Fortuna-Punkte: Der alljährliche Trikot-Wahnsinn
Weiß einer, seit wann Fans die offiziellen Trikots als Merchandise-Artikel kaufen können? Ihr Ergebener erinnert sich nicht, weiß nur, dass er ein einziges Mal Geld für ein Mannschaftsleibchen ausgegeben hat: Ich erwarb im Herbst 2001 die schwarze Version des Jerseys mit dem Toten-Hosen-Schädel im Stern. Keine Ahnung, was man damals latzen musste. Das Ding stammte von Umbro, und obwohl ich es relativ oft trage, ist ihm sein Alter nicht anzusehen.
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Mein Blockfreund Michael kauft dagegen jede Saison eines der neuen Trikots. Und ich kenne nicht wenige F95-Liebhaber, die diese Fanartikel systematisch sammeln, die also immer alle drei Varianten (oft zuzüglich Torwartdress) erwerben. Die ganz Bekloppten greifen sogar zu den Damen- und Kinderversionen. Natürlich sind diese Leute auf ihre Kollektionen tierisch stolz. Das verstehe ich nicht, finde es aber aus historischer Sicht hochinteressant. Was ich absolut nachvollziehen kann ist, wenn wirklich langjährige Anhänger der Diva mit breiter Brust Trikots vorführen, die tatsächlich mal echte Fortuna-Kicker bei einem (oder mehreren) Spielen getragen haben – „match worn“ nennt man diese.
Und natürlich ist es immer wieder schön zu sehen, wenn ein Haufen Fans in Trikots ganz unterschiedlicher Spielzeiten, besonders der Jahre vor 1990, anhaben und zusammenstehen. Denn natürlich stellen sie so ein Stück Vereinshistorie dar. Wobei in solchen Fällen beinahe am interessantesten ist, wer mal alles Hauptsponsor war: ARAG und allkauf in den goldenen Siebzigerjahren, dann Zamek nach dem Abstieg in die zweite Liga, später Diebels und Henkel, wie erwähnt Die Toten Hosen, Monkey’s Island (quasi als Schadensersatz des F95-Zerstöreres Helge Achenbach), Stadtsparkasse und Stadtwerke (per ordre des Größten Fortuna-Retters aller Zeiten, kurz GröFAZ aka OB Erwin), „echte” Sponsoren wie Bauhaus und Otelo, zuletzt Orthomol und dann nach langen Jahren wieder Henkel.
Fans, die Trikots sehr ernstnehmen
Seitdem die Menschen ganz im Sinne des ausgeweiteten Konsums ein Markenbewusstsein entwickelt haben, wird immer auch intensiv über den jeweiligen Hersteller diskutiert. Umbro gilt als Kult, Puma eher als Schrott, und der aktuelle Ausrüster Uhlsport als Gehtso. Seit einigen Jahren fühlen sich Hobby-Grafikdesigner bemüßigt, eigene Entwürfe im Forum und in den sozialen Medien zu präsentieren, oft heftig umjubelt. Und dann sind da noch die Puristen, Nostalgiker und Romantiker, die bestenfalls noch alles mit roten und weißen Längsstreifen tolerieren.
Nun wissen wir alle, dass der Bereich, der neumodisch „Merchandising“ heißt, für die Vereine (besonders diejenigen, die eher geringe TV-, Sponsoren- und Ticketeinnahmen haben) eine enorm wichtige Einnahmequelle sind, also eine Säule der Finanzierung des Spielbetriebs darstellen. Die reichen und mächtigen Vereine aus Europa verdienen sich am Trikotverkauf dumm und duselig, weil deren Hemdchen weltweit und gerade in Asien in Millionenauflagen vertickt werden. Und weil Sportkleidung heutzutage nicht mehr bloß beim Sport getragen wird, ist ein erfolgreiches Merchandising auch für die sogenannten „Ausrüster“ von großer Bedeutung. Die zahlen den Vereinen Geld dafür, dass deren „Stars“ ihre Klamotten tragen.
Das alles hat sich so entwickelt, und diese Entwicklung verlief absolut parallel zur allgemeinen Kommerzialisierung des Profifußballs. Aber zu irgendeinem Zeitpunkt X mischten sich die Marketing-Fuzzis in die Gestaltung ein. Man erinnere sich noch mit einem breiten Grinsen an das scheußliche blau-rote Trikot, dass sich Robert Palikuca – damals verantwortlich dafür – vom Ausrüster hatte aufschwatzen lassen. Denn damals hatten die (unwichtigen) Vereine so gut wie keinen Einfluss auf das Design der Leibchen. Das änderte sich tatsächlich erst mit dem Wechsel zu Uhlsport zur Saison 2017/18.
