.

Exkurs: Das Privatfernsehen ist schuld
Nein, dass Firmen Fernsehen betreiben dürfen, ist nicht gottgewollt, sondern das Ergebnis der “geistig-moralischen Wende” des Ex-Bundeskanzlers Helmut Kohl. Denn das war in Wahrheit eine Wende weg von der sozialen Marktwirtschaft hin zum Wirtschaftsliberalismus wie ihn Ronald Reagan in den USA und Margret Thatcher in Großbritannien vorexerziert hatten. Sinn und Zweck dieses turbokapitalistischen Systems ist es, Investoren den Weg zu öffnen, Profit aus Branchen zu ziehen, die zuvor zur staatlichen Infrastruktur zählten – so eben auch bei Rundfunk und Fernsehen. Das Geschäftsmodell der Privatversender ist einfach: Sie leben von den Werbeeinnahmen. Um die gewünschten Reichweiten zu erzielen, müssen sie ein Programm für maximale Quoten machen, also den Massengeschmack bedienen. Früh haben RTL & Co. entdeckt, dass die Quoten rund um den Fußball im TV wunderbar sind, und damit begann das Rennen um die Senderechte.

Es ist an der Zeit, die Arbeit der Supporter angemessen zu honorieren! Heißt: Nicht die Fans müssen Eintritt zahlen, nein, sie bekommen eine Honorar dafür, dass sie anwesend sind und anfeuern. Die Frage ist nur: Wer zahlt? Schaut man sich die bereits erwähnte Wertschöpfungskette genau an, gibt es nur eine Instanz, die infrage kommt: die DFL. Sie ist die Organisation, die das Geld für die Übertragungsrechte einzieht, also von den TV-Versendern dafür bezahlt wird, dass sie Werbetreibenden im Umfeld der Bundesligen bei Fernsehübertragungen Platz für ihre Reklame bietet. Die DFL verteilt diese Einnahmen – nebenbei bemerkt ausgesprochen ungerecht und im Sinne des Produkts kontraproduktiv.

F95 vs Ingolstadt: Gänsehaut – endlich mal wieder eine Choreo… (Foto: PS für TD)

Organisieren ließe sich das leicht. Wer offizieller Honorar-Supporter eines Teams werden will, bewirbt sich beim jeweiligen Franchise darum. In Fanclubs organisierte Personen durchlaufen ein einfaches Verfahren, Stehplatzdauerkartenbesitzer und Inhaber von Auswärtsdauerkarten auch. Alle anderen werden per Casting akzeptiert oder abgelehnt. Jeder offizielle Honorar-Supporter, unabhängig davon, welches Team er:sie unterstützt, schließt dann einen Vertrag mit der DFL ab, in dem die Rechte und Pflichten definiert und das Basishonorar pro Spiel vereinbart wird.

Bei jeder Partie muss sich ein Honorar-Supporter registrieren, um sein Fangeld kassieren zu können. Die Qualität des Supports während einer Begegnung wird objektiv gemessen (Lautstärke, Farbigkeit, Intensität, Emotionalität etc.). Der sich ergebene Wert entscheidet darüber, wie viel Geld in den Topf einer Partie zur Verteilung an die Honorar-Supporter fließt. Je nach erreichter TV-Quote (gilt natürlich nur für Live-Übertragungen) werden Boni gewährt. Fahrtkosten werden nach Vorlage von Belegen gezahlt, die Höhe der jeweiligen Verpflegungspauschale richtet sich nach den Preisen im Stadion.

F95 vs Kiel 1:1 – Das mit den Fähnchen und ein Platzstürmchen

Dieses System würde garantieren, dass immer und überall – sogar bei Fortuna Köln oder in Leipzig – optimaler Support geboten würde. Der lockt einerseits die Eventies an, wovon die Franchises qua Tickets unmittelbar profitieren, und sorgt für wachsende TV-Zuschauerzahlen, also bessere Quoten, höhere Reichweiten, verbesserte Werbeeinnahmen und letztlich viel teurere Senderechte. So haben alle was davon.

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