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Hertha vs F95 1:2 – Eroberung der Bälle und der Herzen

Wenn man dem Sieg dieser wunderbaren Mannschaft der wundervollen Fortuna gestern im Berliner Olympiastadion einen Namen geben will, dann müsste der „Balleroberung“ lauten. Unschwer vorstellbar, wie der Cheftrainer den Jungs vor dem Spiel in der Kabine eingebläut hat: Geht auf JEDEN Ball! Ganz neu ist das Rezept nicht, aber gegen spielerisch talentierte Gegner funktioniert es ganz offensichtlich. Im Rezept, das sich das Team selbst angerührt hatte, kamen zwei weitere Ingredienzien hinzu: eine Handvoll Zauberpässe und Michael Rensing.

Ja, man hat den guten Rense schon abgeschrieben in Düsseldorf. Diskutiert wurde nur noch, ob er geht oder als Nummer Zwei hinter einem neu zu verpflichtenden Keeper bleibt. In der laufenden Saison wurden ihm – absolut nicht immer zu Recht – mehrere Torwartfehler angekreidet, und es hieß, er habe seinen Leistungshöhepunkt überschritten. Davon war gestern nichts zu sehen. Im Gegenteil: Ein Herr Rensing, der den Bereich außerhalb seines Fünfmeterraums meidet wie der Vampir den Knoblauch, beherrschte beherzt den ganzen Sechzehner.

Unser guter Rense

Fehlte nur noch, dass er Ausflüge wie weiland Radi Radenkovic unternahm oder sich als Mittelfeldler à la Neuer versuchte. Drei erhebliche Rettungstaten schenkte er dem staunenden Fan-Volk, eine davon im Stile eines Welttorhüters als er mit der rechten Flosse eine Pille raushaute, die eigentlich schon drin war.

Aber machen wir Rense nicht zum Spieler des Tages. Bitte auch Benito Raman nicht, denn die Mannschaft ist der Star. Als die gut 5.000 angereisten Anhänger der funkelnden Truppe nach dem Feiern des Teams mit fröhlichem „Komm! Komm!“ den Coach vor die Kurve locken wollte, bedankte der sich, zeigte aber auf die Herren in Rot, die gerade auf dem Weg in die Kabine waren. Auch das ein Faktor, der die Fortuna 2018/19 von vielen anderen Bundesliga-Teams unterscheidet: Der Trainer ist nicht größer als die Mannschaft.

Lustlose TV-Berichte

Und wenn man das, was aktuell rund um F95 geschieht, in größerem Rahmen einsortieren will, dann könnte man behaupten, dass diese ganzen Spiele und Ereignisse immer Beweise für die Blödheit vieler deutscher Fußballkommentatoren – besonders im TV – sind. Wer sich gestern nach elf das frühere Aktuelle Sportstudio angesehen hat, um noch einmal schöne Ausschnitte der Partie anzuschauen, sah sich mit einem Aktuellen Bayern-Studio samt feist grinsendem, schon ganz FCBlerisch auftretenden Kahn konfrontiert, in dem die Berichterstattung über das Spiel der Bayern gegen Dortmund mehr als die Hälfte der Sendezeit einnahm.

Entsprechend lustlos die restlichen Spielberichte, entsprechend hoch der Floskelanteil und natürlich auch das Gewicht der üblichen Dumpfeinschätzungen der Sprechpuppen gegenüber der Partie in Berlin. Da wird dann natürlich Raman zum „Man of the Match“ gemacht, hat ja auch zweimal eingenetzt. Nun hätte Benito diesen Titel gestern aus anderen Gründen verdient, aber so tief geht dann die Analyse der Fernsehkraten nicht. Würde man fußballerische Maßstäbe anlegen und nicht populistisches Geblubber, dann könnte man Matthias Zimmerman zum Spieler des Tages küren. Oder zum wiederholten Male auch Kevin Stöger.

