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Winter 2022/23: Nein, wir brauchen keine Neuzugänge. Es sei denn…

Da sind sie, unsere Jungs - hier vorm Anpfiff im Spiel gegen Regensburg (Foto: TD)

Da sind sie, unsere Jungs - hier vorm Anpfiff im Spiel gegen Regensburg (Foto: TD)

Die Uhr tickt: Am 31. Januar um 23:59 schließt sich das Wintertransferfenster – aber das kann unserer Fortuna (fast) egal sein.

Meinung · Es ist ja einer dieser (Achtung! Moderner-Fußball-Jargon!) „Mechanismen des Geschäfts“, dass jedes Jahr, wenn’s kalt ist, alle gebannt ins Wintertransferfenster starren. Das gilt nicht nur für Spochtrepochter und die von ihnen aufgehetzte Fan-Meute, sondern selbst für fachfremde Medien. Traditionell wird immer noch von „Verstärkungen“ gesprochen, wenn es um die Neuverpflichtung eines oder mehrerer Spieler in der Winterpause geht. Das ist eine altmodische Sichtweise, die den modernen Maßnahmen der Kaderplanung ziemlich widerspricht. [Lesezeit ca. 7 min]

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Wer sich den ganzen allgemeinen und historischen Quatsch sparen will, kann die ganze Vorrede sparen und gleich zum Abschnitt springen, der sich mit[ Fortuna befasst.]

Albert Görtz – Fortuna-Torhüter-Legende der 60er (Foto via kelocks-autogramme.de)
Früher, ja, gaaanz früher, da war Kaderplanung (die es eigentlich gar nicht gab) noch simpel: Elf Freunde mussten es sein plus eine Auswahl an Ersatzspielern. Der Ergebene erinnert sich sogar noch an Zeiten, als es keine Auswechslungen gab, besonders an eine Partie im alten Rheinstadion, bei der sich Torwart Albert Görtz bei einem Zusammenprall schwer verletzte und minutenlang draußen behandelt wurde. Da hatte sich ein F95-Kollege (wer es war, ist mir entfallen) mal eben ein Keeper-Leibchen übergezogen, sich beim Schiri gemeldet und dann als Tormann den Kasten sauber gehalten.

Übrigens: In der Spielzeit, in der dies passierte (es dürfte sich um die Saison 1964/65 gehandelt haben), umfasste der Kader der Regionalligamannschaft (die zweite Bundesliga gab’s noch nicht) genau 18 Mann. Musste reichen und reichte dann auch für den dritten Platz in der Regionalliga West, der leider nicht für den Aufstieg reichte, der kam erst ein Jahr später. Dass Spieler von einem zum anderen Verein wechselten, war damals noch nicht der Normalfall, sondern oft ein vieldiskutiertes Ereignis, das es übrigens vor der Gründung der ersten Bundesliga äußerst selten gab.

Fortuna gucken vom Schwimmbad aus in den 70ern (Foto: privat)

Alles änderte sich, das wissen wir, mit der Bosman-Entscheidung von 1995, bei der es um etwas ganz anderes ging, die aber das Transferwesen grundlegend änderte, weil es den Profis unter anderem mehr Selbstbestimmung einbrachte. Die führte dann innerhalb weniger Jahre zu dem System, das wir heute kennen und für normal halten. Vereine schließen, natürlich unter provisionsbelohnter Mithilfe sogenannter „Berater“ (die früher einfach „Spielervermittler“ hießen), mit einem Profi einen Vertrag mit fester Laufzeit. Am Ende der Laufzeit ist der Kicker dann berechtigt, den Club nach seinem Gusto zu wechseln.

Will aber ein anderer Verein genau diesen Mann vor dem Ende der Vertragslaufzeit haben, muss er an den abgebenden Club eine Summe Geldes als sogenannte „Ablöse“ zahlen. Über die Jahre haben gutbezahlte findig-windige Juristen allerlei Sonderklauseln für solche Verträge entwickelt, die beispielsweise eine automatische Vertragsverlängerung auslösen, wenn der Spieler eine bestimmte Anzahl Partien in der Saison bestritten hat.

Nicolas Gavory: kam im Wintertransferfenster 2021/22 (Screenshot: Sky)

Noch relativ jung ist die Erfindung des „Transferfensters“. Um wildes Wechseln von begehrten Kickern zwischen Vereinen während der Saison, gern auch mehrmals, zu verhindern, hat die weise FIFA in den Neunzigern bestimmt, dass es genau zwei Wechselperioden pro Jahr mit einer Länge von zwölf Wochen zwischen zwei Spielzeiten und vier Wochen zu Beginn der Rückrunde geben soll. Die Kontinentalverbände haben dem zugestimmt, auch weil ein Ablehnen der Regel mit Strafe bedroht war. Die UEFA hatte, angeregt durch Regelungen im englischen Fußball schon an eine ähnliche Sache gedacht und stimmte zu. In den meisten Landesverbänden der UEFA gilt bis runter zu den Vertragsamateuren ein Sommer- (vom 1. Juli bis zum 31. August) und ein Winterfenster (vom 1. bis zum 31. Januar). Nur wer innerhalb einer dieser Wechselperioden von einem zum anderen Club geht, bekommt die entsprechende Spielberechtigung.

