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Fortuna-Punkte 17/18: Der Fall Hermann. Oder: Fußball als Raubtierkapitalismus

Die Fakten: Co-Trainer Peter Hermann, dessen Vertrag bis zum 30.06.2018 galt, wechselt mit sofortiger Wirkung zum FC Bayern München, wo er Co-Trainer des Interimstrainer Jupp Heynkes wird. Heynkes und Hermann stehen für die letzte große Bayern-Erfolgsstory, das Triple von 2013. Nachdem Carlo Ancilotti entlassen wurde, haben sich die Verantwortlichen entschieden, den 72-jährigen Heynkes aus der Rente zu holen; der hatte zur Bedingung gemacht, Hermann wieder als Co-Trainer an seiner Seite zu haben. Hermann gab an, seinem alten Weggefährten einen Gefallen tun zu wollen und bat Fortuna um Freigabe. Die wurde erteilt, nachdem sich F95 und FCB auf eine Ablösesumme von mindestens 1,75 Millionen Euro geeinigt haben. Die Reaktionen unter den Fans der glorreichen Fortuna sind unterschiedlich, aber durchweg mit einem Hauch Wut unterlegt.

Blöde Fan-Kommentare

Schier unerträglich sind aber Kommentare von Leuten, die von sich behaupten, F95-Fans zu haben, aber nichts wissen und zu blöd und/oder zu faul sind, sich zu informieren. Da heißt es beispielsweise, soooo wichtig sei Peter Hermann nun auch wieder nicht gewesen. Nein, so unwichtig, dass der FCB bereit ist, die bislang weltweit höchste Ablöse für einen Co-Trainer zu zahlen. Hermann war so wichtig, dass man seit Funkels Einstieg im vergangenen Jahr unter Experten nie einfach von „dem Trainer“ sprach, sondern vom Trainergespann Funkel-Hermann. Unter Kennern gilt Hermann als einer der besten Trainerassistenten überhaupt, der zudem über genau die Fähigkeiten verfügt, jeden Spieler in seiner jeweiligen Entwicklungsstufe optimal anzusprechen und zu fördern. Der Weggang von Peter Hermann zu den Bayern ist aus sportlicher Sicht ein größerer Verlust als vor Kurzem der Abgang von Ihlas Bebou.

Weiterhin heißt es von besonders flachen Hirnen, Peter Hermann habe sich kaufen lassen und wolle auf seine alten Tage noch einmal so richtig satt Kohle machen. Hermann ist seit beinahe 30 Jahren als Co- und Interimstrainer bei Spitzenvereinen tätig und war vorher selbst Profi – u.a. bei Alemannia Aachen, dem HSV und Bayer Leverkusen. Wenn Geld ihm am wichtigsten wäre, hätte er sicher nicht das Angebot von Schalke 04 ausgeschlagen, um stattdessen bei der Fortuna einzusteigen. Der Mann ist 65, also de jure rentenberechtigt, der hat ganz sicher andere Interesse als Kohle und Karriere. Nehmen wir es ihm einfach ab, dass ihn eine alte Freundschaft mit Heynkes verbindet und er die Bitte dieses Freundes nun erfüllt.

Ganz Blöde unter den sogenannten „Fans“, die in der Gegend herummeinen, werfen Hermann Verrat vor. Er beweise mit seinem Weggang, dass es ihm mit seinem Bekenntnis zur Fortuna nie ernst gewesen sei. Welches Bekenntnis? Wer Peter Hermann (zum Beispiel im Trainingslager) einmal aus der Nähe erlebt hat, weiß a), dass der nicht viel redet – vor allem keinen Blödsinn – und b) keiner ist, der mit vollmundigen Bekenntnissen hausieren geht. Dass er überhaupt bei Fortuna gearbeitet hat, war ein großes Glück – von dem der Verein sportlich noch lange profitieren wird.

Bankrotterklärung der Bayern

Seit dieser Hoeneß wieder aus dem Knast ist, geht es beim FCB bergab. Keiner weiß ja, was dem Wurscht-Uli dort zugestoßen ist, aber vieles spricht dafür, dass ihn die Haft traumatisiert hat. Offensichtlich aber versucht er diese Zeit auszulöschen, indem er das Rad der Bayern-Geschichte zurückdrehen will. Jupp Heynkes, wenn auch nur als Interimstrainer, zurückzuholen, ist eine Bankrotterklärung. Vier Jahre lang hat Heynkes nicht nur nicht als Trainer amtiert, sondern sich nach eigenem Bekunden aus „dem Fußballgeschäft“ weitestgehend herausgehalten. In Zeiten, in denen sich der Fußball sportlich schneller und umfassender geändert hat als jemals, sind vier Jahre eine Ewigkeit. Nein, Heynkes und Hermann sind nicht zu alt, sondern Heynkes ist nicht auf dem Laufenden. Auf den Stand der Technik kann ihn auch Hermann kaum bringen, denn der hat sich – ebenfalls nach eigenem Bekunden – aus taktischen Fragen weitgehend herausgehalten.

