In einer außergewöhnlichen Begegnung holte die mentalstarke Fortuna gegen den Club nach 0:3-Rückstand noch das 3:3-Unentschieden.
Bericht · Ja, verdammt: Emotionen! Es ist lange her, dass der 41er dermaßen ausgeflippt ist. Da war bei den Toren 2 und 3 nicht nur jede Menge Bier in der Luft. Da sprangen Männer jenseits der 50 im Block unkontrolliert auf andere, und der rückenkranke Ergebene hatte Angst um seine Wirbelsäule. Alles gut gegangen, aber wer weiß, wie die Sache eskaliert wäre, hätte Myron van Brederode kurz vor Schluss noch die Siegbude in die Maschen der Rostbratwürstchen gehauen. Und doch muss euer von Herzen ergebener F95-Analyst in diesem Bericht lang und viel über die taktischen Gegebenheiten der Partie philosophieren. Denn es gab eben nicht nur zwei grundverschiedene Halbzeiten, sondern nach 45 Minuten mit völlig misslungenem Spielplan eine Wende, die sich unsere Coaches an die Kragen heften können. Und, nein, es waren nicht nur die mutigen Wechsel. Es war eine brillante Systemumstellung, die den Sturm der Fortunen gegen zunehmend hilflose Nürnberger entfesselte. [Lesezeit ca. 9 min]
Beide Seiten läuteten den Kampf um den Relegationsplatz mit brennenden Choreos ein. Wobei sich der Ergebene angesichts der Raketen aus dem Ultra-Block fragte: Ja, ist denn schon wieder Silvester? Klar, dass es die gesamte Spieldauer über dort brannte und qualmte: Unsere Intensivfans müssen ja schließlich vor Saisonende noch die Pyro-Lager freiräumen, um Platz für Material für die kommenden Saison zu schaffen. Selbst im 160er wurde gequalmt, und auf der Rückfahrt mit der Bahn hatten auch Leute, die keine Kippen konsumieren, erheblichen Raucherhusten. Aber schön sah’s doch aus. Auch wenn sich manche, die sich mit dem DFB-Strafenkatalog auskennen, ausriefen: Was das wieder kostet! Thema für eine andere Diskussion…
Dummerweise hatte auch der Ergebene in seinem Vorbericht in Sachen Aufstellung die Frage in den Mittelpunkt gestellt, ob Dawid Kownacki würde spielen können. Am Ende stellte sich heraus, dass der nicht ganz fitte Dawid für das Treiben der Fortunen eher eine Belastung war. Dass dann aber der in der 64. Minute eingewechselte Danny Schmidt (dem der Ergebene seine Buden aber sowas von gönnt…) als Mittelstürmer die Partie drehen würde, war nicht wirklich zu erwarten.
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So sah die Startelf eher wenig überraschend aus. Bis auf Kownacki standen die Unverletzten auf dem Platz; Myron van Brederode war nach seiner Rotsperre wieder an Bord. Die Dreierkette – wie gewohnt: Hoffmann, Oberdorf, Siebert. Davor Haag und Heyer sowie auf den Flügeln Zimmermann und Gavory. Hinter Kownacki als Spitze dann Jóhannesson und eben van Brederode. Überraschend aber der Thioune’sche Matchplan und die sich daraus ergebende Systematik. Am ehesten war es ein 3-4-2-1 mit Doppelsechs (Haag defensiv, Heyer offensiv) zwei Schienenspielern (Zimmermann rechts, Gavory links), einem Zehner (Jóhannesson) und einem flexiblen Außenstürmer mit Präferenz des linken Flügels (van Brederode). Mit dieser Konstruktion hätte die Fortuna so ähnlich spielen können wie in Paderborn und Elversberg, also sehr defensiv.
Aber Thioune, Stefes und Hoepner hatten anderes im Sinn und legten es offensichtlich darauf an, Miro Klose und seine Glubberer zu überraschen. So hoch standen die Rotweißen schon lange nicht mehr. Und weil Tim Oberdorf – nominell am rechten Ende der Dreierkette postiert – ständig auf der Schiene lief, ließ sich Gio Haag als zentraler IV immer wieder zurückfallen; manchmal sah das aus, als gäbe es einen „Libero“ á la Adam Bodzek, der oft so eingesetzt wurde. Das Experiment mit Oberdorf und Zimmermann auf dem rechten Flügel ging total in die Hose, weil beide zu wenig Dampf draufhatten. Links sah es mit Nico Gavory und Myron van Brederode besser aus.
