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Sven Mislintat: Radikaler Neuanfang mit dem neuen Sportvorstand?

Vorstellung von Sven Mislintat (Screenshot F95.tv)

Vorstellung von Sven Mislintat (Screenshot F95.tv)

Fortuna hat einen neuen Sportvorstand. Mit Sven Mislintat könnte es zu einem radikalen Neuanfang kommen – nicht nur sportlich.

Meinung · Bevor es hier um Sven Mislintat geht, muss auch der Ergebene etwas zu Klaus Allofs und Chris Weber schreiben. Und zwar das Positive. Anfang 2021 war das „Kläuschen“ (Der Ergebene als der Ältere darf ihn ja wohl so nennen.) der richtige Mann am richtigen Platz. Mit seinem Eintritt als Vorstand für Sport & Kommunikation endete die Ära des ewigen Uwe Klein, der zur sportlichen Entwicklung der Fortuna spätestens nach der von ihm betriebenen Entlassung von Trainer Uwe Rösler und der Verpflichtung des notorisch erfolglosen Christian Preußer nichts mehr beizutragen hatte. Treppenwitz übrigens, dass UK und Sven Mislintat gut befreundet sind. Ob die Einstellung von Daniel Thioune als Retter der abstiegsbedrohten Mannschaft schon auf Allofs‘ Konto ging, ist unklar. Jedenfalls ging’s mit ihm wieder aufwärts. Auch weil ihm im Verbund mit Sportdirektor Chris Weber einige höchst erfolgreiche Spielereinkäufe (u.a. Felix Klaus, Khaled Narey, Tim Oberdorf, Ao Tanaka, Yannik Engelhardt, Christos Tzolis und Ísak Jóhannesson) gelangen und einige Spieler aus eigenem Nachzug in die Erste geholt wurden. [Lesezeit ca. 5 min]

Diese Strähne konnten die beiden zur Saison 2025/26 nicht wiederholen. Von den dreizehn Neuverpflichtungen nach dem Verkauf von Chris Tzolis, Yannik Engelhardt und Ísak Jóhannesson konnten bisher nur Cedric Itten und Anouar El Azzouzi überzeugen. Dass der gigantische Umbruch des Teams vor allem finanziellen Zwängen unterworfen war, sollte man bei aller Kritik an Klaus Allofs nicht vergessen. Die erzielten Transfererlöse erlaubten des dem Verein, sich auf einigermaßen solide Beine zu stellen. Und für das laufende Geschäftsjahr werden da auch noch ein paar Milliönchen fließen.

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Der Ergebene hat es schon öfter geschrieben: Klaus Allofs als Vorstand für das Thema Kommunikation war eine Bock-als-Gärtner-Geschichte. Da müssen gar nicht erst die bekannten Stories aufgewärmt und auf seine Auftritte bei Clubveranstaltungen angeführt werden; auch der Zustand der Kommunikationsabteilung belegt diese These.

Jetzt kommt mit Sven Mislintat einer, der an den Job als Sportvorstand deutlich anders herangehen wird als Allofs und der es versteht, seine Vorstellungen klar und deutlich zu formulieren. Dass er nicht wie sein Vorgänger für die Kommunikation zuständig sein wird (die Verantwortung geht über an den Vorstandsvorsitzenden Alexander Jobst), ist ein Detail, dass bisher zu wenig besprochen wurde. Genau wie die Tatsache, dass der Posten des Sportdirektors, den zuvor Chris Weber bekleidet hat, zunächst unbesetzt bleibt. Wie gesagt: Mislintat hat andere Vorstellungen, modernere zumal. Einen Mittelsmann zwischen Scouting und NLZ, wie ihn Weber gegeben hat, braucht er nicht. Nicht nur der Ergebene hat befürchtet, dass er seinen Kumpel UK wieder in den Verein holen könnte – daran ist aktuell nichts.

Bochum vs F95: Christos Tzolis, den hatten die Bochumer nie im Griff (Screenshot Sat1)

Die Pressekonferenz zur offiziellen Vorstellung von Sven Mislintat war ein Highlight. Da zeigt sich ein erfahrener Funktionär eloquent wie einst Daniel Thioune ohne dessen Sprachfiguren: klar, präzise, zugewandt und auch ein bisschen demütig. Dass Sven so rasch und intensiv auf die Anfrage des Vereins reagiert hat, sagt er selbst, hat damit zu tun, dass ihm die Fortuna immer sympathisch war, seit er vor mehr als 15 Jahren hier als Analyst tätig war. So wie er das beschrieben hat, muss man ihm einfach glauben. Und wie er seine Vorstellungen dargelegt hat: Hut ab! Das war jenseits der üblichen Floskeln und Phrasen, das war nachvollziehbar.

Man muss allerdings wissen, dass Herrn Mislintat der Ruf vorauseilt, ein kleiner Diktator zu sein, der keinen neben sich duldet, der sich gern mit seinen Vorgesetzten anlegt und sein Ding so lange durchzieht, wie es nur geht. Seine Reputation als genialer Scout und Kaderplanung steht spätestens seit seiner Zeit bei Borussia Dortmund fest, und kaum ein anderer auf einem vergleichbaren Posten in den oberen beiden Ligen hat ein derart großes, auch international sich ausbreitendes Netzwerk. Dass nie ein Spieler etwas Schlechtes über ihn gesagt hat, spricht für seine Nähe zu den Sportlern und seine Überzeugungskraft.