Seit gut einem Dutzend Jahre hat es sich in den deutschen Bundesligen eingebürgert, den jeweiligen Kader zum Ende der Rückrunde einer sorgfältigen Analyse zu unterziehen, um zu ermitteln, welche Spieler man auf dem sogenannten „Markt“ anbieten, also abgeben möchte, und für welche Positionen man sich Ergänzungen oder eben Verstärkungen wünscht. Eher selten ist der Fall, dass ein Verein schon länger scharf auf einen ganz bestimmten Kicker ist. Meist ist es heute so, dass der Kader als eine Art Maschinerie betrachtet wird. Die Kicker sind quasi die Rädchen, die zu Baugruppen zusammengestellt werden.

Altmodischer Taktikblock aus Papier (Foto: 1x1sport.com)
Da gibt es Rädchen, die das Trainer-Team samt Sportdirektor und wer sonst sportlich was zu sagen hat, für unverzichtbar halten. Dann finden sich gleichwertige Elemente, bei denen noch nicht klar ist, welches eher in Richtung Startelf tendiert. Und schließlich sind da die Ersatzteile. Denn dass Fußballer sich manchmal bös wehtun und dann für Wochen oder gar Monate ausfallen, passiert leider sehr oft. Wir haben das bei der Fortuna ja im letzten Herbst leidvoll erfahren.

Übrigens: Die reichen Vereine bauen regelrechte Schattenmannschaften auf, also Elfergruppen, die im Prinzip anstelle der nominellen Startelf erfolgreich antreten könnten. Und in England geht der Trend zur Dritt- und Viertmannschaft, wobei überzählige Spieler (der Umfang eines Kader ist durch Regeln begrenzt) in Farmteams zwischengelagert oder verliehen werden.

Ende der Vorrede

Dies als lange Vorrede, die beleuchten soll, wie es um die Fortuna im noch geöffneten Wintertransferfenster steht. Der aktuelle Kader der ersten Mannschaft umfasst 21 Kollegen, die im Laufe der Hinrunde um vier U-Spieler ergänzt wurden. Trainer Thioune, Sportvorstand Allofs und Sportdirektor Weber haben in den letzten Wochen sehr offen über mögliche Schwächen des Kaders gesprochen. Außerdem wurden bereits Entscheidungen bekanntgegeben – zum Beispiel die, dass Dennis Gorka nun ganz offiziell die Nummer 2 unter den Torleuten ist.

Nana Ampomah, ein trauriger Fall (Screenshot: goal.be)

Außerdem wird die Vertragsauflösung mit Nana Ampomah angestrebt. Dieser hochbegabte Junge zersägt gerade methodisch seine Fußballkarriere, weil er es einfach nicht dauerhaft auf die Kette kriegt, sich durchweg professionell zu verhalten. Da wird F95 also das Restgehalt sparen, kann aber die 2,8 Mio Euro, die man seinerzeit als Ablöse an Beveren gezahlt hat, final abschreiben.

Anders liegt der Fall bei Kudschu Baah. Da streben Weber & Co. das vorzeitige Leihende an, denn der Junge findet einfach nicht hinein in den Fortuna-Kosmos. Verrückt genug, dass Watford (denen Kudschu gehört) dem Vernehmen nach keinen Plan hat, was man mit ihm anstellen soll. Das lässt vermuten, dass die Fortuna von den 500.000 Euro Leihgebühr auch bei vorzeitigem Ende nichts zurückkriegt.

Dawid Kownacki: Nie war er so wertvoll wie heute… (Screenshot: Sky)

Der vorzeitige Wechsel von Dawid Kownacki ist noch nicht ganz vom Tisch. Andererseits ist aktuell wohl kein Verein – es soll Interesse aus Polen, Griechenland und der Bundesliga gegeben haben – bereit, auch nur eine Puseratze Ablöse zu zahlen. Die warten lieber darauf, dass der gute Dawid im Sommer für lau wechselt. Das Hauptproblem scheint aber zu sein, dass er sich in Bezug auf die Höhe seiner Vergütung ganz schön überschätzt. Das riecht danach, dass er nicht in einer der wichtigen Ligen wechselt, sondern irgendwohin, wo es Mäzene oder Investoren gibt, die sich so einen leisten wollen (und können). Auch wenn es der Ergebene nicht glauben mag: Stimmchen flüstern, dass Dawid doch bei der Fortuna bleiben würde, wenn die Diva am Ende der Saison aufsteigt…

Wie ja überhaupt der immer noch mögliche Aufstieg jetzt schon Einfluss auf die Kaderplanung hat, weil im Falle des Falles einfach mehr Kohle da wäre. Tatsächlich soll schon an zwei verschiedenen Budgets für die kommende Spielzeit gearbeitet werden. Denn klar ist, dass die sogenannten „Leistungsträger“ in der ersten Liga deutlich besser entlohnt werden wollen. Und womit? Mit Recht.