Und tatsächlich setzten die Männer mit dem F95 über dem Herzen ihren Gegner in der ersten Viertelstunde gehörig unter Druck. Bis zur 16 Minute verzeichnete die Statistik bereits sechs Torschüsse, wobei die fast immer aus Flanken entstanden; die schlugen van Brederode von links und Oberdorf von rechts. Wären Heyer und Jóhannesson ein bisschen öfter am oder im gegnerischen Sechzehner bereitgestanden, wäre die Torgefahr sicher gestiegen.
Ob die Würstchen von diesem Ansatz überrascht waren, lässt sich nicht sagen. Könnte gut sein, dass sie auch so vor allem auf Konter gesetzt hätten – die passenden Kicker für das schnelle Umschaltspiel hatten sie an Bord; bei dreien von ihnen konnte man Geschwindigkeit und Ballsicherheit nur bewundern. Aber es wurde deutlich, dass in Kloses Team ein ziemliches Talentgefälle herrscht. Denn bei der Verteidigung des eigenen Strafraums taten sich deren Defensivlingen vor allem kämpferisch hervor – im Spielaufbau kam da wenig von hinten.
Nun ist bekannt, dass die aktuelle Fortuna in Summe nicht zu den schnellsten Mannschaften der Liga zählt. Und das wirkt gerade bei gegnerischen Kontern fatal. So in der 19. Minute, als noch lange nicht alle zuständigen Fortunen wieder am eigenen Strafraum eingetroffen waren. Und wer da war, stand ungünstig. Der Schuss war nicht sonderlich hart, Keeper Kastenmeier ließ das Ei nach vorne rechte abprallen, direkt vor die Füße eines Nürnbergers, der wenig Mühe hatte, einzulochen. Treppenwitz der Taktik: Das 0:1 fiel nur eine Minute nachdem die Roten einen Konter gefahren hatten. Myron van Brederode ging steil, Ísak Jóhannesson ging mit. Myron spielt Ísak in den Lauf, der dringt in die Box ein. Und kurz bevor er die Bude machen kann, grätscht ihn ein Clubberer perfekt und fair weg.
Sagen wir es, wie es ist: Das war ein Torwartfehler. Haben wir bei Florian Kastenmeier in dieser Saison nur selten gesehen. Kommt vor. Kein Grund, den Mann zu beschimpfen, der uns so oft den Arsch gerettet hat. Blöd nur, dass auch das 0:2 teilweise auf seine Kappe ging. Eigentlich war die Halbzeit inklusive Nachspielzeit schon durch. Fortuna mümmelte um den Club-Sechzehner herum. Kownacki kriegt außen die Pille und will irgendwie in die Mitte passen. Fehlpass wird abgefangen. Ball nach vorne auf einen rennenden Nürnberger. Und da steht Kastenmeier gut 40 Meter vor seiner Kiste. Der Glubberer rennt auf ihn zu, Kaste zögert, läuft dann rückwärts, zögert erneut, entscheidet sich anders und will den Stürmer angreifen. Da ist es dann aber schon zu spät – der FCN-Mann schießt sanft aus 25 Metern Entfernung aufs leere Tor … 0:2 Sekunden vor dem Pausenpfiff.
Was macht der da so weit vor dem Tor in einer solchen Situation? Wartet auf den Pausenpfiff? Macht allein die Restverteidigung? Die Hütte geht auch auf sein Konto. Wobei spätestens jetzt Thioune & Co. erkennen mussten, das ihr Matchplan voll in die Hose ging. Was würden sie ändern?
Finde den Fehler: Menschen machen Fehler. Schreiber:innen sind Menschen, machen also Fehler. Und Schreiber ohne großes Team hinter sich – wie der Ergebene – machen natürlich auch Fehler. Deshalb unsere Bitte an alle: Wer einen Fehler im Text entdeckt, meldet ihn uns auf einem der bekannten Wege – z.B. per Mail an kontakt@fortuna-punkte.de oder über das Kontaktformular. Wir versprechen, falls wirklich etwas Falsches im Beitrag stand, bedanken wir uns nicht nur, sondern korrigieren es umgehend. Schönen Dank im Voraus!