Dodi wenig effizient

Nur entspräche das nicht dem, was ganz real vor den Augen der weit außerhalb ihrer Häuschen existierenden Fortuna-Fans zu beobachten war: Eine geradezu erschreckend geschlossene Mannschaftsleistung, in der verrückterweise Dodi Lukebakio der einzige Schwachpunkt war. Es ist aber auch zum Beklopptwerden mit dem belgischen Schlaks; manchmal dribbelt er alles in Grund und Boden, manchmal verknotet er unentwegt seine langen Gräten und manchmal kann man ihm die Lustlosigkeit aus 100 Metern Entfernung ansehen.

Gestern war so einer dieser Dodi-Tage, an denen er immer und immer wieder denselben Quatsch spielt. Er kriegt die Pille, umdribbelt er sich selbst, sucht dann die Nähe von mindestens drei Gegner, um dann irgendwie zum Ballverlust zu kommen. Theoretisch sollte dieses Gegner-auf-sich-Ziehen Platz für die Kollegen schaffen, aber wenn die Kugel beim Gegner landet, hat es sich was mit mehr Platz. Immerhin, und dies ganz klar Ergebnis funkelscher Erziehung, übernimmt Dodi treu und brav die ihm zugeteilten Defensivaufgaben.

Immer wieder Käpt’n Fink

Ach, nein, alles falsch! Mann des Matsches war natürlich Oliver Fink! Unser Käptn! Der Kerl mit dem Körper aus unzerstörbaren Materialien, der Typ, der immer nur gewinnen will. Nein, nein, nein, wir führen nicht wieder das babylonische Alter von 38 (oder waren es 58) Jahren an, sondern huldigen einem Fußballer, der so vorbildlich agiert, dass es schon fast quietscht. Man sagt dem Olli, dem Finki, dem OF7 ja nach, er lebe wie ein Asket und pflege seinen Körper ausschließlich im Sinne des sportlichen Erfolges. Und vergisst dann gern, dass er einfach auch ein unglaublich netter Typ ist, einer, dem die jungen Kollegen alles glauben. Vermutlich wird man dereinst sagen, es sei dieser Oliver Fink gewesen, der Fortuna Düsseldorf nicht nur den Klassenerhalt gesichert, sondern zum Wunder der Liga 2018/19 gemacht habe. So oder so: Er hat ein Denkmal verdient wie das für Toni Turek.

Kommen wir zurück zum unglaublichen Speedy Raman, der ja nicht nur eine schier unglaubliche Anzahl an Sprints pro Spiel abliefert und den Gegner serienweise davonläuft, sondern inzwischen vor dem Tor so sicher wie frech jeden Tormann auszugucken weiß. Wobei sein 1:0 einfach auch traumschön war – vielleicht nicht Kategorie „Tor des Monats“, aber herzerwärmend. Sein zweiter Treffer fällt dann ins Fach „Konsequenz“ nach dem Motto: Wenn ich schon mal frei vor dem Keeper stehe, dann will ich das Ding auch reinhauen.

Laufender Konzeptwechsel

Aber selbst dieser Kurze, der immer besser wird, wäre wenig ohne die Zuckerpässe von Kevin Stöger & Co., also allen, die sich kreativ einzubringen trauen. Dazu zählten gestern alle elf auf dem Platz außer Marcin Kaminski und Andre Hoffmann, aber die müssen das in ihren Eigenschaften als IV auch nicht. Spieleröffnende Bälle kamen dann aber auch eher von Hoffmann als von Kaminski. Kaum zu erkennen, dass F95 während der Partie mehrfach das Defensivkonzept änderte, klassisch mit einer Viererkette begann, zwischendurch durch Hinzuziehen von Adam Bodzek auf Dreierkette umstellte, um am Ende dann nach der Einwechslung von Robin Bormuth für Nico Gießelmann dann wieder bei einer waschechten Dreierkette zu enden.

