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Kräuterfurz vs F95 3:1 – oder: Die Entdeckung der Langsamkeit

Man kann auch sagen: Der Kader 2015/16 der glorreichen Fortuna ist der Rudolf Scharping unter den Clubs der zweiten Liga. Scharping? Kennse nicht mehr? Das war der Soze aus der Pfalz, der Verteidigungsminister war und Bunzkanzler werden wollte und der immmmmerrrrr soooooo laaaaangsaaaaam sprach. Der Komiker Ingo Appelt konnte den perfekt nachmachen, und durch diese Parodien war der spätere Vorsitzende des Deutschen Radlerbundes so geprägt, dass es mit dem Aufstieg nix wurde. Zumal er sich dann auch noch beim Turteln im Pool mit einer Gräfin knipsen ließ, während seine Soldaten auf dem Balkan Kopf und Kragen riskierten. Aber im kollektiven Gedächtnis geblieben ist er durch seine scheinbare Langsamkeit. So ähnlich könnte es dem aktuellen Team der Fortuna auch gehen – „Ach, das waren doch die Langsamen“ könnte es in fünf bis zwölf Jahren heißen, wenn von den Herren zwischen Haggui und Pohjanpalo die Rede ist. Denn wenn eines heute bei dieser absurden ersten Halbzeit klar wurde, dann dass diese Herren es nicht mit dem schnellen Denken haben. Bis jemand von denen mit dem Ball am Fuß einen Plan entwickelt hat, hat er die Pille schon verloren. Das betrifft auf unterschiedliche Weise übrigens alle, die heute auf den Platz geschickt worden waren.

Was genau heute unserem Axel ins Fußballhirn geflogen war, wird nicht mehr zu klären sein. Jedenfalls war sein Tag dutzendfach gebraucht, und so war er mehr oder weniger massiv an allen Gegentoren beteiligt. Trainer Funkel hätte ihn eigentlich schon nach dem 1:0 für die Kräuterfürze vom Feld nehmen können, denn dass es nix mehr werden würden, lag da schon auf der Hand. Wobei auch bei ihm – im Gegensatz zu vielen, vielen anderen Spielen der Saison – die Geschwindigkeit das Problem war. Nicht einmal konnte er dem gegnerischen Stürmer folgen, der ihm zugeteilt war. Dass auch der für ihn eingewechselte Herr Schmitz mit demselben Typen ein paar Schwierigkeiten hatte, ändert daran nichts.

So reserviert man im Bilker Häzz Plätze...
So reserviert man im Bilker Häzz Plätze für eine Fortuna-Übertragung im Kreise von Fans
Dabei sah es nach dem schnellen Ausgleich eine Weile gar nicht so schlecht aus. Einige fröhliche Offensivzüge gelangen, und die Fürther standen erheblich unter Druck. Ähnlich wie beim Spiel gegen Leipzig brach unseren Herren eigentlich schon der erneute Führungstreffer das Genick. Da hatte sich die Defensive um den ultralangsamen (im Kopf, wohlgemerkt!) Käpt’n Haggui schon in einen klassischen Hühnerhaufen verwandelt, in dem der Youngster Akpoguma so was wie den Libero gab, der oft das Schlimmste verhindert. Da hatte DJ Opa, mit dem Ihr sehr ergebener Berichterstatter die Partie im „Bilker Häzz“ des Micha Nord sah, schon festgestellt, dass der Herr Schauerte einfach mal einen Konkurrenten auf seiner Position bräuchte, um ein wenig Druck zu spüren. Wie immer mühte sich Bodze redlich, aber deutlich uninspiriert, und ein Fink allein macht noch keinen Sommer.

Fehler über Fehler, und dann auch noch keinen Plan
Warum der Herr Demirbay heute so demotiviert durch den Ronhof schlich, weiß keiner, und der Herr Sararer muss mal an seiner Frustrationstoleranzschwelle arbeiten, damit er nicht immer gleich aufgibt, wenn der gegnerische Verteidiger seinen zweite Übersteiger durchschaut und ihm den Ball abnimmt. Der Herr Mavrias blieb heute leider blass, und der Herr Djurdjic hat heute seinen potenziellen Ruf als Knipser verspielt. Zwei Ultramegasuperchancen versemmelte er, einmal auf erheblich klägliche Weise, einmal mangels Krafteinsatz. Weil also niemand wirklich gut spielte, fiel auch noch das 3:1 vor der Pause: 4 (in Worten: vier… VIER!!!!) Fortunen machten die Hütchen, um die herum sich dieser Fürther wand und dann ungehindert einschoss. Wie einer in der Kneipe bemerkte, dass war halb so zweitligatauglich wie Lumpi.

Dass die Jungs vom Funkel in Hälfte Zwo nicht noch die Hütte vollkriegten, legt nahe, dass es nach dem Wiederanpfiff nicht mehr ganz so schlimm war. Stimmt nur teilweise, denn die Abwehr war nur dank Schmitz statt Bellinghausen ein wenig weniger konfus. Stattdessen führte die Langsamkeit der rot-weißen Kicker nun zu ständigen Fehlpässen, Ballverlusten und Abspielfehlern. Ja, man kann sagen, dass bis zur 70. Minute eigentlich kein einziger Pass genau und genau dahin, wo er hin sollte, kam. So entstanden trotzdem ungefähr drei Chancen, die aber weder der Herr Djurdjic, noch der Herr Pohjanpalo später zur Bude brachte. Eigentlich war die zweite Hälfte sogar noch grottiger als die erste, weil auch die Kräuterfürze zunehmend abbauten. Und bei Licht betrachtet war die, ähem, Leistung der Fortunen eine der drei, vier schlechtesten der ganzen Saison und so ein massiver Rückfall.