Daniel Ginczek hat Streit (Screenshot: Sky)

Nachdem eine hiesige Boulevardzeitung das blöde Gerücht namens „Max Kruse“ dieser Tage noch einmal aufgekocht hat, hat Klaus Allofs klargestellt, dass es aktuell keinen Bedarf für einen zentral agierenden Stürmer, in diesem Fall eine „hängende Spitze“ gibt. Punkt. Immerhin vier unterschiedlich disponierte Kerle tummeln sich ganz vorne. Bisher der Wertvollste war der bereits erwähnte Herr Kownacki. In seiner möglicherweise letzten aktiven Saison zählt auch Rouwen Hennings zu den potenziellen Knipsern. Unterschiedlicher können zwei Spitzen kaum sein. Da ähnelt der wiedergenesene Daniel Ginczek mehr dem Rouwen, weil auch er als Wandspieler agieren kann, kommt dabei allerdings eher von rechts und kann auch als hängende Spitze spielen. Nicht zu vergessen natürlich unseren Emma Iyoha, der die bislang beste Halbsaison seiner Karriere spielt.

Ein Hauptthema rund um mögliche Verpflichtungen im Winter war die Füßigkeit. Tatsächlich herrscht im aktuellen Kader derzeit ein Mangel an Jungs, die vorwiegend mit der linken Pfote kicken. Da haben wir den inzwischen schmerzlich vermissten Nicolas Gavory, der in einer Viererkettensystematik momentan durch Michal Karbownik (Rechtsfüßler) ersetzt wird. Als linker Außenverteidiger mit passendem Fuß steht auch Benjamin Böckle im Kader, der aber bislang noch nicht so richtig auf sich hat aufmerksam machen können. Im Mittelfeld steht Jorrit Hendrix als Linksfuß bereit, sein Kumpel Jordy de Wijs nutzt ebenfalls diese Quante. Na ja, dass unser oller Rouwen ein Linksfuß ist, dürfte allgemein bekannt sein.

Klassischer Rechtsfüßler (Foto: pixabay.com)

Das war’s dann aber auch schon. Wobei man ja auch sagen muss, dass Fußballprofis heutzutage in der Regel ZWEI Füße haben und sich die Füßigkeit darauf bezieht, mit welchem Fuß sie es besser können. Und trotzdem: Sowohl beim ollen 4-3-3 bzw. 4-3-1-2 als auch beim 3-5-2 werden auf BEIDEN Außenbahnen Leute gebraucht, die an der Linie entlang düsen können, gern bis zur Grundlinie, um von da in den Sechzehner zu flanken. Das können Linksfüßler von der linken Seite eben am besten. Insofern: Ja, würde sich ein Schienenspieler mit starkem linkem Fuß für kleines Geld finden, könnte der zur Verstärkung werden.

Besonders durch die rasante Vorwärtsentwicklung unseres Elo Fernandes herrscht im Mittelfeld beinahe ein Überangebot. Nominell werden hier zunächst Cello Sobottka, Jorrit Hendrix, Ao Tanaka, Shinta Appelkamp, der erwähnte Elo und – nicht zu vergessen – Daniel Bunk verortet. Je nach Ausformung des Systems werden aber nur drei oder vier Mann in dieser Zone gebraucht. Da sie alle ihre besonderen Qualitäten haben und bleiben werden, wäre die Verpflichtung eines weiteren Kollegen sinnlos.

Elo Fernandes im Spiel beim KSC (Screenshot: Sky)

Auch in der Abwehr hat Trainer Thioune des Öfteren die Qual der Wahl. Vor allem, wenn Käpt’n Hoffmann wieder voll fit ist. Er hat sich dann bei den Innenverteidigern (von denen er im 3-5-2 drei, im 4-3-3 zwei braucht) zwischen Jordy de Wijs, Chris Klarer, Andre Hoffmann und auch Tim Oberdorf zu entscheiden. Da muss nicht noch einer dazukommen. Interessant die Situation rund um Zimbo Zimmermann, der ja Ambitionen in Richtung Mittelfeld hat und sogar als echter Außenstürmer vorstellbar ist. Wird der bei einer Vierer-Konstellation weiter vorne gebraucht, steht mit Taka Ushino ein gleichwertiger Ersatz als AV bereit.

Es sei denn…

Dass sich noch vor dem Spiel am Freitag gegen Magdeburg noch etwas tut, ist sehr, sehr unwahrscheinlich. Und übers Wochenende wohl auch nicht. Dann bleiben ja auch nur noch zwei Tage, in denen wasserdichte Verträge gebastelt und unterschrieben werden müssen. Euer zutiefst ergebene F95-Berichterstatter sagt voraus, dass Klaus Allofs und Christian Weber keine Neuverpflichtungen vermelden werden. Es sei denn, es fände sich noch ein begabter und/oder erfahrener Linksfuß als Schienenspieler für die Außenbahn.

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