Ach, auch Dodi wurde ausgewechselt. Dabei hatte er in der ersten Viertelstunde drei Chancen, von denen mindestens eine hätte reingehen müssen. Ja, es hätte in Berlin eine Kopie des Gladbachspiels werden können, wenn, ja, wenn Dodi bisschen mehr Glück gehabt hätte. Wobei es in punkto Spielanlage sehr wohl dem wunderbaren Sieg gegen BMG ähnelte: Bombensichere Defensive, hochkreative Zentrale, pfeilschnelle Stürmer und der Wille Tore zu schießen. Nur dass Raman dieses Mal nicht als Vorbereiter wirkte, sondern als Vollstrecker.

Der Geist des Olympiastadions

Jedenfalls kam Taka Usami in der 68. Minute für Dodi, unser Japaner, den sie inzwischen fast alle abgeschrieben haben. Er biete sich im Training zu wenig an, heißt es, er explodiere nicht mehr auf dem Platz und was nicht alles. Das ehemalige Fachblatt „kicker“ meint gar, Usami sei bei seiner dritten gescheiterten Station „verblüht“. Das alles ist ein solcher Quatsch, dass man kichern möchte. Erstens fand sich der gute Taka sofort hinein, zweitens sorgte er für Zusatzdruck und drittens hätte er um ein Haar das dritte Tor gemacht. Was immer aus ihm nach Saisonende wird, auch er hat seinen Anteil am Erfolg.

Dieses mehr alte als ehrwürdige Olympiastadion von 1936 hat seinen besonderen Geist, der auch aus rein baulichen Gründen zustande kommt – zum Beispiel die Einlasssituation. Die Kartenkontrolle direkt am Eingang ist modern, aber dann müssen die Fans ja auch noch in die Blöcke, und diese Zugänge sehen eben noch so aus wie bei Führers Olympiade. Da können die im Übrigen recht coolen Ordner noch so viele Drängelgitter aufstellen, es wird für Gästefans immer unschön sein. Und wenn dann noch unentspannte Cops den Larry machen wollen, ist der Minitumult auch schon da. Erfreulich ist dagegen, dass schon zwischen S-Bahnhof und Südtor supernette und stark berlinernde Scouts für fröhliche Beisammensein sorgen und das Personal an den Versorgungsstellen immer für gute Sprüche zu haben sind.

Grinsen oder Heulen?

Von Beginn an war die Stümmung im Gästeblock und den angrenzenden Gebieten grandios. Man sah sich einem prallvollen Blauweiß-Block gegenüber, ließ sich davon aber wenig bis gar nicht beeindrucken. Im Gegenteil: Nach dem Siegtreffer hatten die rotweißen Kehlchen eindeutig die akustische Deutungshoheit im Rund. Dies auch dank der dieses Mal perfekten Dramaturgie des Supports durch unsere Ultras, von denen einige meinten, pro forma ein bisschen Zündeln zu müssen, was aber eher etwas albern wirkte.

Altgediente Anhänger der glorreichen Diva wussten nach Abpfiff nicht, ob sie grinsen oder heulen sollten ob dieses Sieges und der Tatsache, dass der designierte Absteiger nun auf Platz 10 steht und theoretisch, also, rein theoretisch natürlich noch irgendwie nach Europa flutschen könnte. Eine Fanin nannte ihr Gefühl „beseelt“, während die männliche Mehrheit eher auf das Adjektiv „geil“ setzte.
Natürlich kamen Rechenspielchen auf. Wenn wir gegen Mainz, Werder, Freiburg und Hannover gewinnen sowie gegen die Bayern und Dortmund unentschieden spielen, dann wären das – warte mal – noch 14 Punkte, und je nachdem, wer Pokalsieger wird, könnte das für Platz 8 reichen… Oh je…


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3 Gedanken zu „Hertha vs F95 1:2 – Eroberung der Bälle und der Herzen

  • Oh je. Genau. Bei aller Freude, die Angst vor dem Absturz ist doch, als Fortune im vierten Jahrzehnt, immanent.

    Antwort
  • Nun mehr 132 Tage verdiente Entspannung – für uns Fans !!!

    Antwort
    • Tja….das war wohl etwas zu optimistisch.

      Antwort

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