Funkel raus!
Jedem, der rechnen kann sollte aufgefallen sein, dass Trainer Friedhelm in der Logik der Azzouzis und Jägers eigentlich schon abschussreif wäre, denn mit vier Punkten aus vier Spielen konnte auch Vorgänger Wie-hier-der-nochmal auch glänzen. Aber den beiden Versagern dürfte klar sein, dass sie nach einem weiteren Trainerrauswurf gemeinsam Sashimi begehen könnte, so durch wie sie dann nicht mehr nur bei den Fans wären. Und hätte der Herr Azzouzi auch nur einen Hauch Berufsehre im Leib, hätte der spätestens heute die Demission eingereicht. Er hat ja indirekt schon auf die Fehlverpflichtung von Marco Kurz auf seine Kappe genommen. Also die Verpflichtung, die er mit „Wir haben nur einen Schuss“ so vollmundig angekündigt hat. Daneben, lieber Rachid, möchte man ihm zurufen. Und: Weil du nur diesen einen Schuss hattest, bist du jetzt raus. Also mach dich vom Acker.

Wie drückte es ein anderer weiser Fortuna-Liebhaber aus? Paul Jäger hat schon wieder die Gelegenheit zu einem ehrenvollen Abschied verspielt, denn er hätte ja sagen können: Mit dem Amtsantritt von Robert Schäfer ist meine letzte Mission erfüllt, ich trete zurück und kann mich wieder den Reisen zu den Scheichs widmen. Wie soll das denn eigentlich werden, wenn Jäger unter einem Vorstandsvorsitzenden den Finanzvorstand geben, wo doch sein Vorgesetzter auf demselben Gebiet ausgewiesener Experte ist? Sind da Kompetenzstreitigkeiten nicht vorprogrammiert? Wenn man sich als Fortuna-Fan mit Lebenserfahrung und Denkvermögen was wünschen dürfte, dann würde man sich einen neuen, von Schäfer mit Rückendeckung des aktiven Teils des Aufsichtsrates neu zusammengestellten Vorstand wünschen. Da müsste dann ein echter Sport- und Fußballexperte rein, was einen Sportmanager à la Azzouzi obsolet macht, dazu dann einen Marketingfachmann mit Erfahrung im Fußballbereich und am besten auch noch jemanden, der sich mit Personalentwicklung auskennt und die Geschäftsstelle mal auf ein professionelles Level hebt. Für einen Paul Jäger wäre da kein Platz mehr.

Der hat seine verdienstvollen Jahre längst hinter sich und kriegt einfach die Kurve nicht, zu gehen bevor er gegangen wird. Der aktive Teil des Aufsichtsrates? Ja, denn nach allem was man so hört und mitbekommt, beteiligen sich außer dem Vorsitzenden Reinhold Ernst nur noch zwei, vielleicht drei weitere Aufsichtsräte aktiv am Geschehen. Ob man deshalb die Möglichkeit geschaffen hat, dass AR-Beschlüsse auch per Telefonkonferenz oder per Mail gefasst werden können, ist unklar – intern nennt man den neuen Passus auch „Lex Hunold“, denn der lässt sich in Düsseldorf nur noch selten sehen. Und weil das zu sein scheint, gehört zu einem Neuanfang des Vorstands unter Robert Schäfer eigentlich auch ein Neuanfang des Aufsichtsrates, den einzuleiten allerdings aufgrund der Satzung wesentlich schwieriger umzusetzen ist.

Nur die Rettung zählt
Der Trümmerhaufen, den man Kader nennt, hat nun nur noch vier Spiele Zeit, die vermutlich sieben nötigen Punkte einzufahren, die einen Abstieg, aber auch Relegationsspiele verhindern. Konkret heißt das, dass beide Heimspiele (gegen St. Paul und gegen den FSV) gewonnen werden müssen, damit ein Unentschieden in Duisburg oder Braunschweig reicht. Es ist auch völlig wurscht, wie der Abstieg verhindert wird, denn der Gang in die dritte Liga wäre unter den vorliegenden Gegebenheiten eine Katastrophe, die unsere Fortuna in einen Zustand à la 2002 zurückschleudern könnte. Allein schon der mit dem Abstieg der Ersten verbundene Zwangsabstieg der überaus erfolgreichen Zwoten hätte dramatisch und langwierige Folgen für die Nachwuchsarbeit, die aber eine der wichtigsten Säulen zur wirtschaftlichen Stabilisierung des Vereins darstellt – vom drastischen Rückgang der Einnahmen aus Sponsoring, Dauerkarten und auch TV-Gelder ganz zu schweigen. Wer von einer „Regenerierung in Liga 3“ faselt, hat einfach keine Ahnung.


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