Na ja, die erste Änderung verstanden die Experten im Block zunächst nicht, denn für Käpt’n Hoffmann, der bereits Gelb gesehen hatte, kam … tä-tää! Shinta Appelkamp. Das war ja nun in keinster Weise ein positionsgetreuer Wechsel und zog zwangsläufig eine Systemumstellung mit sich. Nun spielte Gio Haag tatsächlich den zentralen Innenverteidiger, und Tim Oberdorf musste nicht mehr die Schiene machen. Shinta selbst übernahm eine Aufgabe irgendwo zwischen offensivem Sechser und Achter, was wiederum Ísak Jóhannesson entlastete, der sich auf seinen Job als Zehner konzentrieren konnte. Zimbo Zimmermann übernahm jetzt den rechten Flügel vollverantwortlich und musste nicht mehr nach hinten arbeiten.
Auch Mo Heyer wurde auf diese Weise entlastet und kooperierte jetzt mit Shinta und Ísak, sodass ein starkes und flexibles Mittelfeldtrio entstand. So ganz schnell wirkte sich dieser Wechsel (ungewöhnlich, dass in der Pause getauscht wurde) nicht aus, außer dass die Fortunen jetzt nicht mehr ganz so hoch standen und die Restverteidigung anders organisiert war. Immerhin wussten die Mannen von Miro Klose mit der neuen Systematik zunächst nicht viel anzufangen. Und so musste wieder ein – dieses Mal haarsträubender – individueller Fehler herhalten, um den Nürnberger die dritte Bude zu bescheren.
60. Minute. Shinta Appelkamp erobert das Ei und will in die Mitte zu Jamil Siebert legen, damit der das Spiel aufbauen kann. Jamil sieht die Kugel herankullern. Zögert. Überlegt. Friert kurz ein. Ein Gegner geht dazwischen und erobert den Ball mühelos. Die vier Fortunen im Sechzehner sind verwirrt. Tiefenpass, Schuss, Nachschuss, Tor.
0:3 – der Fisch schien geschuppt, die Chance auf Eroberung des dritten Tabellenplatzes schien vertan. Die Stimmung auf der Süd war im Keller, Depressionen und Ratlosigkeit machten sich breit. Später las der Ergebene in den sogenannten „sozialen“ Medien, dass massenhaft TV-Glotzer, die zur Fortuna halten, ihre Empfänger ausschalteten, und bei einigen Retortenclubs hätten sicher etliche Eventies bereits das Stadion verlassen. Seien wir ehrlich: Der durchgehende Support der Ultras fand in dieser Phase nicht mehr viel Rückhalt auf den übrigens Plätzen. Dieser dritte Gegentreffer war so überflüssig wie ein Glas K**schbier.
Was sollte noch kommen? Ehrentreffer? Ergebniskosmetik? Immerhin sah jeder, der fußballaffine Augen hatte, dass die Fortuna tatsächlich am Drücker war und dass der 1. FC Nürnberg mit dem veränderten System nicht wirklich klarkam. Aber es musste zwei weitere Einwechslungen geben, um die Ansätze in Tore ummünzen zu können. In der 64. Minute kamen Emma Iyoha (für Mo Heyer) und Danny Schmidt (für den form- und wirkungslosen Dawid Kownacki). Emma übernahm den rechten Flügel als waschechter Außenstürmer, was Zimmermann endlich einen Partner gab – so wie er damals im Jahr 2024 und davor immer mit Felix Klaus einen treuen Partner hatte. Danny Schmidt ging dagegen in die Spitze und interpretierte diese Aufgabe völlig anders als Dawid Kownacki.
Der hatte, wie immer, wenn er die einzige Spitze darstellt, sich als klassischer Wandstürmer eingestellt, was aber bei nur einer Spitze wenig sinnvoll ist. Sagen wir es mal rundheraus: So wertvoll der Dawid als Torschütze ist, so deutlich werden seine Mängel im taktischen Verständnis immer wieder sichtbar. Wenn er versucht, sich von seiner Position zu lösen, tut er es so, dass seine Mitspieler nicht mehr wissen, was sie mit ihm anfangen sollen.