Trainerwechsel: Allofs stellt Anfang vor (Screenshot f95.tv)

Aber, Sven Mislintat fordert auch. Wir wissen das aus seiner BVB-Ära und auch aus seiner Zeit beim VfB Stuttgart. Er formuliert klare Ziele, stimmt die mit den Vorgesetzten und Aufsichtsgremien ab, und reagiert ausgesprochen bissig, will man ihn davon abbringen. In Dortmund kam es so zum Kampf mit Sebastian Kehl, in Stuttgart mit dem Aufsichtsrat. Dass seine Tätigkeit bei Ajax Amsterdam so rüde endete, hatte ähnliche Gründe; dass es einen Interessenkonflikt gegeben habe, wurde dort wohl eher als Vorwand benutzt, ihn rauszuschmeißen. Apropos: Schon beim Vorstellungsgespräch mit dem Aufsichtsrat hat Sven Mislintat die Vorwürfe gegen sich angesprochen und geklärt – das hat er in der möglichen Offenheit auf der Pressekonferenz auch getan.

Der neue Sportvorstand beschreibt seine Arbeitsweise als datengetrieben – damit unterscheidet er sich fundamental von Allofs und Weber. Jede Entscheidung bedarf für ihn einer genauen Analyse anhand sauberer und verlässlicher Daten. Das soll nicht nur die Gefahr von Fehleinkäufen minimieren, sondern bis in die Arbeit des Trainerstabs hineinreichen. Und hier ist der Konflikt mit Markus Anfang schon angelegt, und der Ergebene glaubt nicht daran, dass die beiden eine gemeinsame Zukunft haben werden. Wenn Mislintat Anfang schasst, dann wird er das nicht tun, weil der Coach erfolglos ist, sondern weil er dessen Arbeitsweise für nicht zukunftsfähig hält. Ironie an dieser Stelle: Thioune wäre für Mislintat vermutlich ein optimaler Trainer.

Christian Weber im Interview (Screenshot: Sky)

So wie Mislintat an solche Sachen herangeht, dürfte im gesamten sportlichen Bereich jeder Stein umgedreht werden. Das kann (und der Ergebene ist sicher: wird) zu massiven strukturellen und personellen Änderungen führen, die möglicherweise beim NLZ (dort wohl am wenigsten) beginnen, die Leitungen der ersten und zweiten Mannschaft mit den jeweiligen Trainingsmethoden betreffen und sich vermutlich vor allem auf die Bereiche Video- und Datenanalyse sowie die medizinische und psychologische Betreuung ausdehnen. Da kann es nach Meinung des Ergebenen nur besser werden.

Wenn man mal in die Führungsebenen des Vereins hineinhorcht, kann man aber auch auf die Idee kommen, dass es auf allen anderen Ebenen auch zu deutlichen Veränderungen kommen wird. Und zwar nicht nur in Mislintats Verantwortungsbereich, sondern bei allen Themen. Unabhängig vom neuen Sportvorstand steht, so einige Stimmen, eine Reorganisation bevor, eine, die zur Verschlankung der Strukturen führen könnte, damit auch zu einem Personalabbau. Zur Disposition steht wohl auch das Thema „Eigenvermarkung“; seitdem die Fortuna diese Arbeit selbst macht, ist ein neuer Typ Mitarbeiter eingezogen, der nicht in jeder Hinsicht zu diesem Verein passt.

Kiel vs F95: Markus Anfang – ratlos bis deprimiert (Screenshot Sky)

Schließlich wird über die Art und Weise, wie und ob das Konzept „Fortuna für alle“ fortgesetzt wird, muss Ende 2026 ohnehin entschieden werden. Dass die sogenannten „Freispiele“ als Marketing-Scoop vor zweieinhalb Jahren weltweite Aufmerksamkeit erregt haben, ist bekannt – danach aber haben sie zu keinem der erhofften Effekte mehr geführt. Und weil der Vertrag von Alexander Jobst Mitte 2027 endet und ihm Ambitionen auf Jobs bei der DFL nachgesagt werden, könnte es schon Ende 2026 auch zu einem Strukturwandel im Vorstand kommen. Könnte also sein, dass in den nächsten zwölf Monaten kein Stein auf dem anderen bleibt.

Tatsächlich ist der alles entscheidende Faktor für POSITIVE Veränderungen, dass unsere erste Herrenmannschaft in der zweiten Liga bleibt – die finanziellen Einbußen bei einem Abstieg wären desaströs und konnten die Fortuna für längere Zeit da unten halten. Insofern ist Sven Mislintats aktuelle Hauptaufgabe, für kurzfristigen sportlichen Erfolg zu sorgen – und zwar durch eine erfolgreiche Kaderarbeit mit den nötigen Rausschmissen und Spielereinkäufen im Wintertransferfenster. Da war es schlau von ihm, über den Stand der Dinge ausführlich mit Klaus Allofs und Chris Weber telefoniert zu haben.

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