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Tennisball-Proteste: Darum machen die Fortuna-Ultras nicht mit

Tennisbälle, Schokotaler, Zitronen, Kamelle: In vielen Stadien zeigen Fans ihren Protest gegen den DFL-Investor-Deal mit diesen Dingen – die Fortuna-Ultras machen da nicht mit.

Analyse · Der Ergebene ist Fortuna-Fan. Er liebt den guten, alten Fußballsport. Und er sieht sich als Teil des sozio-kulturellen Gebildes, das man gemeinhin „Kurve“ nennt. Schon immer war er gegen die sogenannte „Kommerzialisierung“ des Fußballs. Deshalb lehnt der den Begriff „FußballGESCHÄFT“, der gerade Medienvertretern so leicht von den Tastaturen geht aus vollem Herzen ab. Gleichzeitig ist der Ergebene Realist genug anzuerkennen, dass der Fußball inzwischen Teil des internationalen Entertainment-Business ist. Als solcher dient unser Sport Investoren weltweit dazu, immer mehr Fußball per TV zu versenden, um so mehr Kohle durch Reklame zu scheffeln. Und immer mehr Menschen weltweit dazu zu verführen, mehr Geld und noch mehr Geld für Merchandising rauszuhauen. Euer zutiefst ergebener Berichterstatter hat diese Entwicklung immer abgelehnt und lehnt sie immer noch ab. Nun hat die nichtswürdige DFL vor einiger Zeit die Idee entwickelt, am rasant wachsenden Business zu partizipieren. [Lesezeit ca. 4 min]

Zu diesem Zweck will die Firma, die die oberen beiden deutschen Liga verwaltet, Medienrechte auf lange Sicht an einen Investor zu verticken. So soll bis zu einer Milliarde Euro, auf zwanzig Jahre verteilt, in die DFL fließen. Der Investor soll im Gegenzug einen Anteil an den Einnahmen aus der medialen Vermarktung bekommen. Durchgerechnet ergibt sich dabei eine märchenhafte Rendite.

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Die DFL-Fuzzis argumentieren damit, dass diese Finanzspritze dafür sorgt, dass der deutsche Fußball international „wettbewerbsfähig“ bleibt. Mal abgesehen, dass dem Ergebenen und einer Mehrheit der hiesigen Fußballfreund:innen am Arsch vorbeigeht, ob dieser ominöse deutsche Fußball wettbewerbsfähig bleibt, stellt sich die Frage, was damit überhaupt gemeint ist. Vermutlich, dass die weltweiten TV-Übertragungen von Spielen der Teams der oberen beiden Ligen so viele Zuschauer – vor allem in Asien und den USA – anlocken können wie die jetzt schon durch Investoren reich gewordenen Soccer-Companies. In der verqueren Logik derjenigen, die am Fußballgeschäft schrauben, wird das vor allem dadurch erreicht, dass mehr Stars bei den Bayern, dem BVB und RB Leipzig kicken. Denn, so die genauso bescheuerte Logik, dadurch würden die Partien attraktiver.

Es geht also einzig und allein um den TV-Fußball. Von der fließenden Milliarde hätten die treuen Menschen, die immer noch physisch in die Stadien tapern, nichts. Nullkommanullnix. Die Funktion der Fans, die ihre Vereine und Mannschaften unterstützen, besteht in dieser Logik nur darin, für Stümmung zu sorgen, für die Kulisse, für diesen Unterhaltungseffekt, der mit Geld nicht zu kaufen ist.

Nun protestieren die Insassen dieser Komparserie seit Wochen gegen den beschriebenen DFL-Deal, indem sie Tennisbälle, Schokotaler und andere Dinge aufs Spielfeld werfen und/oder ihren Support für eine gewisse Zeit einstellen. Initiiert wurden und vertreten werden diese Proteste von einem Fanbündnis namens „Unsere Kurve“. Ziel der Übung ist es, den Einstieg eines Investors in die DFL zu verhindern. Ob die Aktionen tatsächlich bewirkt haben, dass sich die Oberheuschrecke Blackstone aus dem Bieterrennen zurückgezogen hat, lässt sich nicht nachweisen. Dass mit der CVC nur noch ein Investor für Verhandlungen bereitsteht, hat die Situation eher verschlechtert, denn wenn die DFL den Deal um jeden Preis durchdrücken will, muss sie auf die Forderungen der CVC eingehen.