Auch an Myron van Brederode muss der Ergebene Kritik äußern. Ja, der ist ein Dribbler vor dem Herrn, aber ständig in Zweikämpfe zu gehen, an denen drei Gegner mitmachen, ist nicht sinnvoll, da dribbelt er sich immer wieder fest. Und manchmal, gerade in Strafraumnähe, wäre ein schneller Pass besser als ein weiteres Eins-zu-Eins. Und weil er auch besonders leicht zu frustrieren ist, war mit ihm in der zweiten Halbzeit kaum noch was anzufangen; für ihn Jona Niemiec zu bringen, wäre sicher ratsam gewesen. Emma und Jona hätten dann die Seiten tauschen können, was den Gegner vielleicht verwirrt hätte.
Moment, jetzt ist doch Danny Schmidt auf dem Platz – was macht der denn so? Der steht da, wo ein Mittelstürmer zu stehen hat. Vier Anläufe braucht es bis zum 1:3. Ja, jetzt ist Shinta da, der Mann für die guten Ecken. Der schießt eine von links. Kommt wieder zurück ihm. Weite Bogenlampe auf Tim Oberdorf, der in Richtung Tor köpft. Abgewehrt. Ball landet wieder draußen bei Shinta, der schießt. Abgewehrt. Zimmermann zieht am Fünfer ab. Abgewehrt. Das Ei kommt rüber zu Oberdorf, der das Ding im Liegen von der Linie kratzt und in die Mitte. Und da ist er, der Danny, der Schmidt, und hält die Rübe rein. Anschlusstreffer!
Die Feierlichkeiten auf der Süd gestalten sich noch ein bisschen verhalten. Aber die ersten Superoptimisten raunen schon: Da geht noch was. Und liegen richtig. Nur drei Minuten später. Es spielt nur noch die Fortuna. Der Club scheint ratlos. Ein Umschaltversuch endet im Abseits, ein anderer mit Ísak Jóhannesson. Zweikämpfe werden gewonnen, zweit Bälle erobert, Pässe passen nun. Dummes Foul an Emma auf Höhe des Sechzehner ganz außen. Shinta am Freistoß, sieben Rote im und am Strafraum. Der geht prima quer zum Fünfereck. Kopfball Jamil, an den Pfosten. Danny steht da usw. und hämmert die Kugel in die Maschen – nur noch 2:3!
Es ist der Moment, in dem ALLE auf der Südtribüne und im Oberrang darüber sowie fast hundert Prozent des sonstigen Publikums ausrasten. Und plötzlich wird klar, dass die glorreiche Fortuna mit ihrer mentalen Stärke mindestens den Ausgleich machen kann, ja, machen wird. Es dauert dann aber doch bis 78. Minute. Schon fast der Ausgleich, aber der Keeper hält. Wirft ab. Shinta Appelkamp erobert die Pille, geht ein paar Schritte, visiert, hämmert, ein Bogen und – bämms – in den oberen langen Winkel. Ein Traumtor. Und – machen wir es kurz – schon jetzt sind Danny Schmidt (2 Treffer) und Shinta Appelkamp (2 Vorlagen, 1 Treffer) die Männer des Spiels.
Aber es sind ja noch mindestens 12 Minuten zu spielen (nicht „zu gehen“, wie verblödete Spochtrepochter gern sagen). Und die Weißen aus Nürnberg scheinen, zumindest mental, am Ende.
Am Ende stehen alle statistischen Werte zugunsten der glorreichen Fortuna. Am Ende darf aber auch ein Hauch Enttäuschung stehen, denn mit einem möglichen 4:3 wären die Roten eben auf dem Relegationsplatz gelandet, und zwar, weil die Kontrahenten alle auch nur Remis gespielt haben. Eine Chance wurde vertan. Und trotzdem ist immer noch alles drin in den letzten drei Spielen: ein Auswärtssieg in Braunschweig, ein Heimsieg gegen Schalke, und die Partie in Magdeburg würde zum Entscheidungsspiel. Und wenn’s nicht so kommt, dann ist es eben so. Wir Fortuna-Fans haben schon Schlimmeres erlebt – zum Beispiel im Mai 2024…
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