Marketing-Fuzzis laufen sprachlich Amok
Seitdem laufen die besagten Marketing-Fuzzis Amok. Was sich besonders in der Prosa zeigt, die sie zur Beschreibung der Jerseys absondern. Beispiel gefällig?
Inspiriert von den 50 Stadtteilen der Landeshauptstadt ist auf den Ärmeln sowie im Schulterbereich ein Muster eingebracht, welches die Formen der Stadtteile aufnimmt und sie in verschiedenen Grautönen wiedergibt. Im Nackenband ist der Schriftzug „Mit Ecken und Kanten“ eingearbeitet. Im Krageninneren ist zudem eine Karte der Stadt zu sehen. Ein rot-weißes Flag-Label sowie das Düsseldorfer Stadtwappen zieren den äußeren Nackenbereich. [Quelle: Fortuna Düsseldorf]
Aua. Immerhin lernen wir so wichtige Begriffe wie „Flag-Label“ und „Nackenband“ kennen. Und wäre das nicht albern genug, hat sich irgendein Hirni ausgedacht, das Heimtrikot in Raten zu präsentieren. Wie weit weg vom Denken und Fühlen der Fans kann man eigentlich sein? Die Albernheit galoppiert aber weiter. Nun muss jedem der drei Trikots irgendein Begriff aus der stillgelegten DNA zugeordnet werden – „Heimat“, „Ecken und Kanten“ und was da noch an Blödsinn verzeichnet ist.
Die Heimat Düsseldorf ist der Kernwert des Jerseys, das Stadtwappen der thematische Aufhänger. Dieses ist in stilisierter Form als Rapport auf der Vorderseite zu sehen, wo kleine Stadtwappen Ton-in-Ton in den Stoff eingearbeitet sind. Darüber hinaus taucht es auch im Nackenbereich sowie im Inneren des Trikots samt seiner heraldischen Beschreibung, der sogenannten Blasonierung, auf. Der Schriftzug „Heimat F95“ ziert das Krageninnere. Das Fortuna-Vereinswappen auf der Brust ist gewebt und gestickt eingebracht. Die Rückseite des Trikots besteht aus einem atmungsaktiven Mesh-Stoff. [Quelle: Fortuna Düsseldorf]
Mal ehrlich, dieses bescheuerte Geraune gehört in die Briefing-Gespräche zwischen den F95-eigenen Marketers und den Hemd-Designern bei Uhlsport, nicht aber in die Öffentlichkeit!
Geht’s ne Nummer kleiner?
Es ist wie so oft bei Menschen, die hauptberuflich kreativ sein sollen. Sie leben auf anderen Planeten als die Zielgruppen, und sie finden ihr Tun enorm wichtig – ungefähr so wie Kleinkinder, die stolz sind auf das Häufchen, das sie ins Töpfchen gelegt haben. Otto Normal-Fan interessieren im Wesentlichen drei Dinge bei den Merchandising-Trikots:
- Gefallen sie mir?
- Passen sie mir?
- Ist die Qualität gut?
- Was kosten sie?
Über das Design entscheidet der persönliche Geschmack. Wobei mittlerweile Konsens ist, dass Trikots gefälligst Rot oder Weiß, Rot-Weiß und schlimmstenfalls Schwarz sein müssen. Beliebt sind immer die einfarbigen, aber vor allem die mit Längs- oder Querstreifen. Alle anderen Gestaltungsvorschläge werden immer mehr oder weniger heftig debattiert.
Und um es ganz drastisch zu sagen: Irgendwelche Symbolik (Umrisse der Stadtteile, Fieberkurve der Fortuna etc.) gehen den Fans am Arsch vorbei. Auch welche Sprüche innen im Kragen stehen, lässt die potenziellen Käufer eher kalt. Ja, ich bin mir sicher, dass eine Mehrheit der Fortuna-Fans sich ein generelles „Back to basic“ wünschen würde.
Nun ist aber so, dass die Vereine aus Merchandising-, also Einnahmegründen jedes Jahr neue Hemdchen präsentieren müssen – darauf bestehen natürlich auch die Ausrüster. Das ist der wahre Grund für den geistigen Dünnschiss, der dann Gestalt in Stoff findet. Dagegen ist auch nichts einzuwenden. Aber jede wirklich gute Grafikdesigner wird sagen, dass man auch innerhalb eines engen Rahmens an Vorschriften immer wieder neue Varianten kreieren kann.
Fazit
Nicht die Trikots für die Saison 2020/21 sind doof, hässlich oder sonst wie schlecht, nur das Gelaber der Marketing-Leute ist abgehoben, bescheuert und peinlich. Aber, erfahrungsgemäß wird das die Trikotliebhaber unter den Fans nicht davon abhalten, sich eines oder mehrere der neuen Leibchen anzuschaffen. Und das ist im Sinne der F95-Finanzen auch gut so.
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