Gefordert wird von den Akteuren auch, dass die Abstimmung über den Deal wiederholt werden soll – dieses Mal in nicht-geheimer Wahl. Denn vermutet wird, dass der Hannover-Kind seinerzeit mit Ja gestimmt hat, obwohl er den Auftrag des Vereins hatte, dagegen zu sein. Schließlich kam die notwendige Zweidrittelmehrheit nur durch eine einzige Stimme zustande. Auch diese Forderung könnte zum Schuss in den Ofen werden, denn schon hört man Stimmen, die vorschlagen, dass bei einer erneuten Abstimmung eine einfache Mehrheit ausreichen würde, den Einstieg eines Investors zu ermöglichen.

Die Haltung der Ultras Düsseldorf

Die Jahresmitgliederversammlung des TSV Fortuna 1895 hat im November den Vereinsvertretern in der DFL-Versammlung per Abstimmung den Auftrag erteilt, gegen den DFL-Deal zu stimmen. Vorgetragen und begründet wurde der Antrag federführend von den Fortuna-Ultras. So wie sich UD schon immer aktiv an der Willensbildung im Verein beteiligt. Durch diese Mitarbeit als Mitglieder unterscheiden sich unsere Ultras von den Ultras einiger anderer Vereine. Das muss man wissen, um zu verstehen, warum sich unsere Kurve bisher nicht an den Tennisball-Protesten beteiligt hat.

Im Ultra-Info zum Spiel gegen Elversberg hat UD eine Stellungnahme zum Thema veröffentlicht, in der dieser Umstand herausgestellt wird. Zudem betont UD, dass ihre Gruppe eben nicht Teil der Fan-Bündnisse ist, die jetzt den Tennisball-Protest maßgeblich vorantreibt. In diesem Sinne äußern die Ultras massive Kritik an diesen Fan-Bündnissen, die – so UD – von gewissen Gruppen beherrscht werden, die den anderen so vorgeben wollen, wann und wie sie Protest äußern sollen. Die Ultras sprechen von „Machtbedürfnis“ und stellen heraus, dass in diesen Bündnissen einige Fanszenen vertreten sind, denen es weniger um handfeste Vereinsarbeit und mehr um die Selbstdarstellung geht. Deshalb stellen die Ultras Düsseldorf fest, dass sie selbst unabhängig von den genannten Fan-Bündnissen bestimmen werden, ob, wann und wie sie ihre eigenen Protestformen einsetzen werden. Dies als Dokumentation.

Absurditäten

Der Ergebene gesteht, dass ihn die Bilder von den Dutzenden Tennisbällen und Schokotalern auf dem Rasen fasziniert hat. Natürlich lehnt er den DFL-Investoren-Deal auch volle Kanne ab. Wenn es aber ausgerechnet die Anhänger:innen des VfL Wolfsburg sind, die so ihre Kritik zeigen, wird es schon ein bisschen absurd. Also die Fans eines Clubs, der nur dank mehr oder weniger stark fließender Mittel des VW-Konzerns oben mitspielen darf. Fehlt nur noch, dass die Zuschauer von Rasenballsport Leipzig anfangen Schokotaler zu schmeißen. Besonders absurd wird es, wenn sich Fans von Clubs beteiligen, die damals beim ersten Anlauf für den Deal gestimmt haben und dies vermutlich (und teilweise zugegebenermaßen) bei der geheimen Abstimmung wieder getan haben. Gegen wen richtet sich denn deren Protest? Anstatt „Scheiß-DFL“ zu rufen, müssten sie vielleicht ihre eigenen Funktionäre beschimpfen.

Schließlich stimmt der Ergebene UD in einem Punkt besonders zu. Die Medienpräsenz einzelner Sprecher der Fan-Bündnisse riecht inzwischen gewaltig nach Profilierungssucht. Besonders dann, wenn dabei angebliche Erfolge vermeldet und gefeiert werden. Nein, eine weitere Abstimmung wäre kein Erfolg. Erfolgreich wären die ganzen Aktionen, wenn die DFL-Spitze sich hinstellen würde, um zu sagen: „Sorry, wir haben uns verrannt. Wir blasen die Sache ab.“ Dann wären die Verantwortlichen aber die längste Zeit verantwortlich gewesen, denn die DFL ist keine demokratische Institution, sondern in erster Linie Lobby der „reichen“ Clubs. Und alle Maßnahmen der DFL der vergangenen zehn, zwölf Jahre haben die finanzielle Ungerechtigkeit innerhalb der Ligen verstärkt. Der Investoren-Deal wäre ein weitere Meilenstein auf diesem Weg.


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