Die Verpflichtung von Heynkes ist auch ein Schlag des Hoeneß‘ gegen den Rummenigge. Beziehungsweise ein stiller Vorwurf, dass der lippische Sparkassenangestellte in seiner Abwesenheit alles falsch gemacht hat, weil es kein weiteres Triple gab. Nun will der Steuerhinterzieher dem Uhrenschmuggler möglicherweise beweisen, dass er mit dem ollen Heynkes und den Rezepten der früheren Jahre den FCB wieder in die europäische Spitze bringen kann.

FCB ist Raubtierkapitalismus

Wer auch nur einen Hauch kapitalismuskritisch denkt und fühlt, muss den FC Bayern München zutiefst verabscheuen, einen Club, der eigentlich die Telekom-Audi-Adidas-Soccer-AG ist. Ein Unternehmen, das sich mit seinem Geld alles kauft, was sie haben will. Man kennt das ja gewissen kriminellen Organisationen. Schon seit Hoeneß vor gefühlten 100 Jahren das Management übernahm, arbeitet der FCB mit den Methoden des Raubtierkapitalismus, also nach dem Prinzip „Der Zweck heiligt die Mittel“. Gekauft wird, was zu haben ist. Und wenn etwas nicht zu haben ist, dann wird so lange medialer Druck ausgeübt, bis man bekommt, was man haben will. Denn die Bayern sind zudem Mittelpunkt eines medialen Kartells mit der SportBild und dem Focus im Zentrum. Dieses Kartell ist so mächtig, dass sich Journalisten, die nicht Teil davon sind, schon lange nicht mehr trauen, die Methoden des FCB kritisch zu beleuchten.

So verfügt das FCB-Kartell heute de facto über die Deutungshoheit im deutschen Fußball, die immer wieder durch Einschüchterung gefestigt wird. Es waren der FCB und vor allem Hoeneß, die den Begriff „Fußballgeschäft“ in den späten Siebzigerjahren geprägt und penetriert haben. Dass heute die Mehrheit der Bürger, die sich für den Fußball der oberen Ligen interessierten, diese Interpretation für gottgegeben halten, ist ein Verdienst medialer Gehirnwäsche.

Weil die Hoeneß-Organisation den Fußball für ein Geschäft hält, betrachtet sie alle anderen Vereine nicht als sportliche Gegner, sondern als Business-Konkurrenten. Die gilt es zu schwächen. So wie sich die Urzeitkapitalisten zu Zeiten der Erschließung des Wilden Westens auf jede erdenkliche Weise gegenseitig schwächten, so hat der FCB über viele Jahre die Konkurrenz durch das Wegkaufen der besten Spieler geschwächt. Man hat sich vor allem beim jeweils gefährlichsten sportlichen Gegner bedient und konnte das tun, weil man in den Siebzigerjahren vom Freistaat Bayern und der Stadt München drastisch subventioniert wurde. Schlüssel dazu war das Olympiastadion von 1972, das der FCB bis weit in die Achtzigerjahre mietfrei nutzen konnte. So waren die Startbedingungen ins „Fußballgeschäft“ nicht gerecht verteilt.

Und die Fortuna?

Diese historische Ausgangslage und die psychischen Zustände des Hoeneß führen zu Aktionen wie der aktuellen: Ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, dass man dem TSV Fortuna Düsseldorf, dem aktuellen Tabellenführer der zweiten Bundesliga, mit dem Abwerben des Co-Trainers in der aktuellen Situation schwer schaden könnte, will man dem Interimstrainer seinen Herzenswunsch erfüllen. Koste es, was es wolle. Das ist auf derart perfide Art unsportlich, dass man es kaum fassen kann. Ja, werden die Gehirngewaschenen jetzt einwenden, dafür kriegt die Fortuna aber auch satt Schotter. Und das ist genau die Denkrichtung, die uns das Hoeneß-Kartell seit fast 40 Jahren versucht einzuprügeln, dass der Fußball Business sei und dass man sich auch dort mit Geld alles kaufen kann. Insofern ist der Wechsel von Peter Hermann zum FCB ein Paradebeispiel für den modernen Fußball als Teil des Turbokapitalismus.

Ganz unbedarfte Soccer-am-PC-Zocker rechnen jetzt schon vor, dass die Fortuna ja nun prall gefüllte Kassen für Wintertransfers habe. So wie sie an ihren Konsolen Teams zusammenstellen, so sollen auch die F95-Verantwortlichen ständig neue, bessere Spieler kaufen. Dass dieses Denken mit der Realität erfolgreichen Fußballsports nichts zu tun hat, ahnen sie nicht. Weil das anderen ihnen ja ständig von den leicht verblödeten Sportkommentatoren im TV vorgekaut werden, die während eines Länderspiels unentwegt vorlesen, welcher Spieler für wie viel von wo nach wo gewechselt ist.

Im besten Fall wird der Wechsel von Hermann auf die sportliche Leistung des Teams keinen Einfluss haben. Im schlechtesten Fall werden sich die Auswirkungen des Abgangs durch veränderte Trainingsmethoden etwa nach der Winterpause zeigen. Und im optimalsten Fall wird ein neuer Co-Trainer kommen, der ganz anders arbeitet als Peter Hermann, aber eben nicht schlechter. Könnte sein, dass es einen Kandidaten dafür sogar in den Reihen der Fortuna gibt…


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9 Gedanken zu „Fortuna-Punkte 17/18: Der Fall Hermann. Oder: Fußball als Raubtierkapitalismus

  • Das die Bayern ein unangenehmer Verein ist, wussten wir ja schon länger. Aber: Hermann hätte ja auch einfach „Nein“ sagen können. Mir fallen eine Menge Argumente ein, die dieses „Nein“ unterfüttern, und „isch hab Vertrach“ zählt nur ganz am Rand dazu…

    Antwort
    • Als jemand aus demselben Geburtsjahrgang wie Peter Hermann (1952) kann ich seine Entscheidung absolut verstehen; würde mich ein älterer Freund bitten, ihm einen Gefallen zu tun, wofür ich aber für acht Monate nach Köln ziehen müsste… ich glaub, ich würd’s tun ;–))

      Antwort
  • Ich glaube , da hat die Autokorrektur zugeschlagen

    “ gilt Hermann als einer der besten Trainingslager überhaupt “

    Wenn jetzt noch jemand weiss , wie man die global auf einem Android Gerät deaktiviert …

    Antwort
    • Vielen Dank für den Hinweis – wurde korrigiert.

      Antwort
  • Bin ich froh, wenn ab kommender Saison, endlich kein Championsleaguefußball mehr bei den öffentlich-rechtlichen zu sehen sein wird. Ich kann diesen Dreck nicht mehr ertragen und wie er einem präsentiert wird schon lange nicht mehr. Und man sieht ja, wie sich das alles auch auf die 2. Liga auswirkt. Anstoßzeiten, die immer bizarrer werden, Zusammenfassungen im free-tv, die jeder Beschreibung spotten (Montagsspiel 23:00 oder so bei RTL Nitro – oder sonst abends bei Sky-Sport-news). Und jetzt wird uns auf arroganteste Art und Weise auch noch der extrem wertvolle Co-Trainer aus dem laufenden Spielbetrieb herausgekauft, von diesem Konglomerat. Ekelhaft.

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  • “ Nun will der Steuerhinterzieher dem Uhrenschmugler “ Einfach mal sachlich bleiben und nicht mit Schaum auf den Lippen irgendwelche Kommentare schreiben.

    Antwort
    • Was ist daran unsachlich? Uli Hoeneß wurde wegen massiver Steuerhinterziehung rechtskräftig verurteilt und hat knapp die Hälfte der Haftstrafe abgesessen. Karlheinz Rummenigge wurde beim Versuch eine teure Uhr einzuschmuggeln erwischt und musste eine Geldstrafe bezahlen. Und den WM-Korupti Beckenbauer habe ich noch nicht einmal erwähnt, weil er eben noch nicht rechtskräftig verurteilt ist. Die Chefetage der FCB-AG ist im Grunde eine lobenswerte Reha-Einrichtung für Kriminelle.

      Antwort
  • Was die Bayern machen, machen alle anderen Klubs doch auch? …auch unsere Fortuna! Nur in Finanziell anderen Dimensionen/Ligen !
    Also sollte man sich über sowas nicht aufregen, bzw. beschweren.

    Antwort
    • Was macht die Fortuna auch, was die Bayern machen – Leute aus Funktionsteams mitten in der Saison abwerben? Spieler kaufen, um Konkurrenten zu schwächen?

      Antwort

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